Ploppis Panoptikum

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Thunderforce
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Thunderforce »

Apparition hat geschrieben: 10.10.2022 09:03 Jetzt mal mit Texten gehört.

Jessas, da war aber wirklich jemand mies gelaunt. In Verbindung mit den Texten passt die Musik dann auch. Ich höre da ein paar schön kratzbürstige Therapy?-Vibes. Erwartet hab ich eigentlich eher was ruhigeres, akustisches mehr Richtung Singer/Songwriter
Ja, Richey Edwards, der für den Großteil der Lyrics verantwortlich war, hatte auch schwerstens einen neben sich laufen in der Phase, bzw war von massiven psychologischen Problemen gequält.
Inkl. Selbstverletzung auf und abseits der Bühne, Anorexia Nervosa usw usf.
In der Folge hat er sich ja dann kurze Zeit später auch (man muss fast sagen folgerichtig) vermutlich umgebracht (er ist spurlos verschwunden, aber es sprechen alle Indizien dafür, dass er sich das Leben genommen hat und seine Leiche nie gefunden wurde).
Wenn man Artikel oder Analysen zu dem Album liest, woher die Samples kommen, was er mit bestimmten Texten gemeint hat / haben könnte etc. wird das Elend noch offensichtlicher.
Bis heute hat die Band soweit ich das weiß Konakt zu seiner Familie und die kriegen auch immer noch Tantiemen von den Platten, auf denen er gespielt hat und ich meine auch von "Journal for Plague Lovers" von 2009, da haben sie nochmals ausschließlich auf Texte von ihm zurückgegriffen, das ist sowas wie der kleine Bruder der Holy Bible.

Mit Therapy? waren sie zu der Platte auch auf Tour, da ist schon was dran.
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Apparition
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Apparition »

Ich erinnere mich wieder, das mit dem Bandmitglied, das spurlos verschwunden ist, hab ich schonmal gelesen. Vor dem Hintergrund lesen sich manche Texte nochmal anders. Hier und da war ich nämlcih schon irritiert, sowas von einer band wie MSP zu hören. "She is Suffering" z.B., ich will aber nicht ausschließen, dass ich einfach noch nicht alles richtig verstanden habe.
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Thunderforce »

Apparition hat geschrieben: 10.10.2022 10:57 Ich erinnere mich wieder, das mit dem Bandmitglied, das spurlos verschwunden ist, hab ich schonmal gelesen. Vor dem Hintergrund lesen sich manche Texte nochmal anders. Hier und da war ich nämlcih schon irritiert, sowas von einer band wie MSP zu hören. "She is Suffering" z.B., ich will aber nicht ausschließen, dass ich einfach noch nicht alles richtig verstanden habe.
Dazu gibts von Richey und Nicky (der andere Texter auf dem Album) die Aussage, dass "She" keine Frau bezeichnet, sondern das Verlangen als solches:

According to its lyricist, Richey Edwards, the song's title refers to "Desire. In other bibles and holy books, no truth is possible until you empty yourself of desire. All commitment otherwise is fake/lies/economic convenience".
Nicky Wire also noted, "It's quite a simple song, both musically and lyrically. It's kind of like the Buddhist thing where you can only reach eternal peace by shedding every desire in your body."[3]



In der Box zum 20jährigen Jubiläum sind auch Liner Notes drin und ich meine, da schreibt James (also der Sänger, der aber halt den Text nicht geschrieben hat), dass "She is suffering" zu den Lyrics gehört, mit denen er sich nicht (mehr) identifizieren kann, aber ich meine er interpretiert "She" als Frau/Frauen und dann wäre es aus seiner Sicht sexistisch bzw. dumm. Müsste ich nochmal nachgucken, was da genau steht.

Das ist jedenfalls einer von den Texten, die man sehr verschieden interpretieren kann und man nie eine Antwort finden wird, wie es eigentlich gemeint war, weil der Texter halt tot ist.
Archives of Pain ist ein anderes Beispiel, das ist eigentlich der rätselhafteste Text von allen. Es geht um die Todesstrafe, aber es wird weder klar, ob er dafür oder dagegen ist, ob das ganze so gemeint ist, wie es da steht oder als "Parodie" auf Leute, die z.b. Pro-Ansichten vertreten (sowas wie Rammsteins "Pussy" aus Sicht von Sextouristen, wobei hier halt klar wird, dass Lindemann sich drüber lustig macht), und wie ernst das ganze überhaupt gemeint ist, wenn sie im zweiten Chorus am Ende anstatt "Milosovic" auf einmal "Manic Street Preachers" singen (es hat 20 Jahre gebraucht, bis ich es verstanden habe, was sie da singen LOL). Ebensogut könnte der Text aus Sicht von jemandem geschrieben sein, der die Todesstrafe eigentlich ablehnt, dann aber doch mit "Todesstrafe für Kinderschänder" Shirt rumläuft bzw. die Ansicht vertritt, die Welt wäre ein besserer Ort, wenn Politiher XY eine Kugel im Kopf hätte (im Chorus werfen sie ja munter die Namen von Massenmördern mit denen von Politikern/Kriegsverbrechern durcheinander) etc

Eine andere Auslegung, die ich mal gelesen habe war die, dass Edwards nicht verstanden hat, wie Massenmörder durch Filme usw. teilweise glorifiziert, mystifiziert etc. werden.
"Give them the respect they deserve." - Keinen.

