Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Songspecial: The snake)

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tigerarmy
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Fats Domino)

Beitrag von tigerarmy »


Wenn man seine gesamten 89 Lebensjahre in seiner Heimatstadt verbracht hat, und auch während der größten Krisen zu ihr steht dann muss es sich um einen wahren Sohn der Stadt handeln. Die Stadt, um die es geht ist New Orleans, gelegen in Louisiana und Schmelztiegel verschiedenster Kulturen. Die Person, um die es heute geht wird als Antoine Dominique Domino Jr. am 26. Februar 1928 in eben dieser Stadt geboren und sollte als "Fats Domino" Weltruhm erlangen. Die Geschichte von Fats Domino ist nicht nur die seiner eigenen Erfolge, sondern eng verknüpft mit der Musik-Geschichte der gesamten Stadt.

Alles beginnt, als der kleine Antoine - Sohn einer Familie mit kreolischen Wurzeln, daher auch die französisch klingenden Vornamen - mit zehn Jahren von seinem Schwager, dem Jazzmusiker Harrison Verrett das Klavierspielen erlernt. Bereits mit 14 spielte Antoine in diversen Bars der Stadt. Bei einem Barbecue hörte ihn der Band-Leader Billy Diamond spielen und engagierte ihn für seine Band, die Solid Senders. Diamond war es auch, der ihm den Spitznamen "Fats" verpasste, in Anlehnung an seinen großen Appetit und einen anderen großen Pianospieler: Fats Waller.
Kurze Zeit später wurde Lew Chudd - Besitzer von Imperial Records - auf ihn aufmerksam und bot ihm einen Plattenvertrag an. Anders wie damals üblich, bot ihm Chudd nicht ein Gehalt pro aufgenommenen Song an, sondern eine prozentuale Beteiligung an seinen Platten-Verkäufen. Dies sollte sich bereits mit seiner ersten Single "Fat man" für Antoine auszahlen. Domino schrieb den Song zusammen mit Dave Bartholomew, die zweite Person neben Chudd, die seine Karriere bis Anfang der Sechziger Jahre maßgeblich beeinflussen sollte. Bartholomew war selber Bandleader, Musiker, Songwriter und Produzent, hatte solo aber nie diesen Erfolg. Und auch Domino sollte ohne seinen kongenialen Partner nie wieder zur alten Stärke und Erfolg zurückfinden. Aber bis dahin sollten noch einige Jahre ins Land ziehen und Domino unzählige Hits in die Charts bringen.

"Fat man" gilt als die erste Single, die mehr als 1 Millionen Einheiten verkauft hat und als eine der ersten Rock'n'Roll Aufnahmen überhaupt. 2015 wird der Song in die "Grammy Hall of Fame" aufgenommen werden. Ursprünglich war der Song übrigens nur die B-Seite der Single "Detroit City blues". Es ist bereits alles auf diesem Song zu finden, was man auch später auf seinen Welthits finden wird: sein Gesangsstil, der stark durch seinen kreolischen Akzent geprägt ist, sein rollend-flüssiges Klavierspiel und der starke Backbeat des Schlagzeugers.

Fat man (1949, Imperial 5058)

Nach dem ersten überwältigenden Erfolg mit "Fat man" sollte es allerdings einige Zeit dauern, bis Fats wieder einen Song in die Charts bringen konnte. Die Charts waren damals noch stark von ihren Käuferschichten geprägt. So gab es für den mehrheitlichen weißen Markt die "Pop-Charts", die Songs von Fats Domino und anderen farbigen Künstlern wurden zu Beginn vorrangig von Afro-Amerikanern gekauft. Diese Verkäufe wurden in der R&B Charts geführt. Zusätzlich gab es auch noch die "Jukebox Charts", in denen - der Name lässt es bereits erahnen - nicht die Verkäufe, sondern die Plays in den Jukeboxen ausgewertet wurden.
Billboard - das führende wöchentliche Musikmagazin für Neuerscheinungen - führte 1942 die sogenannten "Harlem Hit Parade" ein, welche erstmals diese Unterschiede in den Käuferschichten berücksichtigten. 1945 wurden diese Charts für kurze Zeit in "Race Music Charts" (sic!) umbenannt, bevor ab 1949 die (auch heute gültige) Bezeichnung R&B Charts eingeführt wurde. Wer mehr über die allgemeine Geschichte der afro-amerikanischen Musik in den USA wissen, sollte sich mal entsprechenden Wikipedia Artikel durchlesen (https://en.wikipedia.org/wiki/African-American_music)

