Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

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NegatroN
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von NegatroN »

Ghost_in_the_Ruin hat geschrieben: 26.01.2022 10:42 Welche Instanz soll denn deiner Meinung nach innerhalb der Parteien über einen Parteiausschluss entscheiden?

Zu den genannten Beispielen: alle haben oder hatten innerhalb der Parteien (wichtige) Ämter, waren also zu einem früheren Zeitpunkt auch innerhalb der Parteien anerkannt (ob Mehrheitsfähig oder nicht). Es gab also zum Beispiel für Maaßen vor einem halben Jahr noch mindestens einen Kreisverband der CDU, der ihn mehrheitlich für so Parteiaffin hielt, dass dieser ihn als Direktkandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt hat.

Wer also sollte dann entscheiden, dass Maaßen (oder eine/r der anderen von dir genannten), bei gleichem Meinungsbild wie zuvor, nun nicht mehr die Vorraussetzungen für eine Parteizugehörigkeit erfüllt? (Soll es da ein Gremium geben? Wie stellt sich das zusammen?)
Das ist mir eigentlich egal. Das soll jede Partei so machen, wie sie es für angemessen hält. Da wird dann bei den Grünen was anderes passieren als bei der Union. Aber auch da sehe ich kein Problem dabei.
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infected
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von infected »

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(...)Germany’s evident hesitation to take forceful measures has fueled doubts about its reliability as an ally — reversing the dynamic with the United States in recent years — and added to concerns that Moscow could use German wavering as a wedge to divide a united European response to any Russian aggression.
(...)
As Russia held military drills near the Ukrainian border on Tuesday, Mr. Scholz met with President Emmanuel Macron of France in Berlin, warning Moscow that “a military aggression calling into question the territorial integrity of Ukraine would have grave consequences.”

But the German government has not only ruled out any arms exports to Ukraine — it is also holding up a shipment of nine Communist-era howitzers from Estonia to Ukraine.

Mr. Scholz and other senior Social Democrats in his government and party have been vague about whether shuttering the controversial Nord Stream 2 undersea gas pipeline from Russia to Germany would be part of an arsenal of possible sanctions against Russia, insisting it was a “private -sector project” and one “separate” from Ukraine.

Friedrich Merz, the designated new leader of Angela Merkel’s opposition conservative party, meanwhile, has warned against excluding Russian banks from the Swift payment transactions network, which handles global financial transfers, because it would “harm” Germany’s economic interests.

Germany’s muddled stance has been especially unsettling to Ukraine and some of Germany’s eastern neighbors. The Ukrainian foreign minister, Dmytro Kuleba, accused Berlin of effectively “encouraging” Russian aggression. Other were no less scathing.
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borsti
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von borsti »

NegatroN hat geschrieben: 25.01.2022 22:42
Nagrach hat geschrieben: 25.01.2022 22:31
NegatroN hat geschrieben: 25.01.2022 22:27 Ich hab die Frage schon nebenan gestellt: Gibt es einen guten Grund dafür, warum Parteien Mitglieder nicht einfach rauswerfen können sollten und warum das überhaupt vor Gericht anfechtbar sein muss?
Vermutlich hat es irgendwas mit dem Recht auf politische Teilhabe zu tun.

Edit: https://www.stern.de/politik/deutschlan ... 59326.html

"Den Parteien kommt laut Artikel 21 des Grundgesetzes zu, "bei der politischen Willensbildung des Volkes" mitzuwirken. Sie sind im Grundsatz "Vereinigungen von Bürgern". Ihre innere Ordnung "muss demokratischen Grundsätzen entsprechen". Dazu gehört die Meinungsvielfalt. Ein von der Mehrheitsmeinung einer Partei oder ihren Grundsätzen abweichender Standpunkt kann also noch kein Grund für einen Parteiausschluss sein."
Ich kenne die Regel, aber ich finde das als Begründung nicht sinnvoll. Inwiefern beschränkt es die politische Willensbildung, wenn ich als Partei jemanden rauswerfe, der Ansichten vertritt, die mir als Partei nicht passen?
Welchen politischen Diskurs es gibt, wenn man unliebsame Meinungen einfach wegbloggt, statt sich ihnen argumentativ zu stellen und sich stattdessen in der ideologischen Wagenburg verkriecht, sieht man in den sozialen Medien: Gar Keinen!