Völlig rätselhaft alles und das macht es IMO auch so spannend und u.a. den Reiz aus.
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Apparition »

Thunderforce hat geschrieben: 10.10.2022 11:33
Apparition hat geschrieben: 10.10.2022 10:57 Ich erinnere mich wieder, das mit dem Bandmitglied, das spurlos verschwunden ist, hab ich schonmal gelesen. Vor dem Hintergrund lesen sich manche Texte nochmal anders. Hier und da war ich nämlcih schon irritiert, sowas von einer band wie MSP zu hören. "She is Suffering" z.B., ich will aber nicht ausschließen, dass ich einfach noch nicht alles richtig verstanden habe.
Dazu gibts von Richey und Nicky (der andere Texter auf dem Album) die Aussage, dass "She" keine Frau bezeichnet, sondern das Verlangen als solches:

According to its lyricist, Richey Edwards, the song's title refers to "Desire. In other bibles and holy books, no truth is possible until you empty yourself of desire. All commitment otherwise is fake/lies/economic convenience".
Nicky Wire also noted, "It's quite a simple song, both musically and lyrically. It's kind of like the Buddhist thing where you can only reach eternal peace by shedding every desire in your body."[3]



In der Box zum 20jährigen Jubiläum sind auch Liner Notes drin und ich meine, da schreibt James (also der Sänger, der aber halt den Text nicht geschrieben hat), dass "She is suffering" zu den Lyrics gehört, mit denen er sich nicht (mehr) identifizieren kann, aber ich meine er interpretiert "She" als Frau/Frauen und dann wäre es aus seiner Sicht sexistisch bzw. dumm. Müsste ich nochmal nachgucken, was da genau steht.

Das ist jedenfalls einer von den Texten, die man sehr verschieden interpretieren kann und man nie eine Antwort finden wird, wie es eigentlich gemeint war, weil der Texter halt tot ist.
So hab ich das im ersten Moment auch interpretiert, darum meine Verwunderung. Kann natürlich so aus einem rausfallen, wenn man gerade aus einer schlimemn Beziehung kommt oder so, aber dass die Band das abnickt, hat mich dann doch gewundert.
Thunderforce hat geschrieben:Archives of Pain ist ein anderes Beispiel, das ist eigentlich der rätselhafteste Text von allen. Es geht um die Todesstrafe, aber es wird weder klar, ob er dafür oder dagegen ist, ob das ganze so gemeint ist, wie es da steht oder als "Parodie" auf Leute, die z.b. Pro-Ansichten vertreten (sowas wie Rammsteins "Pussy" aus Sicht von Sextouristen, wobei hier halt klar wird, dass Lindemann sich drüber lustig macht), und wie ernst das ganze überhaupt gemeint ist, wenn sie im zweiten Chorus am Ende anstatt "Milosovic" auf einmal "Manic Street Preachers" singen (es hat 20 Jahre gebraucht, bis ich es verstanden habe, was sie da singen LOL). Ebensogut könnte der Text aus Sicht von jemandem geschrieben sein, der die Todesstrafe eigentlich ablehnt, dann aber doch mit "Todesstrafe für Kinderschänder" Shirt rumläuft bzw. die Ansicht vertritt, die Welt wäre ein besserer Ort, wenn Politiher XY eine Kugel im Kopf hätte (im Chorus werfen sie ja munter die Namen von Massenmördern mit denen von Politikern/Kriegsverbrechern durcheinander) etc

Eine andere Auslegung, die ich mal gelesen habe war die, dass Edwards nicht verstanden hat, wie Massenmörder durch Filme usw. teilweise glorifiziert, mystifiziert etc. werden.
"Give them the respect they deserve." - Keinen.

Völlig rätselhaft alles und das macht es IMO auch so spannend und u.a. den Reiz aus.
Ja, da musste ich auch überlegen. Meine erste Interpretation war, dass die Leute (also Diktatoren, Nazis usw.), die üblicherweise die Todesstrafe propagieren, selber so furchtbare Dinge begehen, dass sie eigentlich als erste dran sein müssten. Aber so richtig passte das auch nicht.
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Thunderforce »

Ist aber auch ein möglicher Ansatz. Und von so Sachen gibt es halt einige auf der Platte. Dazu dann die Musik und diese fiese Stimmung, ich liebe es *g*
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Thunderforce »

27 Jahre, 10 Alben, 5 Sänger.
Das sind die blanken Zahlen zu Arena. Mir fällt spontan kaum eine Band ein, die in ihrer Laufbahn drei Sänger hatte (Maiden, Threshold), aber fünf ist schon außergewöhnlich. Nagut, Black Sabbath – aber die hatten auch mehr als zehn Alben. *g*
Egal, als Fan dabei bin ich seit „The Visitor“, live miterlebt habe ich also drei Sängerwechsel und live im Sinne von Konzertlaufbahn immerhin zwei.

Ich habe keine Ahnung, wie oft ich Arena in meinem Leben live gesehen habe, aber es war ziemlich oft und sie dürften in der Top 3 der am häufigsten von mir gesehenen Bands sein, vielleicht sogar auf Platz 1.
Die meisten Gigs von ihnen habe ich in der Essener Zeche Carl gesehen, gestern dürfte das siebte mal gewesen sein, wenn setlist.fm nichts ausgelassen hat. Und wieder mal war es soweit, ein neuer Sänger stand am Mikro. Der Unterschied zu allen anderen Sängerwechseln davor war: Den hier kannte ich schon, denn es ist Damian Wilson, der ehemalige Threshold-Sänger, den ich mit ebenjenen auch schon x-fach gesehen und abgefeiert habe, außerdem bei diversen Arjen-Lucassen-Konzerten. Noch nie war er dabei nicht legendär und hat einfach sämtliche anderen klassischen Rock- und Metalsänger mit links und innerhalb von zwei, drei Liedern komplett in die Tasche gesteckt. Ja, alle. Bis auf John Bush vielleicht, der liefert ebenfalls immer und überall wo ich ihn sehe eine Jahrhundertshow ab.
Noch dazu ist er (also Wilson jetzt *g*)auch als Frontmann einer der besten, die es gibt. - Als er 2020 oder wann das war als neuer Arena-Sänger angekündigt wurde, fand ich das zwar natürlich spannend, aber hatte auch meine Zweifel. Passt dieses Energiebündel zu dem doch eher gesetzteren Material von Arena?