Neben der getrennten Chart-Auswertung, war es zu dieser Zeit auch noch Gang und Gebe, dass erfolgreiche Titel farbiger Musiker relativ schnell von weißen Künstlern gecovert wurden, nahezu immer deutlich zahmer als das Original, sowohl das musikalische Arrangement betreffend als auch hin und wieder textlich, gewisse Slang-Wörter vermeidend. Nicht selten waren die Cover-Versionen erfolgreicher als das Original. Ab Mitte der 50er Jahre gelang es aber immer mehr farbigen Künstlern auch weiße Käufer und Hörer anzusprechen, auch bestimmte Radiostationen, die hauptsächlich von Weißen gehört wurden und entsprechende Musiktitel im Programm hatten, spielten verstärkt auch Titel von farbigen Künstler. Dies führte dazu, dass diese Songs ggf. nicht nur in den R&B Charts gelistet waren, sondern mit etwas Glück auch den Schritt in die Pop-Charts schafften. In diesem Fall sprach man von einem Crossover-Hit. Man hatte also nicht nur seine Stammhörerschaft erreicht, sondern den Schritt hinüber zu den weißen Hörern. Der umgekehrte Schritt sollte ab den 50er Jahren auch vereinzelt einigen Weißen Künstlern gelingen.

Zu Beginn der 50er Jahre hatte Fats durchaus den ein oder anderen Hit. Seinen endgültigen Durchbruch erreichte er 1956 mit "Ain't that a shame". Der Song erreichte Platz #1 der R&B-Charts und schaffte den "Crossover" in die Pop-Charts und gelangte dort bis auf Platz #10. Die Single verkaufte sich über 5 Millionen mal.

Ain't that a shame (1955, Imperial 5348)
Ab diesem Zeitpunkt waren die Dämme gebrochen. Ein Hit folgte auf den nächsten. Von seinen 60 Singles für Imperial kamen 40 in die Top-10 der R&B Charts und immerhin 11 schafften es auch in die Top-10 der Pop-Charts. Seine Hits "Blueberry Hill" und "I'm walkin'" dürfte so ziemlich jeder kennen, der sich auch nur ansatzweise für Musik interessiert. Obwohl Fats Domino und seine Musik alles andere als wild waren, kam es bei seinen Konzerten in den 50er Jahren recht häufig zu Ausschreitungen. Oftmals entging er nur knapp Hausverboten oder einem komplette Auftrittsverbot (wie es in Kalifornien beinahe geschehen wäre).

Als Lew Chudd 1963 Imperial verkauft, endet sowohl diese langjährige Partnerschaft als auch die mit Produzent und Co-Songschreiber Dave Bartholomew. Damit kommt auch seine Karriere fast abrupt zum Halten. Er erhält zwar einen neuen Plattenvertrag bei ABC-Paramount, kann dort aber nicht mal ansatzweise an alte Erfolge anknüpfen. Die "British Invasion" macht ihn ab 1965 endgültig zum Dinosaurier, der einen veralteten Musikstil spielt. Trotz allem veröffentlicht er noch bis in die 70er Jahre neue Platten und ist nahezu jedes Jahr auf Tour. Doch immer kehrt er in seine Heimatstadt zurück. Touren ins Ausland sind eher die Ausnahme.

Als der Hurricane "Katrina" 2005 große Teile von New Orleans verwüstet, wird zuerst vermutet, das Fats Domino bei diesem Unglück ums Leben gekommen ist, da er sich weigerte sein Haus zu verlasse. Er konnte allerdings im letzten Moment evakuiert werden. Sein Haus wurde jedoch vollständig zerstört. Von diesem Unglück sollte er sich nie mehr vollständig erholen. Die letzten Jahre seine Lebens widmete er sich dem Wiederaufbau seines Hauses und spielte nur noch bei besonderen Veranstaltungen in seiner Heimatstadt. Am 24. Oktober 2017 verstarb Antoine Domino im Alter von 89 Jahren in seiner geliebten Heimstadt. Seine Ehrungen, die er noch zu Lebzeiten oder posthum erhalten sind, sind unzählig, u.a. neben diversen Grammy-Awards wurde er als einer der ersten in die Rock'n'Roll Hall of Fame aufgenommen. Diese Ehrungen zeigen, welchen Einfluß er auf die Entwicklung der Musik genommen hat, vom Rhythm'n'Blues hin zum Rock'n'Roll. Von Musik die nahezu ausschließlich von farbigen Menschen gehört und gekauft wurde, hin zu einem nationalen bzw. weltweiten Hitlieferanten.

