Apparition hat geschrieben: ↑13.07.2022 12:33
Ich bin ja durchaus großer Freund davon, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen (und gebe gerne zu, das ich den eigenen Ansprüchen da längst nicht immer gerecht werde), aber es ist schon aufschlussreich zu sehen, wie gut die Story vom privaten ökologischen Fußabdruck funktioniert. Menschen, die vermutlich allesamt ein Bewusstsein für das Problem haben, schieben sich gegenseitig Schuld zu, während die Großverbraucher weitermachen wie bisher.
Am Wochenende habe ich unweit meines Heimatortes beobachten dürfen, wie der Grünstreifen auf der Autobahn samt Leitplanken durch eine endlose Doppelreihe von Betonklötzen ersetzt wurde. Um den CO2-Austoß, der bei der Produktion dieser Elemente anfiel, zu kompensieren, müsste vermutlich die ganze Kleinstadt nebenan für mindestens ein Jahr auf Autos und Flugreisen verzichten. Und das für eine komplett sinnlose Maßnahme. Solange solche Sachen durchgewunken werden, ist jede persönliche Selbstzerfleischung nicht nur sinnlos, sondern kontraproduktiv, weil sie Verantwortung völlig unangemessen verteilt.
Das gilt obendrein. Aber auch auf der rein persönlichen Ebene finde ich das schwierig. Klar, wenn mir jemand erzählt, dass er demnächst in den Urlaub fliegt, dann ist meine erste Reaktion im Kopf auch ein empörtes "wie kannst du nur?". Aber der Reflex ist nicht richtig. Jeder von uns macht einerseits Dinge besser als andere aber auch andererseits wieder Dinge schlechter als andere. Wirklich ausnahmslos jeder, manches davon bewusst, manches unbewusst. Mein Nachbar fährt ein SUV. Das ist definitiv blöder als meine alte Karre, die so oft es geht in der Garage bleibt. Dafür arbeitet er am Ort und pendelt nicht jeden Tag 40 km in die Arbeit. Wer von uns beiden ist jetzt der Depp?
Dieses Spiel funktioniert nicht und wir sollten es nicht spielen. Was wir machen müssen, ist alle Bereiche auf den Prüfstand zu stellen und in möglichst vielen (vor allem aber da, wo die Hebel am größten sind) Maßnahmen umsetzen, die was bewirken. Das ist der Weg, nicht persönliches Aufrechnen.
Insgesamt ist das eh so ein Glas-halb-voll oder Glas-halb-leer-Thema. Egal wo wir hinschauen, wir müssen was tun. Dringend. Vieles davon wird schwierig, teuer und unangenehm. Und ehrlicherweise wird vieles auch einfach nicht passieren. Aber die andere Sicht ist, dass wir eben auch egal wo wir hinschauen etwas tun
können. Es gibt kaum einen Bereich, den wir nicht verstehen oder bei dem wir hilflos wären. Wir können überall was tun und das wird auch alles helfen. Jede Maßnahme wird dazu beitragen, dass es weniger scheisse wird. Es lohnt sich also, dafür zu kämpfen, dass auch möglichst viel davon passiert.
Aber nicht gegeneinander und mit Fingerzeigen. Auch nicht auf die Idioten. Das ist eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen, die woanders besser aufgehoben wären.