Was war ich also gespannt. Immerhin ist seine Stimme sehr markant, unterscheidet sich schon ziemlich von denen von John Carson, Paul Wrightson, Rob Sowden und Paul Manzi, den bisherigen Arena-Vokalisten. Während Carson und Wrightson am ehesten in Fish-Gefilden wilderten (sofern der neben seiner tollen Stimme auch technisch gut singen könnte *g*), war Sowden mit dunklerer Stimmfärbung und mehr Drama am Start (die Arena-Konzerte mit ihm waren immer etwas theatralischer als mit den anderen, mehr Aufführung als Rockshow), Manzi hingegen war einfach ein klassischer Rocksänger mit viel Power.
Wilson singt höher als all seine Vorgänger und klingt einfach eigenständiger. Auf der neuen Platte funktioniert das sehr gut, aber ich hatte echt meine Zweifel, ob Wilson die alten Sachen so rüberbringen kann, dass es mich mitreißt, speziell bei den Rob Sowden-Sachen hatte ich Bedenken.
Diese waren aber unbegründet, wie sich herausstellte.

Da die Tour zur aktuellen Platte mit der coronabedingt verschobenen Tour zum 25-jährigen Bandjubiläum zusammengelegt wurde, lag der Fokus gar nicht so sehr auf dem aktuellen Album, lediglich drei Lieder wurden von dem gespielt. Dazu drei von „The Seventh Degree of Separation“, fünf von „The Visitor“ und dann jeweils eines von jedem anderen Album.
Sprich: Wilson musste sich neben seinem eigenen Kram mal eben Material von vier anderen Sängern draufpacken, was man ja auch erstmal machen muss. Und: Er ownte es *g*

Los ging es erwartungsgemäß mit „Time Capsule“, dem Opener der aktuellen Platte, doch direkt danach ließ man das neue Album erstmal außer acht und begab sich in die Vergangenheit, es folgten diverse Lieder aus der Manzi- und der Sowden-Phase. Herausragend hier das balladeske „How Did It Come To This?“ bei dem sich die Band zurücknahm und Wilson den Teppich ausbreitete, auf dem dieser dann glänzte und für meterweise Gänsehaut sorgte. Und: „The Butterfly Man“! Einer ihrer besten Songs, ewig nicht mehr live gehört. Wilson versang sich am Anfang beim Text, das wurde geschickt überspielt, in dem er einfach nochmal anfing und so einfach das Intro länger war, dann fiel im Mittelteil auch noch das Mikro aus, und es musste schnell ein neues her, aber auch das konnte der Performance nichts anhaben. Und es waren tatsächlich speziell die tief gesungenen, ruhigen Passagen, die Wilson entgegen meiner Erwartung komplett großartig rüberbrachte, erneut Gänsehaut. Nie klang dieser Song düsterer und finsterer.
Wilson entschuldigte sich nach dem Song sogar noch für den Technik-Fuckup, bezeichnete „The Butterfly Man“ als seinen Arena-Lieblingssong und wollte erklären, was genau passiert war, wurde aber von Gitarrist John Mitchell mit einem herausgebellten „Es ist kaputt!“ unterbrochen. *g*
Überhaupt, John Mitchell. Optisch ist ihm die Coronazeit nicht so gut bekommen, er hat mich inzwischen figurtechnisch überholt und wandert langsam Richtung Steve Rothery *g* - Aber ich habe ihn schon seit Jahren nicht mehr so gutgelaunt gesehen, er war nur am grinsen, lachen und rumfeixen. Das gilt für alle, nur Clive Nolan wirkte ungewohnt in sich gekehrt und zuerst fast grummelig aber nach einer längeren Ansage seinerseits über die Großartigkeit von deutschen Weihnachtsmärkten (Clive kommt jedes Jahr aus England rüber und besucht Weihnachtsmärkte in Deutschland, der Himmel weiß, warum – nun hat er wohl tatsächlich vor, einen Weihnachtsmarkt nach deutschem Vorbild auf seinem Grundstück aufzubauen für die Leute in der Stadt, in der er wohnt *lol* - einen Glühwein-Stand hatte er bereits letztes Jahr in seinem Garten und davon Bilder auf Twitter geteilt *g* ) taute auch er endlich auf.