Dass Fats Domino eine der Grundpfeiler des Rock'n'Roll und Rhythm'n'Blues ist, dürfte unbestritten sein. Er war maßgeblich beteiligt, an der Transformation des Rhythm'n'Blues zum Rock'n'Roll und er hat mit dazu beigetragen, die Rassentrennung in den USA zu überwinden.
Seinen Einfluß auf folgende Musikergenerationen werden wir demnächst nochmal etwas genauer beleuchten. Bis dahin hier noch einige seiner tollsten Songs:

Einer meiner absoluten Lieblingssongs, nicht nur von Fats Domino:

I'm ready (1959, Imperial 5585)


All by myself (1955, Imperial 5357)

Wait and see (1957, Imperial 5467)

The big beat (1957, Imperial 5477)

Sick and tired (1958, Imperial 5515)

Whole lotta loving (1958, Imperial 5553)

Lady Madonna (1968)
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metalbart
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Fats Domino)

Beitrag von metalbart »

Super geschrieben, da merkt man das Herzblut. Finde ich spannend, diese historischen Exkurse mit den getrennten Charts aber auch die Verbindung nach Lousiana.
Zur Musik kann ih nicht viel sagen "all by myself" kommt mir bekannt vor.
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monochrom
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Fats Domino)

Beitrag von monochrom »

Schon ziemlich coool, der Fats. Danke dir!
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tigerarmy
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Fats Domino)

Beitrag von tigerarmy »

Seine Musik ist sicherlich nicht für jeden hier im Forum kompatibel, da gab es hier im Thread sicher schon Sachen, die mehr Anklang gefunden haben. Aber wie schon geschrieben, ist der Wandel der Musikwelt und der äußeren Umstände und auch sein Einfluss schon sehr interessant.
Da wird aber demnächst noch etwas dazu kommen :)
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Traser
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Fats Domino)

Beitrag von Traser »

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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Fats Domino)

Beitrag von tigerarmy »

Traser hat geschrieben: 25.01.2022 00:08
Sowohl die Beatles als auch die Stones haben sich ja doch öfter mal bei den alten RnR-Helden bedient, vor allem auf ihren ersten Alben (im Falle der Stones mehr bei den Blues bzw. Rhythm'n'Blues Künstlern).
Tragisch, dass mit dem Aufkommen der Beatles und Stones in den USA, die Karriere der alten Helden zu einem jähen Ende kam, und zwar egal ob Fats Domino, Jerry Lee Lewis, Chuck Berry, Carl Perkins oder wer auch immer.
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tigerarmy
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Fats Domino)

Beitrag von tigerarmy »


Dave Bartholomew und Lew Chudd sind mit Sicherheit die wichtigsten Personen in der Karriere von Fats Domino. Es lohnt sich aber definitiv, noch etwas genauer hinzuschauen. Insbesondere bei seinen Aufnahmen Mitte bis Ende der 50er sind noch ein paar weitere Akteure im Spiel, die eigentlich einen eigenen Beitrag absolut verdient hätten.

Nummer eins ist Ton-Ingenieur, Studio-Betreiber und Produzent Cosimo Matassa. Der Tontechniker mit italienischen Wurzeln betreibt in New Orleans sein J & M Studio, später dann sein Cosimo Studio in dem er nahezu alles was Rang und Namen in NO hat aufnimmt. Auch Künstler von ausserhalb kommen in sein Studio und nehmen seine Dienste in Anspruch. Bis weit in die 60er Jahre ist er aktiv und ist mittendrin, als die Musik von Rhythm'n'Blues zuerst zu Rock'n'Roll mutiert, bevor sich Anfang/Mitte der 60er der Soul als neuer Trend heraus kristallisiert.