Vielleicht haben die Begründer der aktuellen Regelung einfach nur eine unverhoffte Weitsicht bewiesen. Ich weiß, dass du hier mit Extrembeispielen argumentierst. Aber das sind wenige, die sollten meiner Meinung nach nicht dafür dienen, den Diskurs an anderer Stelle zu unterbinden. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass die Rufe nach Parteiausschlüssen sehr oft ertönen würden, wenn sich dann Mitglieder trauen, die Entscheidungen der eigenen Führung in Frage zu stellen. Es ist immer viel einfacher, eine andere Meinung einfach auszusperren, statt sich mit ihr auseinanderzusetzen. Die Versuchung, das zu tun, wäre immer groß, wenn die Hürde dafür zu niedrig ist. Zu bequem ist das, anstatt wirklich die argumentative Auseinandersetzung zu suchen.

Würden die Parteien so verfahren, würde das wahrscheinlich noch mehr Menschen von der Politik entfremden. Es würde die Bestärken, die sagen, dass ihre Stimme nicht gehört wird, weil sie gar keiner hören will. Ich will in diesem Land keine Politiker, die so verfahren, weil das Wesen der Demokratie nun mal ist, dass sich Meinungen im Widerstreit befinden. ich will Politiker, die sich darin üben, mit Argumenten zu überzeugen und für sich zu werben, denn nur so kann man letztlich für Verständnis im Volk werben. Für die Gesellschaft als Ganzes ist die Entwicklung in diese Richtung sowieso schon problematisch.

Ich würde vielleicht anders denken, wenn die großen Parteien Gefahr laufen würden, auf diese Weise von Extremisten übernommen zu werden. Aber davon sind wir weit entfernt. Einen Maaßen muss die CDU aushalten können. Ich denke auch, dass der ideologisch da eigentlich nicht rein passt, aber dass die Hürde für einen Ausschluss allein wegen Meinungsverschiedenheiten hoch ist, finde ich im Grundsatz trotzdem richtig.

Wollen die Parteien das ändern, könnten sie ja zum Beispiel damit anfangen, mal auszuloten, ob entsprechend schärfere Formulierungen juristisch belastbar in der Satzung verankert werden können. Ich bin mir nicht mal sicher, dass ihnen die aktuelle Regelung da überhaupt keinen Handlungsspielraum lässt. Letztlich hat es die SPD ja auch geschafft Sarrazin loszuwerden. Und die ersten beiden Versuche des Ausschlusses sind ja deswegen gescheitert, weil Partei-interne Schiedskommissionen die Fälle eingestellt haben. Also was ist "Die Partei"? Gehört die Schiedskommission nicht dazu? Vielleicht wollten ihn Teile der Partei einfach nicht so unbedingt loswerden, wie einzelne prominente Mitglieder das öffentlich verlautbart haben.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von NegatroN »

borsti hat geschrieben: 26.01.2022 11:23Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass die Rufe nach Parteiausschlüssen sehr oft ertönen würden, wenn sich dann Mitglieder trauen, die Entscheidungen der eigenen Führung in Frage zu stellen.
Ich hingegen würde unterstellen, dass genau das nicht passieren würde, eben weil
borsti hat geschrieben: 26.01.2022 11:23Würden die Parteien so verfahren, würde das wahrscheinlich noch mehr Menschen von der Politik entfremden.
Ein Auschluss ist immer die Ultima Ratio, die du den eigenen Wählern auch erklären können musst. Es gibt wie gesagt auch jetzt schon ein reichhaltiges Instrumentarium um Abweichler intern und ohne großes Aufsehen zu disziplinieren. Das kommt auch zur Anwendung. Probier mal, bei der CSU als Mitglied eine Debatte über Agrarpolitik anzustoßen, die von der Parteilinie abweicht. Das versagt eben nur bei den Extrembeispielen und genau da käme ein Ausschluss in Frage. Die Idee, dass Parteien das ständig nutzen würden, um interne Debatten zu verhindern, halte ich für völlig abwegig. Ein solche Partei würde sich damit in erster Linie selber schaden.