Nach einem weiteren neuen Song ging es dann mit dem obligatorischen „A Crack in the Ice“ erstmals zurück in die 90er und zum Visitor-Album, DEM Bandklassiker. Die Sachen von Paul Wrightson brachte Damian natürlich ebenfalls super rüber, das war allerdings dann auch schon erwartungsgemäß eigentlich. Davon ab sind diese Songs ohnehin derart gut, dass sie vermutlich nichtmal Mille kaputtsingen könnte. Trotzdem muss man erwähnen, WIE sehr Damian Songs wie „ A State of Grace“ oder später „The Visitor“ zu seinen eigenen machte.
Es gibt so ein paar Songs, die spielen Arena immer und die jeweiligen Sänger haben den Song dann jeweils übernommen und machen Sachen eben anders als ihre Vorgänger. „Don‘t Forget to Breathe“, der Vampirsong, ist das beste Beispiel. Bei dem „And now you‘re mine!“-Break in der Mitte haben Sowden, Manzi und nun Wilson komplett verschiedene Dinge gemacht. Sowden wirkte immer wie so ein fancy Vampir, ein bisschen wie Gary Oldman in „Dracula“ von 1992, an den Stellen, wo er nicht alt ist *g*. Manzi sprach den Satz mit ganz tiefer Stimme, aber laut und deutlich. Und Wilson? Kauert sich vors Schlagzeug, atmet schwer und keuchend und murmelt dann kaum verständlich diesen Satz ins Mikro, mit rasselndem Atem, es klang beinahe psychotisch. Geil. Und megaspannend, wie die drei Sänger diesen Song, der im Original nicht von ihnen gesungen wird, übernommen und jeweils was eigenes draus gemacht haben.
Ein weiteres Beispiel ist „Crying for Help VII“, seit Anbeginn der Zeit der Stadion-Migröhler und die letzte Zugabe, den fand ich mit Manzi immer am allerbesten, aber auch hier hat Wilson seinen Stempel draufgedrückt, das Publikum noch mehr integriert als seine Vorgänger das gemacht haben und (wie den kompletten Abend über) nebenbei noch wie ein Gott gesungen.

Der Mann ist in der Form seines Lebens. Ich habe ihn wirklich oft mit Threshold gesehen, und auch von Threshold gab es Legendengigs (ebenfalls Zeche Carl Ende der 2000er kurz nach dem Ausstieg von Mac, dann 2014 im Hypothalamus Rheine, das waren so die beiden herausragendsten) wo ich gedacht habe, dass Damian auch ohne jede Schwierigkeit ein Fußballstadion in der Hand hätte und das habe ich gestern auch wieder gedacht. Es ist unfassbar, wie gut der ist.
Und wenn er nach dem letzten regulären Song „The Visitor“ dann nassgeschwitzt und strahlend ins Publikum guckt und sagt „Good night to every single one of you!“ dann sieht man ihm an, dass er das in dem Moment genauso meint und es von Herzen kommt.
Erste Zugabe dann „Solomon“, ich hatte es gehofft. An sich ist der fast auch obligatorisch, aber offenbar haben sie den bei der Tour bisher nur ein paar mal gespielt, er geht ja immerhin auch eine Viertelstunde. Überraschenderweise konnte Wilson das natürlich auch, auch wenn ich sagen muss, dass ich den Song einmal mit Rob Sowden gesehen habe und der das an dem Abend derart göttlich gemacht hat, dass es für alle Zeiten unerreicht bleiben wird. Dafür blieb Damian den kompletten, nicht gerade kurzen Instrumentalpart auf der Bühne und hatte Spaß, lachte und feierte sich, die Band und das Publikum.

Und, wie für ihn typisch, nachdem die Band nach der letzten Zugabe von der Bühne war, dauerte es keine 20 Sekunden, bis Wilson wieder rauskam, von der Bühne ins Publikum stieg und mit den Fans redete, Fotos mit sich machen ließ usw. Nochmal 2 Minuten später ging das ganze am Merchstand weiter. Ich hab da noch lange angestanden (die Leute haben denen das durchaus amtlich bepreiste Zeug kiloweise aus den Händen gerissen) und er stand die ganze Zeit neben der Merchandise-Verkäuferin, unterschrieb geduldig CDs und hatte für jeden Zeit und ein paar Worte.
Merkt man, wie sehr ich den Kerl mag und verehre? Gut. *g*

Also, Willkommen, Damian. Alle (ehrlich gesagt dann doch auch eher kleinen) Zweifel ausgeräumt. Ich bin gespannt, wie lange er bleibt. Bei Arena weiß man das eben nie. An sich bin ich sicher, dass ich auch noch Sänger Nummer 6 erleben werde. Andererseits ist Mick Pointer inzwischen 66 und Clive Nolan immerhin 61, wenn die noch zehn Jahre machen, bin ich ja schon dankbar.

Setlist Essen:

1. Time Capsule
2. Rapture
3. Bedlam Fayre
4. How Did it Come to This?
5. The Butterfly Man
6. Paradise of Thieves
7. The Equation (The Science of Magic)
8. A Crack in the Ice
9. Salamander
10. A State of Grace
11. The Ghost Walks (instrumentale Version)
12. Life Goes on
13. Don‘t Forget to Breathe
14. The Tinder Box
15. The Visitor
---
16. Solomon
---
17. Enemy Without
18. Crying for Help VII
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von GoTellSomebody »

Thunderforce hat geschrieben: 23.09.2022 08:32 Ich bin mit meiner Liebe für diese Band, die in ihrer Heimat regelmäßig Fußballstudien füllt, in diesem Forum zwar völlig allein auf weiter Flur, aber ich schreib dennoch was dazu *g*


Die Manic Street Preachers, 1998 mit „This Is My Truth Tell Me Yours“ auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs (erstmals Nummer 1 mit Single und Album in UK) hätten als Nachfolge dazu eigentlich machen können, was sie wollen, am sichersten wäre natürlich gewesen, das Konzept dieses Bombast-Rocks weiterzuverfolgen. Aber wie bei ihnen üblich machten sie das genaue Gegenteil:

Inspiriert von Guns N‘ Roses 10 Jahre vorher planten sie die parallele Veröffentlichung von zwei Alben, nämlich „Door to the River“ und „Solidarity“. Ersteres ging eher in eine nachdenkliche und introvertierte, reflektierende Richtung, „Solidarity“ hingegen war aggressiv, wütend, kratzbürstig. Sony Music war fein damit, wie gesagt, Nummer 1 Band, die hätten sie auch 4 Alben veröffentlichen lassen.
Dann aber bekam die Band während der Aufnahmen kalte Füße, es wurde zusammengestrichen, die Songs der beiden Alben wild durcheinandergemischt und heraus kam am Ende der 16- bzw. 17 Song (inkl. Hiddentrack)-70 Minuten-Gigant „Know Your Enemy“, ein Album, das mir immer als zerrissen, irgendwie unfertig und unzusammenhängend vorkam.