Es lohnt sich einen Blick auf die Credits bei Discogs zu werfen:
https://www.discogs.com/artist/648104-Cosimo-V-Matassa


Die zweite Person spielt schon früh in der Begleitband von Fats Domino bzw. bereits mit Dave Bartholomew und ist auf vielen seiner Studioaufnahmen zu hören: Drummer Earl Palmer.
Schon kurz nach den ersten Erfolgen mit Fats wird Earl zum gefragten Session-Drummer. Er ist gefühlt auf allen bedeutenden Rock'n'Roll und Rhythm'n'Blues Songs der Ära zu hören. Seine bisher bei Discogs gelisteten Einträge (über 500) dürften nur die Spitze des Eisberges sein, da sicherlich nicht für alle Sessions zur damaligen Zeit die Credits sauber dokumentiert wurden und heutzutage nicht mehr eindeutig zu ermitteln sind. Ein absoluter Gigant der Musikszene.

https://www.discogs.com/artist/244727-Earl-Palmer
Unter dem Discogs-Link sind vor allem die Einträge bei den Credits zu "Instruments & Performance" interessant.
Wirklich beeindruckend mit wem und für wen Earl Palmer alles hinter dem Schlagzeug saß.
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hellj
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Fats Domino)

Beitrag von hellj »

Fast Domino war einer der ganz Großen. Er war auch ein Teil meiner kindlichen musikalischen Prägung. Ich hatte sogar das Glück, ihn Anfang der Neunziger 2 x in sehr guter Form live zu sehen!
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tigerarmy
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Fats Domino)

Beitrag von tigerarmy »

hellj hat geschrieben: 05.02.2022 06:18 Fast Domino war einer der ganz Großen. Er war auch ein Teil meiner kindlichen musikalischen Prägung. Ich hatte sogar das Glück, ihn Anfang der Neunziger 2 x in sehr guter Form live zu sehen!
:o

*beneid
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Fats Domino)

Beitrag von tigerarmy »


Wie Chuck Berry, Bo Diddley und andere Rhythm'n'Blues und Rock'n'Roll Künstler der 50er war Fats ein großer Einfluss auf viele britische Beat-Bands der 60er Jahre. Insbesondere auf die FabFour aus Liverpool hatte der Fat Man großen Einfluss. Auch wenn sie von ihm keinen Song in ihrer Bandzeit auf Tonträger gebannt haben, so hat er sie mit der Musik aus New Orleans vertraut gemacht und sowohl John Lennon (wie von Traser bereits verlinkt), als auch Paul McCartney hat auf seinem 1990 Live-Album "Ain't that a shame" gecovert. Laut George Harrison war es einer der ersten Songs, den die noch sehr jungen Beatles zusammen einstudierten.

Hier noch ein paar mehr Infos zum Einfluss von Fats auf die Beatles.
https://macca-news.blogspot.com/2017/10 ... encer.html

Zu sehen ist auch ein Bild der Beatles mit Fats, das während einer US-Tour in New Orleans enstanden ist. Die Band wollte unbedingt ihr großes Idol treffen und der lokale Support-Act sorgte dafür, dass Fats für eine Weile im Backstage-Bereich der Band vorbeischaute.

Der Beatles Song "Lady Madonna" war laut Aussage von Paul der Versuch eines Boogie Woogie, der ihn stark an Fats erinnerte und weshalb er versuchte ihn auch in der Art von Fats zu singen. Auch der Text ist stark an Fats Domino angelehnt. Dessen Song "Blue Monday" beschreibt die Mühen eines arbeitenden Mannes, während Lady Madonna das Ganze aus der Sicht einer Frau beschreibt. Interessanterweise hat Fats Domino "Lady Madonna" noch im selben Jahr seinerseits gecovert und als Single veröffentlicht. Es sollte seine letzte Single in den US Charts werden.

Beatles - Lady Madonna (1968)

Fats Domino - Lady Madonna (1968)
Fats tourte nicht allzu viel ausserhalb der USA, da er auf längeren Touren immer sehr stark Heimweh bekam und am liebsten sofort in sein geliebtes New Orleans zurückgekehrt wäre. Eine der wenigen Ausnahmen war 1961 seine Tour durch Jamaika. US-Amerikanischer Rhythm'n'Blues war hier seit den 50er Jahren sehr beliebt in der Bevölkerung und bei den Soundsystems, und vor allem die Künstler aus New Orleans waren sehr gefragt, da die starken AM-Sender bei gutem Wetter sogar noch in Jamaika gehört werden konnten.

