Ich denke Jeder will Konflikte sehr viel lieber am Verhandlungstisch lösen, als mit militärischen Mitteln. Kein Politiker, der in diesem Land irgendwas zu sagen hat, setzt ernsthaft auf Konfrontation mit Russland. Das tut aber auch Niemand in den Ländern, die der Ukraine Rüstungsgüter liefern.NegatroN hat geschrieben: ↑26.01.2022 18:35 Ich glaube, ihr überseht da die Konflikte, die innerhalb der Parteien und zwischen den Regierungsparteien bestehen.
Die Grünen sind extrem russlandkritisch. Sie sind Verfechter der "werteorientierten Außenpolitik" und setzen diese höher als Realpolitik. Sie wollen aber alle Probleme möglichst durch Diplomatie am Verhandlungstisch lösen und nicht militärisch. Die Grünen lehnen Nord Stream 2 aus ökologischen und strategischen Gründen ab, würden es gerne komplett abschießen, sehen es aber auch als mögliches Druckmittel.
Die FDP ist ebenfalls russlandkritisch, gleichzeitig aber starker Verfechter von Realpolitik. Sie haben beim Thema Russland vor allem die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands im Blick. Militärischen Lösungen gegenüber sind sie nicht grundsätzlich abgeneigt. Nord Stream ist für die FDP eher diplomatische Verhandlungsmasse.
Die SPD ist innerlich zerrissen. Viele alte Genossen sind stark geprägt von der Ostpolitik unter Brandt und dem Lager der "Russlandversteher" sehr zugetan. Platzeck und Schwesig haben da ein starkes Gewicht. Das Lager hat die Mehrheit, es gibt aber auch ein Lager, dass sehr russlandkritisch ist. Die SPD hätte gern eine diplomatische Lösung und keine militärische. Nord Stream 2 ist ein SPD-Projekt, das die meisten in der Partei unbedingt haben wollen. Scholz will Nord Stream unbedingt aus dem Konflikt raushalten.
Das passt alles nicht zusammen und hier muss sich die Regierung überhaupt erst mal finden. Das Problem ist nur, dass dafür keine Zeit ist und Baerbock jetzt schon durch dieses Dickicht navigieren muss.
Die Frage ist, wie stark eine Verhandlungsposition ohne militärische Abschreckung ist. Putin hat einfach schon mehrfach bewiesen, dass er ohne zu zögern bereit ist, die militärische Karte zu spielen, wenn sie ihm Erfolg verspricht. Man muss davon ausgehen, dass er diese Option wieder wählen wird, wenn sie ihm einen schnellen Erfolg verspricht. Man kann jedoch spekulieren, dass er sie vielleicht nicht ziehen wird, wenn das Risiko schwerer kalkulierbar wird. Denn alles, was nicht nach einem Sieg aussieht oder sich zumindest so verkaufen lässt, kann er überhaupt nicht gebrauchen.