Jetzt, da ich weiß, dass es aus wild zusammengewürfelten Songs von eigentlich zwei geplanten Alben bestand, wundert mich das freilich kein Stück mehr, aber bis vor kurzem wusste ich das tatsächlich nicht. Die Manics haben schon einige ihrer Alben als Deluxe-Editionen zu 20-jährigen Jubiläen etc. herausgebracht, meist mit B-Seiten und Livematerial als Bonus.

„Know Your Enemy“ ist jetzt ebenfalls neu herausgekommen – und zwar in der ursprünglich angedachten Fassung. Die Standard-Edition enthält nun die beiden Alben „Door to the River“ und „Solidarity“, in den ursprünglich geplanten Versionen mit 10 bzw. 12 Songs, neu gemischt und gemastert noch dazu. Das teilweise furchtbar übersteuerte, bewusst auf Kratzen hochgezogene des Original-Albums ist weitgehend weg, nun klingt alles aufgeräumter, voller und besser. Zudem wurden (logischerweise) die Inhalte geändert. Aus den ursprünglich 16 bzw. 17 Songs sind nun 22 geworden, zudem wurde die Songreihenfolge natürlich auch massiv umgestellt.


Im Einzelnen:

„Door to the River“ enthält nun den gleichnamigen Titelsong (der war bisher nur auf einer Best Of von 2002 enthalten), den ganz neuen Song „Rosebud“ (ganz neu im Sinne, der wurde vorher nie veröffentlicht, aber er ist 2000/2001 aufgenommen worden), sowie die bisher nur als Single B-Seiten veröffentlichten „Just a Kid“ und „Groundhog Days“. „So Why So Sad“ ist zudem in einem komplett anderen Mix enthalten (ich fand das Original ehrlich gesagt besser), der auch eine Minute länger ist als das Original.

„Solidarity“ enthält das McCarthy-Cover „We Are All Bourgeois Now“ (ursprünglich als Hidden Track auf „Know Your Enemy“ enthalten), außerdem „Masses Against the Classes“ (war bisher lediglich als Stand Alone-Single erhältlich, die 2000 erschien) sowie den ganz neuen (im Sinne von nie veröffentlichten, aber damals aufgenommenen) Song „Studies in Paralysis“.

Der Song „Royal Correspondent“ ist der einzige, der auf „Know Your Enemy“ drauf war, aber auf der neuen Version fehlt.

Beide Alben klingen nun schon recht unterschiedlich zu vorher, wo es irgendwie ein Kompromiss war. „Door to the River“ klingt voller, aber auch aufgeräumter und einfach besser, „Solidarity“ hat mehr Punch, dafür fehlt das übersteuerte. Einige Songs haben sich gar nicht so viel verändert, aber Sachen wie „Baby Elian“ oder „Epicentre“ sind wie komplett neue Songs. Wie gesagt „Know Your Enemy“ war immer wie ein Flickenteppich, auf dem irgendwie nichts zusammenpasste, auch soundtechnisch nicht. Und jetzt tut es das auf einmal.

Es gibt außerdem eine 3CD-Version.
Hier sind zum einen noch „Royal Correspondent“ und drei alternative Versionen von Albumsongs (u.a. das Original von „So Why So Sad“) als Bonus von „Door to the River“ enthalten.
„Solidarity“ enthält zudem 6 weitere Songs, die im Original von den B-Seiten der Singles zum Album stammten. Bei den Manics ist es seit jeher üblich gewesen, dass auf den 3 bis 5 Singles pro Album immer auch B-Seiten sind im Sinne von richtigen Songs, die nicht auf dem jeweiligen Album sind und wo man sich meist noch ein zweites Album draus basteln kann mengenmäßig. Weiterhin enthalten ist einen Hidden Track namens „Little Trolls“, wo der urprünglich drauf war, oder ob überhaupt, entzieht sich meiner Kenntnis. Habe im Netz herausgefunden, dass es mal ein „cassette-exclusive track that would normally be destined to be unheard by most fans“ war.

Alles in allem also 33 Songs in der Deluxe-Edition (im üblichen MSP-DIN A 5-Buchformat) und damit dürfte dann diese Phase der Band auch wirklich abgedeckt sein. Die dritte CD enthält 16 Demoversionen verschiedener Albumsongs, brauche ich jetzt nur bedingt, aber ist halt dabei. Zudem umfangreiche Liner Notes zur Entstehung der beiden Alben. Und leider wieder keine Texte, Ihr Schweine.

Dennoch, für Fans Pflicht, dieses Ding, da man statt einem zwar guten, aber halt nach Kraut und Rüben klingendem Album nun zwei Sinn ergebene, deutlich besser klingende Alben hat. Freude.