borsti hat geschrieben: 26.01.2022 11:23Wollen die Parteien das ändern, könnten sie ja zum Beispiel damit anfangen, mal auszuloten, ob entsprechend schärfere Formulierungen juristisch belastbar in der Satzung verankert werden können. Ich bin mir nicht mal sicher, dass ihnen die aktuelle Regelung da überhaupt keinen Handlungsspielraum lässt. Letztlich hat es die SPD ja auch geschafft Sarrazin loszuwerden. Und die ersten beiden Versuche des Ausschlusses sind ja deswegen gescheitert, weil Partei-interne Schiedskommissionen die Fälle eingestellt haben. Also was ist "Die Partei"? Gehört die Schiedskommission nicht dazu? Vielleicht wollten ihn Teile der Partei einfach nicht so unbedingt loswerden, wie einzelne prominente Mitglieder das öffentlich verlautbart haben.
Ich halte das als Instrument für nicht praktikabel. Die SPD hat Sarrazin zwar rausgeworfen, aber der Prozess hat über 10 Jahre gedauert und dabei nicht unwesentlich Schaden angerichtet. Auch was Entfremdung von der Politik seitens der Bürger angeht.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von borsti »

NegatroN hat geschrieben: 26.01.2022 11:35
borsti hat geschrieben: 26.01.2022 11:23Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass die Rufe nach Parteiausschlüssen sehr oft ertönen würden, wenn sich dann Mitglieder trauen, die Entscheidungen der eigenen Führung in Frage zu stellen.
Ich hingegen würde unterstellen, dass genau das nicht passieren würde, eben weil
borsti hat geschrieben: 26.01.2022 11:23Würden die Parteien so verfahren, würde das wahrscheinlich noch mehr Menschen von der Politik entfremden.
Ein Auschluss ist immer die Ultima Ratio, die du den eigenen Wählern auch erklären können musst. Es gibt wie gesagt auch jetzt schon ein reichhaltiges Instrumentarium um Abweichler intern und ohne großes Aufsehen zu disziplinieren. Das kommt auch zur Anwendung. Probier mal, bei der CSU als Mitglied eine Debatte über Agrarpolitik anzustoßen, die von der Parteilinie abweicht. Das versagt eben nur bei den Extrembeispielen und genau da käme ein Ausschluss in Frage. Die Idee, dass Parteien das ständig nutzen würden, um interne Debatten zu verhindern, halte ich für völlig abwegig. Ein solche Partei würde sich damit in erster Linie selber schaden.
Ich glaube, wir haben schon bei einigen Gelegenheiten festgestellt, dass du in der Hinsicht möglicherweise ein positiveres Menschenbild hast und ich ein pessimistischeres. Unterm Strich kommen bei unseren persönlichen Kosten-Nutzen-Rechnungen daher offensichtlich ganz unterschiedliche Sachen raus. Ich kann deine Argumente verstehen und darauf basierend nachvollziehen, woher deine Sichtweise kommt - teilen kann ich sie jedoch nicht.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von borsti »

infected hat geschrieben: 26.01.2022 11:16 Where Is Germany in the Ukraine Standoff? Its Allies Wonder.
(...)Germany’s evident hesitation to take forceful measures has fueled doubts about its reliability as an ally — reversing the dynamic with the United States in recent years — and added to concerns that Moscow could use German wavering as a wedge to divide a united European response to any Russian aggression.
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Für mich ein Fall, in dem Ideologie an der Realität scheitert und man sich das nicht eingestehen will.

Natürlich ist es ein ehrenwertes Ziel, die Verbreitung von Kriegswaffen minimieren zu wollen. Natürlich ist es bei weitem am wünschenswertesten, einen Krieg zu verhindern. Aber wenn die Konsequenz ist, dass ein souveränes Land in seiner Möglichkeit eingeschränkt wird, sich gegen einen aggressiven Nachbarn zu wehren, wird es absurd.

