Perry Rhodan hat geschrieben: ↑12.05.2022 10:03
guitar-fiend hat geschrieben: ↑12.05.2022 09:29
Der Schritt Finnlands ist natürlich verständlich, auch wenn er Russland wahrscheinlich als "weitere unannehmbare Provokation des Westens" dienen wird!
Putin wird immer irgendeine Provokation finden.
Wenn er das will, dann ja. Letztlich kann sein Propaganda-Apparat als Provokation verkaufen, was er will.
Darum geht es aber gar nicht. Denn nicht jede Provokation, die er findet, kann er automatisch für sich nutzen. Jedenfalls kann man das nicht losgelöst von allem betrachten. Es gibt mindestens zwei Punkte, die da noch mit reinspielen.
Putin versucht, wie viele andere Autokraten auch, immer wieder mit außenpolitischen Erfolgen von der innenpolitischen Misere abzulenken. Das hat bei der Annexion der Krim 2014 hervorragend geklappt. Die Russen fanden ihn da ganz toll, obwohl sie in Wahrheit selbst nix davon hatten. Die NATO in Europa mit Stärke in die Schranken zu weisen, wäre heuer genau so Erfolg für ihn, den er innenpolitisch ausschlachten könnte. Ein NATO-Beitritt der Skandinavier liefe diesbezüglich für ihn aber völlig in die falsche Richtung. Wenn klar wird, dass seine Politik das Gegenteil von dem erreicht, was versprochen wurde, könnte ihn das innenpolitisch schwächen - oder noch stärker und noch aggressiver in außenpolitische Konfrontationen treiben.
Und dann wäre da noch die Tatsache, dass die NATO in Russland weit über Putin hinaus in der Politik, im Militär und auch in der Gesellschaft selbst immer noch als ein gegen Russland gerichtetes Bündnis wahrgenommen wird - und angesichts der jüngsten Eskalation ist sie das faktisch ja auch wieder. Das heißt, die Bedrohung wird so auch wirklich von weiten Teilen der Gesellschaft wahrgenommen, weil die jahrzehntelang gepflegten Feindbilder halt nicht einfach so verschwinden. Es entsteht also vielleicht nicht nur machtpolitische Notwendigkeit für Putin, darauf zu reagieren, sondern eventuell sogar gesellschaftlicher Druck.
Man kann und sollte die Dynamiken, die sich daraus ergeben können, nicht einfach beiseite Wischen. Es besteht schon die Chance, dass ein NATO-Beitritt weiterer europäischer Staaten die Eskalation ganz automatisch weiter treibt und das Gegenteil von dem erreicht, was gewünscht ist. So wie auch schon der russische Angriff auf die Ukraine in weiten Teilen das Gegenteil von dem erreicht hat, was Putin sich sicherlich erhofft hat. Wenn man solche Dinge nicht wenigstens mitdenkt, kann man tatsächlich ganz schnell in einer Eskalationsspirale feststecken, die eigentlich keiner will.
Das heißt nicht, das Finnland der NATO nicht beitreten sollte, es heißt nur, dass das Thema komplexer ist und es nicht nur vom "Willen" Putins anhängt. Am gefährlichsten halte ich eine Situation, in der Putin irgendwann gar keinen anderen Ausweg für sich mehr sehen könnte, als weiter zu eskalieren.