Zum Vergleich, „Know Your Enemy“ Tracklist von 2001:

01. Found That Soul
02. Ocean Spray
03. Intravenous Agnostic
04. So Why So Sad
05. Let Robeson Sing
06. The Year of Purification
07. Wattsville Blues
08. Miss Europa Disco Dancer
09. Dead Martyrs
10. His Last Painting
11. My Guernica
12. The Convalescent
13. Royal Correspondent
14. Epicentre
15. Baby Elian
16. Freedom of Speech Won‘t Feed My Children / We Are All Bourgeois Now



2022 – Door to the River:

01. The Year Of Purification
02. Ocean Spray
03. So Why So Sad (Avalanches Sean Penn Mix)
04. Door to the River
05. Rosebud
06. Just a Kid
07. His Last Painting
08. Let Robeson Sing
09. Groundhog Days
10. Epicentre



2022 – Solidarity:

01. Intravenous Agnostic
02. Found That Soul
03. We Are All Bourgeois Now
04. Freedom of Speech Won‘t Feed My Children
05. The Convalescent
06. Baby Elian
07. Masses Against the Classes
08. My Guernica
09. Studies in Paralysis
10. Dead Martyrs
11. Wattsville Blues
12. Miss Europa Disco Dancer


Bonustracks der Deluxe Edition:

- His Last Painting (LA Mix)
- Epicentre (TLA Mix)
- So Why So Sad (Original KYE Version)
- Royal Correspondent
- Fear of Motion
- Pedestal
- Didn‘t My Lord Deliver Daniel
- Locust Valley
- Masking Tape
- Ballad of the Bangkok Novotel
- Little Trolls
- plus 16 Demos
Danke für die Beschreibung. Ich gelobe mir das ganze Album anzuhören. Ich will die auch immer super finden, leider habe ich bislang nie wieder so etwas Tolles wie A Design For Life von ihnen gehört. Vielleicht ändert sich das ja jetzt...
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Thunderforce »

Hmm, wenn Du Design for Life magst, würde ich mir an Deiner Stelle erstmal "Send Away the Tigers", "Postcards From a Young Man" und "This Is My Truth Tell Me Yours"(in der Reihenfolge) anhören.
"Know Your Enemy" ist stilistisch schon recht anders.

Postcards... und Tigers... enthalten mit dem Titelsong der Postcards und "The Second Great Depression" von der Tigers auch 2 Songs, die man durchaus als Design for Life Part 2 und 3 bezeichnen könnte, da sie schon recht deutlich daran angelehnt sind
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von GoTellSomebody »

Thunderforce hat geschrieben: 20.10.2022 10:05 Hmm, wenn Du Design for Life magst, würde ich mir an Deiner Stelle erstmal "Send Away the Tigers", "Postcards From a Young Man" und "This Is My Truth Tell Me Yours"(in der Reihenfolge) anhören.
"Know Your Enemy" ist stilistisch schon recht anders.

Postcards... und Tigers... enthalten mit dem Titelsong der Postcards und "The Second Great Depression" von der Tigers auch 2 Songs, die man durchaus als Design for Life Part 2 und 3 bezeichnen könnte, da sie schon recht deutlich daran angelehnt sind
Alles klar. Danke.
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Rivers »

Auch nochmal gerade mein Senf zu den Manic Street Preachers. Kannte man natürlich damals, speziell die Everything Must Go, aber auch die Hits von vorher. Die "This is My Life..." hatte mit "The Everlasting" schon einen der verzweifelsten Songs die ich so kenne und "If You Tolerate This" war nun auch nicht die Fröhlichkeit in Person. An sich - wie Du schrobst - ein episches aber auch ausuferndes Album.

"Know You Enemy" hatte ich dann auch und irgendwann verzweifelt weggelegt und beim Umzug dann in den Bücherschrank verbannt. Ich kam damit nie zurecht und fand das genauso fürchterlich, wie Du es als unpassend bezeichnest. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, wäre auch mit der Grobheit zurecht gekommen, aber die Songs kickten einfach nicht.

Ich höre es mir aber jetzt nochmal gerne an, ob das runder wirkt. Irgendwie. War schon eine spannende Band. Mich stört da nur der Gesang. Der Sänger ist ja weißgott sehr gut, trifft aber leider einen unangenehmen Nerv bei mir. *g*
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Thunderforce »

Rivers hat geschrieben: 20.10.2022 10:58War schon eine spannende Band. Mich stört da nur der Gesang. Der Sänger ist ja weißgott sehr gut, trifft aber leider einen unangenehmen Nerv bei mir. *g*
Die gibts noch :-)

Und das mit dem Sänger kann ich nachvollziehen, also das Phänomen generell. Sowas gibts halt.
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von MamaAngel »

Thunderforce hat geschrieben: 20.10.2022 08:29 27 Jahre, 10 Alben, 5 Sänger.
Das sind die blanken Zahlen zu Arena. Mir fällt spontan kaum eine Band ein, die in ihrer Laufbahn drei Sänger hatte (Maiden, Threshold), aber fünf ist schon außergewöhnlich. Nagut, Black Sabbath – aber die hatten auch mehr als zehn Alben. *g*
Egal, als Fan dabei bin ich seit „The Visitor“, live miterlebt habe ich also drei Sängerwechsel und live im Sinne von Konzertlaufbahn immerhin zwei.

Ich habe keine Ahnung, wie oft ich Arena in meinem Leben live gesehen habe, aber es war ziemlich oft und sie dürften in der Top 3 der am häufigsten von mir gesehenen Bands sein, vielleicht sogar auf Platz 1.
Die meisten Gigs von ihnen habe ich in der Essener Zeche Carl gesehen, gestern dürfte das siebte mal gewesen sein, wenn setlist.fm nichts ausgelassen hat. Und wieder mal war es soweit, ein neuer Sänger stand am Mikro. Der Unterschied zu allen anderen Sängerwechseln davor war: Den hier kannte ich schon, denn es ist Damian Wilson, der ehemalige Threshold-Sänger, den ich mit ebenjenen auch schon x-fach gesehen und abgefeiert habe, außerdem bei diversen Arjen-Lucassen-Konzerten. Noch nie war er dabei nicht legendär und hat einfach sämtliche anderen klassischen Rock- und Metalsänger mit links und innerhalb von zwei, drei Liedern komplett in die Tasche gesteckt. Ja, alle. Bis auf John Bush vielleicht, der liefert ebenfalls immer und überall wo ich ihn sehe eine Jahrhundertshow ab.
Noch dazu ist er (also Wilson jetzt *g*)auch als Frontmann einer der besten, die es gibt. - Als er 2020 oder wann das war als neuer Arena-Sänger angekündigt wurde, fand ich das zwar natürlich spannend, aber hatte auch meine Zweifel. Passt dieses Energiebündel zu dem doch eher gesetzteren Material von Arena?