Und es ist ja nicht mal nur das. Hinzu kommt, dass Deutschland auch in Sachen Sanktionen eher auf der wackligen Seite steht. Es kann natürlich sein, dass unter der Oberfläche ganz andere Optionen erwogen wären, die man aus Gründen der Gesichtswahrung nicht kommuniziert, aber die nach außen getragene Haltung ist schwierig. Was hängen bleibt, ist, dass man im Zweifel auf Deutschland nicht zählen kann.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

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borsti hat geschrieben: 26.01.2022 15:02Ich glaube, wir haben schon bei einigen Gelegenheiten festgestellt, dass du in der Hinsicht möglicherweise ein positiveres Menschenbild hast und ich ein pessimistischeres. Unterm Strich kommen bei unseren persönlichen Kosten-Nutzen-Rechnungen daher offensichtlich ganz unterschiedliche Sachen raus. Ich kann deine Argumente verstehen und darauf basierend nachvollziehen, woher deine Sichtweise kommt - teilen kann ich sie jedoch nicht.
Das mit dem Menschenbild stimmt, aber in dem Fall spielt das für mich keine Rolle. Ich sehe das rein taktisch. Jemanden rauszuwerfen schlägt Wellen. Da muss ich mir gut überlegen, ob ich das wirklich will. Nehmen wir mal jemanden wie Kubicki. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Lindner sich mehr als einmal über dessen Verhalten aufgeregt hat. Aber ihn aus der Partei zu werfen wäre taktisch für die FDP fatal, weil er mit seinen Ansichten einen relevanten Teil der Wähler an sich bindet. Die würdest du damit gegen dich aufbringen und ggf. komplett verlieren. Das ist jemand, mit dem du leben musst. Deswegen würden sie das nicht tun. Nicht, weil sie dafür zu gute Menschen wären. Das ist kein Instrument für Flügelkämpfe, sondern eins für Extremfälle. Wenn eine Partei es für Flügelkämpfe nutzen würde, würde sie sich damit selbst zerlegen. Das hätte sie dann aber auch verdient. Auch da sehe ich kein grundsätzliches Problem.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von infected »

borsti hat geschrieben: 26.01.2022 15:32
infected hat geschrieben: 26.01.2022 11:16 Where Is Germany in the Ukraine Standoff? Its Allies Wonder.
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Natürlich ist es ein ehrenwertes Ziel, die Verbreitung von Kriegswaffen minimieren zu wollen. Natürlich ist es bei weitem am wünschenswertesten, einen Krieg zu verhindern. Aber wenn die Konsequenz ist, dass ein souveränes Land in seiner Möglichkeit eingeschränkt wird, sich gegen einen aggressiven Nachbarn zu wehren, wird es absurd.

Und es ist ja nicht mal nur das. Hinzu kommt, dass Deutschland auch in Sachen Sanktionen eher auf der wackligen Seite steht. Es kann natürlich sein, dass unter der Oberfläche ganz andere Optionen erwogen wären, die man aus Gründen der Gesichtswahrung nicht kommuniziert, aber die nach außen getragene Haltung ist schwierig. Was hängen bleibt, ist, dass man im Zweifel auf Deutschland nicht zählen kann.
Genau das. Gerade der Eindruck den man damit den östlichen EU Mitgliedern, aber auch darüber hinaus vermittelt, ist komplett Katastrophal. Die größte Sorge von Merz sind nur die Finanzmärkte, SPD und Grüne dagegen komplett indifferent und von der FDP hört man auch nichts sinnvolles zu dem Thema. Wie sollen sich da auch die östlichen EU Mitglieder sicher fühlen, von denen Estland beispielsweise auch ein ähnlich großes Problem mit Russland bekommen kann aufgrund der großen russischen Minderheit im Land? Dieses zaudern ist vor dem Hintergrund vollkommen katastrophal.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Wishmonster »