Was war ich also gespannt. Immerhin ist seine Stimme sehr markant, unterscheidet sich schon ziemlich von denen von John Carson, Paul Wrightson, Rob Sowden und Paul Manzi, den bisherigen Arena-Vokalisten. Während Carson und Wrightson am ehesten in Fish-Gefilden wilderten (sofern der neben seiner tollen Stimme auch technisch gut singen könnte *g*), war Sowden mit dunklerer Stimmfärbung und mehr Drama am Start (die Arena-Konzerte mit ihm waren immer etwas theatralischer als mit den anderen, mehr Aufführung als Rockshow), Manzi hingegen war einfach ein klassischer Rocksänger mit viel Power.
Wilson singt höher als all seine Vorgänger und klingt einfach eigenständiger. Auf der neuen Platte funktioniert das sehr gut, aber ich hatte echt meine Zweifel, ob Wilson die alten Sachen so rüberbringen kann, dass es mich mitreißt, speziell bei den Rob Sowden-Sachen hatte ich Bedenken.
Diese waren aber unbegründet, wie sich herausstellte.

Da die Tour zur aktuellen Platte mit der coronabedingt verschobenen Tour zum 25-jährigen Bandjubiläum zusammengelegt wurde, lag der Fokus gar nicht so sehr auf dem aktuellen Album, lediglich drei Lieder wurden von dem gespielt. Dazu drei von „The Seventh Degree of Separation“, fünf von „The Visitor“ und dann jeweils eines von jedem anderen Album.
Sprich: Wilson musste sich neben seinem eigenen Kram mal eben Material von vier anderen Sängern draufpacken, was man ja auch erstmal machen muss. Und: Er ownte es *g*

Los ging es erwartungsgemäß mit „Time Capsule“, dem Opener der aktuellen Platte, doch direkt danach ließ man das neue Album erstmal außer acht und begab sich in die Vergangenheit, es folgten diverse Lieder aus der Manzi- und der Sowden-Phase. Herausragend hier das balladeske „How Did It Come To This?“ bei dem sich die Band zurücknahm und Wilson den Teppich ausbreitete, auf dem dieser dann glänzte und für meterweise Gänsehaut sorgte. Und: „The Butterfly Man“! Einer ihrer besten Songs, ewig nicht mehr live gehört. Wilson versang sich am Anfang beim Text, das wurde geschickt überspielt, in dem er einfach nochmal anfing und so einfach das Intro länger war, dann fiel im Mittelteil auch noch das Mikro aus, und es musste schnell ein neues her, aber auch das konnte der Performance nichts anhaben. Und es waren tatsächlich speziell die tief gesungenen, ruhigen Passagen, die Wilson entgegen meiner Erwartung komplett großartig rüberbrachte, erneut Gänsehaut. Nie klang dieser Song düsterer und finsterer.
Wilson entschuldigte sich nach dem Song sogar noch für den Technik-Fuckup, bezeichnete „The Butterfly Man“ als seinen Arena-Lieblingssong und wollte erklären, was genau passiert war, wurde aber von Gitarrist John Mitchell mit einem herausgebellten „Es ist kaputt!“ unterbrochen. *g*
Überhaupt, John Mitchell. Optisch ist ihm die Coronazeit nicht so gut bekommen, er hat mich inzwischen figurtechnisch überholt und wandert langsam Richtung Steve Rothery *g* - Aber ich habe ihn schon seit Jahren nicht mehr so gutgelaunt gesehen, er war nur am grinsen, lachen und rumfeixen. Das gilt für alle, nur Clive Nolan wirkte ungewohnt in sich gekehrt und zuerst fast grummelig aber nach einer längeren Ansage seinerseits über die Großartigkeit von deutschen Weihnachtsmärkten (Clive kommt jedes Jahr aus England rüber und besucht Weihnachtsmärkte in Deutschland, der Himmel weiß, warum – nun hat er wohl tatsächlich vor, einen Weihnachtsmarkt nach deutschem Vorbild auf seinem Grundstück aufzubauen für die Leute in der Stadt, in der er wohnt *lol* - einen Glühwein-Stand hatte er bereits letztes Jahr in seinem Garten und davon Bilder auf Twitter geteilt *g* ) taute auch er endlich auf.

Nach einem weiteren neuen Song ging es dann mit dem obligatorischen „A Crack in the Ice“ erstmals zurück in die 90er und zum Visitor-Album, DEM Bandklassiker. Die Sachen von Paul Wrightson brachte Damian natürlich ebenfalls super rüber, das war allerdings dann auch schon erwartungsgemäß eigentlich. Davon ab sind diese Songs ohnehin derart gut, dass sie vermutlich nichtmal Mille kaputtsingen könnte. Trotzdem muss man erwähnen, WIE sehr Damian Songs wie „ A State of Grace“ oder später „The Visitor“ zu seinen eigenen machte.
Es gibt so ein paar Songs, die spielen Arena immer und die jeweiligen Sänger haben den Song dann jeweils übernommen und machen Sachen eben anders als ihre Vorgänger. „Don‘t Forget to Breathe“, der Vampirsong, ist das beste Beispiel. Bei dem „And now you‘re mine!“-Break in der Mitte haben Sowden, Manzi und nun Wilson komplett verschiedene Dinge gemacht. Sowden wirkte immer wie so ein fancy Vampir, ein bisschen wie Gary Oldman in „Dracula“ von 1992, an den Stellen, wo er nicht alt ist *g*. Manzi sprach den Satz mit ganz tiefer Stimme, aber laut und deutlich. Und Wilson? Kauert sich vors Schlagzeug, atmet schwer und keuchend und murmelt dann kaum verständlich diesen Satz ins Mikro, mit rasselndem Atem, es klang beinahe psychotisch. Geil. Und megaspannend, wie die drei Sänger diesen Song, der im Original nicht von ihnen gesungen wird, übernommen und jeweils was eigenes draus gemacht haben.
Ein weiteres Beispiel ist „Crying for Help VII“, seit Anbeginn der Zeit der Stadion-Migröhler und die letzte Zugabe, den fand ich mit Manzi immer am allerbesten, aber auch hier hat Wilson seinen Stempel draufgedrückt, das Publikum noch mehr integriert als seine Vorgänger das gemacht haben und (wie den kompletten Abend über) nebenbei noch wie ein Gott gesungen.

Der Mann ist in der Form seines Lebens. Ich habe ihn wirklich oft mit Threshold gesehen, und auch von Threshold gab es Legendengigs (ebenfalls Zeche Carl Ende der 2000er kurz nach dem Ausstieg von Mac, dann 2014 im Hypothalamus Rheine, das waren so die beiden herausragendsten) wo ich gedacht habe, dass Damian auch ohne jede Schwierigkeit ein Fußballstadion in der Hand hätte und das habe ich gestern auch wieder gedacht. Es ist unfassbar, wie gut der ist.
Und wenn er nach dem letzten regulären Song „The Visitor“ dann nassgeschwitzt und strahlend ins Publikum guckt und sagt „Good night to every single one of you!“ dann sieht man ihm an, dass er das in dem Moment genauso meint und es von Herzen kommt.
Erste Zugabe dann „Solomon“, ich hatte es gehofft. An sich ist der fast auch obligatorisch, aber offenbar haben sie den bei der Tour bisher nur ein paar mal gespielt, er geht ja immerhin auch eine Viertelstunde. Überraschenderweise konnte Wilson das natürlich auch, auch wenn ich sagen muss, dass ich den Song einmal mit Rob Sowden gesehen habe und der das an dem Abend derart göttlich gemacht hat, dass es für alle Zeiten unerreicht bleiben wird. Dafür blieb Damian den kompletten, nicht gerade kurzen Instrumentalpart auf der Bühne und hatte Spaß, lachte und feierte sich, die Band und das Publikum.

Und, wie für ihn typisch, nachdem die Band nach der letzten Zugabe von der Bühne war, dauerte es keine 20 Sekunden, bis Wilson wieder rauskam, von der Bühne ins Publikum stieg und mit den Fans redete, Fotos mit sich machen ließ usw. Nochmal 2 Minuten später ging das ganze am Merchstand weiter. Ich hab da noch lange angestanden (die Leute haben denen das durchaus amtlich bepreiste Zeug kiloweise aus den Händen gerissen) und er stand die ganze Zeit neben der Merchandise-Verkäuferin, unterschrieb geduldig CDs und hatte für jeden Zeit und ein paar Worte.
Merkt man, wie sehr ich den Kerl mag und verehre? Gut. *g*

Also, Willkommen, Damian. Alle (ehrlich gesagt dann doch auch eher kleinen) Zweifel ausgeräumt. Ich bin gespannt, wie lange er bleibt. Bei Arena weiß man das eben nie. An sich bin ich sicher, dass ich auch noch Sänger Nummer 6 erleben werde. Andererseits ist Mick Pointer inzwischen 66 und Clive Nolan immerhin 61, wenn die noch zehn Jahre machen, bin ich ja schon dankbar.

Setlist Essen:

1. Time Capsule
2. Rapture
3. Bedlam Fayre
4. How Did it Come to This?
5. The Butterfly Man
6. Paradise of Thieves
7. The Equation (The Science of Magic)
8. A Crack in the Ice
9. Salamander
10. A State of Grace
11. The Ghost Walks (instrumentale Version)
12. Life Goes on
13. Don‘t Forget to Breathe
14. The Tinder Box
15. The Visitor
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16. Solomon
---
17. Enemy Without
18. Crying for Help VII
Vielen Dank, besser kann man es nicht beschreiben und Fallen Angel und ich haben uns mehr als zu Recht so sehr auf dieses Konzert gefreut. Alle Erwartungen erfüllt und die Gänshaut wollte gar nicht mehr weg gehen. Was für ein unfassbar toller Abend und wir kommen auf insgesamt sechs Konzerte, davon fünf in Essen und eins in Bielefeld
Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, mach Pläne
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Thunderforce »

Dankeschön. :)

Stimmt, Bielefeld, diese komische One Off-Geschichte, wo sie dann überraschend "Moviedrome" gespielt haben. Wie Gott das war.
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Porcupine »

Wahnsinnsreview. :o
Schade dass ich nicht dabeisein konnte.
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Apparition
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Re: Ploppis Panoptikum

Beitrag von Apparition »

Ich muss bei Arena mal wieder ran. Beobachte die seit bald 20 Jahren mehr so nebenher, aber das neue Album muss ich dann unbedingt mal hören.
That is delightful news for someone who cares.
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