Wir schicken immerhin 5.000 Militärhelme in die Ukraine, wenn Putin sich davon nicht beeindruckt fühlt...

https://www.zeit.de/politik/2022-01/chr ... eutschland
Wegen des Konflikts mit Russland will Deutschland der Ukraine 5.000 militärische Schutzhelme liefern. Das kündigte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) an. Die sei ein "ganz deutliches Signal: Wir stehen an Eurer Seite", sagte sie nach einer Sitzung des Verteidigungsausschusses.
Vielleicht sollte man der so einen Helm vor die Birne hauen, damit die endlich aufwacht. Das ist an Zynismus kaum mehr zu überbieten.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Schnabelrock »

Einerseits. Andererseits bestehen 50% des Artikels daraus, dass die Ukraine seit Jahren recht fleißig und wirkungsvoll mit Waffen aus einem dutzend Lieferstaaten aufrüstet.
Das wir

https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... er/seite-2

Und auch der Spiegel schreibt:

"In Kiew landen aktuell beinahe täglich Flugzeuge aus Großbritannien und den USA mit militärischer Ausrüstung. Vor allem handelt es sich um Lenkraketen zur Panzerabwehr, aber auch bunkerbrechende Waffen sind bereits geliefert worden. Zusätzlich dazu werden weitere Lieferungen erwartet, unter anderem Stinger-Flugabwehrraketen aus US-Produktion aus den drei baltischen Staaten."
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von borsti »

Ein Problem ist, dass - meiner Meinung nach - in Deutschland ein sehr naives Verständnis von internationaler Politik vorherrscht und gepflegt wird. Gefühlt leben wir in der Hinsicht immer noch Anfang der 90er Jahre, der Kalte Krieg ist vorbei, Außenpolitik besteht vor allem darin, ein paar Hände zu schütteln, Wirtschaftsabkommen zu unterzeichnen und vielleicht mal ein paar Kredite und Hilfsgelder zu verteilen. Wenn es irgendwo brennt, kommt Uncle Sam angeflogen, weil Freiheit und Wohlstand zwar schön sind, aber nicht, dass man womöglich selber dafür kämpfen muss.

Dass Soft-Power allein nicht reicht, müsste eigentlich sogar die größte Schlafmütze 2014 gemerkt haben. Dass die EU, die ein weltpolitischer Akteur sein will, nur Soft-Power hat und deshalb am eigenen Anspruch scheitert? Egal! Dass die USA längst nicht mehr der Verbündete sind, der sie mal waren und ihr Interesse längst auf andere Welt-Regionen gelenkt wird, in denen Europa zufällig nicht liegt: "Lalalalala!!! Ich seh nix, ich hör nix! Die Welt ist schön!"

Hier traut sich die Politik nicht, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Im Gegenteil: Selbst Ansichten, wonach zum Beispiel die Bundeswehr dringend auf Vordermann gebracht werden müssten, werden ja bisweilen fast als kriegshetzerisch gebrandmarkt. Währenddessen lässt man echte Kriegshetzer lieber gewähren, weil alles andere zu unbequem wäre.

Ich wünsche mir um Gottes Willen keinen Krieg - auch nicht in einem anderen Land - aber das es Frieden und Stabilität quasi zum Nulltarif gibt, wie in den letzten 30 Jahren, ist geschichtlich und geopolitisch eher eine Anomalie. Auch im Kalten Krieg, der glücklicherweise für Europäer eine Ära des Friedens war, galt hingegen: Willst du Frieden, dann rüste zum Krieg!
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von NegatroN »

Ich glaube, ihr überseht da die Konflikte, die innerhalb der Parteien und zwischen den Regierungsparteien bestehen.

Die Grünen sind extrem russlandkritisch. Sie sind Verfechter der "werteorientierten Außenpolitik" und setzen diese höher als Realpolitik. Sie wollen aber alle Probleme möglichst durch Diplomatie am Verhandlungstisch lösen und nicht militärisch. Die Grünen lehnen Nord Stream 2 aus ökologischen und strategischen Gründen ab, würden es gerne komplett abschießen, sehen es aber auch als mögliches Druckmittel.

Die FDP ist ebenfalls russlandkritisch, gleichzeitig aber starker Verfechter von Realpolitik. Sie haben beim Thema Russland vor allem die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands im Blick. Militärischen Lösungen gegenüber sind sie nicht grundsätzlich abgeneigt. Nord Stream ist für die FDP eher diplomatische Verhandlungsmasse.

Die SPD ist innerlich zerrissen. Viele alte Genossen sind stark geprägt von der Ostpolitik unter Brandt und dem Lager der "Russlandversteher" sehr zugetan. Platzeck und Schwesig haben da ein starkes Gewicht. Das Lager hat die Mehrheit, es gibt aber auch ein Lager, dass sehr russlandkritisch ist. Die SPD hätte gern eine diplomatische Lösung und keine militärische. Nord Stream 2 ist ein SPD-Projekt, das die meisten in der Partei unbedingt haben wollen. Scholz will Nord Stream unbedingt aus dem Konflikt raushalten.

Das passt alles nicht zusammen und hier muss sich die Regierung überhaupt erst mal finden. Das Problem ist nur, dass dafür keine Zeit ist und Baerbock jetzt schon durch dieses Dickicht navigieren muss.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Diewaldo »

Klitschko fasst es gut zusammen:
5.000 Helme sind ein absoluter Witz. Was will Deutschland als Nächstes zur Unterstützung schicken? Kopfkissen?
https://www.t-online.de/nachrichten/aus ... witz-.html

Ja dann, gute Nacht!
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von infected »

Lobo bringt es mal wieder auf den Punkt:
Deutsche Russland-Versteher
- Mit der Putinbrille auf der Nase sieht die Welt ganz anders aus

(...)Das ist auch der Grund, warum Putinbrillenträger einen Begriff mantraartig für alle verwenden, die es wagen, die Stimme gegen Putin zu erheben: Kriegstreiber. Auch hier finden sich Spuren der Täter-Opfer-Umkehr, denn natürlich ist vollkommen egal, wie viele russische Soldaten an der ukrainischen Grenze schwerstbewaffnet aufmarschieren – Putin ist nie Kriegstreiber. Sondern immer und ausschließlich diejenigen, die sich anmaßen, in gigantischen Truppenaufmärschen und militärischen Drohübungen tatsächlich eine Aggression sehen.
(...)
Unter Putin werden Oppositionelle und Journalisten ermordet, im Inland wie im Ausland. Gesellschaftliches Engagement wird bedroht, dem Regime unbequeme Figuren zu Terroristen erklärt, die Pressefreiheit verstümmelt, viele grundrechtlich essenzielle, gesellschaftliche Freiheiten werden absichtsvoll zerstört. In Putins Russland werden Homosexualität und Geschlechtsdiversität unterdrückt, häusliche Gewalt gegen Frauen legitimiert, Meinungsfreiheit massiv bedroht. Von der katastrophalen Korruption ganz zu schweigen. Die Putinbrille verharmlost diese Tatsachen, blendet sie aus oder lässt die imperialen, autoritären und totalitären Bestrebungen Putins als irgendwie akzeptabel erscheinen
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Schnabelrock »

borsti hat geschrieben: 26.01.2022 18:15 Ein Problem ist, dass - meiner Meinung nach - in Deutschland ein sehr naives Verständnis von internationaler Politik vorherrscht und gepflegt wird. Gefühlt leben wir in der Hinsicht immer noch Anfang der 90er Jahre, der Kalte Krieg ist vorbei, Außenpolitik besteht vor allem darin, ein paar Hände zu schütteln, Wirtschaftsabkommen zu unterzeichnen und vielleicht mal ein paar Kredite und Hilfsgelder zu verteilen. Wenn es irgendwo brennt, kommt Uncle Sam angeflogen, weil Freiheit und Wohlstand zwar schön sind, aber nicht, dass man womöglich selber dafür kämpfen muss.
Naja, gefühlt Anfang der 90er zu leben ist immerhin nicht so 1978 wie dein FJS-Zeug.
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