Wie groß der Einfluss von Fats auf die lokale Szene war, in der Anfang/Mitte der 60er aus dem Mento der Ska entstehen sollte und in der Folge zu Ende des Jahrzehnts der Reggae, lässt sich allein schon an einem der bedeutendsten Ska-Sänger der frühene Jahre erkennen:
Justin Hinds nannte seine Backing-Sängergruppe "The Dominoes" in Anlehnung an Fats Domino.

Wenn man einen Song wie "Be me guest" aus dem Jahr 1959 hört, lässt sich bereits alles heraushören was auf der kleinen Karibik-Insel innerhalb weniger Jahre perfektioniert und im Ska zum landestypischen Stil aufgehen sollte.

Fats Domino - Be my guest (Imperial, 1959)

Wer noch mehr über die US-Amerikanischen Einflüsse auf die jamaikanische Musikszene erfahren will, dem seien die Compilations auf Fantastic Voyage empfohlen: "Jumping the Shuffle Blues", "Jamaica selects Jump Blues strictly for you" und "Jump Blues Jamaica way".
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Fats Domino)

Beitrag von tigerarmy »

der heutige Beitrag ist leider (mal wieder) ein trauriger: Glen Glenn ist verstorben.
Ihn wollte ich schon längst mal hier vorstellen, nun leider aus diesem Anlass.

Glenn Glenn ist sicherlich niemanden großartig außerhalb der RnR-Szene bekannt, da er nie einen richtigen Hit hatte und der Künstlername ist sicherlich auch nicht wirklich glücklich gewählt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass er einige absolute Klassiker des Rockabilly der 50er Jahre aufgenommen hat. Ein ausführlicheres Special gibt es in den nächsten Tagen.

Bis dahin hier sein - meiner Meinung nach - bester Song:

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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Glen Glenn)

Beitrag von tigerarmy »

Wie angekündigt, soll es heute um den Sänger Orin Glenn Troutman gehen, der leider Ende März verstorben ist.
Glenn Troutman war einer der ersten obskureren RnR-Künstler der 50er Jahre, die im Zuge des Rockabilly-Revivals Mitte/Ende der 70er wieder an die
Oberfläche gespült wurden und der insbesondere in England und Kontinental-Europa eine große Fanbasis hatte.
Kein Zufall dass die ersten Veröffentlichungen des Reissue-Labels ACE Records von ihm stammten.

Seinen Status verdankt Glen drei legendärer Singles die Ende der 50er auf Era Records erschienen sind.
Zum Ende des Jahrzehnts folgte noch eine Single auf Doré, bevor nach einer weiteren Single auf Doré 1964 erst einmal Schluss war.

Wer mehr zu Biografie von Glenn Troutman aka Glenn Trout aka Glen Glenn wissen will, findet einen sehr schönen Artikel bei ACE Records.

https://acerecords.co.uk/news/2022/glen-glenn

Der "Künstlername" Glen Glenn war tatsächlich die Idee seines Labels ERA Records. Ob diese Entscheidung allerdings hilfreich für die weitere Karriere von Glen war, darf stark angezweifelt werden.

Die Aufnahmen der ersten Single von Glen auf ERA stammen aus einer Session vom 8. Januar 1958. Mit dabei an der Gitarre sein alter Highschool-Kumpel Gary Lambert. "Everybody's movin'" und "I'm glad my baby's gone" sind die Songs die vom Label für ERA 1061 ausgewählt wurden. Während das starke "Everybody's movin'" fast schon ein prototypischer Rockabilly Song ist, zeichnet sich die Flipside durch einen etwas weniger straighten Rhythmus aus und fällt gegen die A-Seite leicht ab.

Glen Glenn - Everybody's movin' (ERA 1061-A, 1958)
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Glen Glenn - I'm glad my baby's gone (ERA 1061-B, 1958)
Spoiler:

Kurze Zeit später folgte bereits die zweite Single. Während diesesmal der Rockabilly Song auf der B-Seite landet, wird auf der A-Seite mit "Laurie Ann" ein Teen-Rocker mit fast schon Doo-Woop-mäßigen Vocals dargeboten. Beide Songs bieten allerbesten Stoff.

Glen Glenn - Laurie Ann (ERA 1074-A, 1958)
Spoiler:

Glen Glenn - One cup of coffee and a cigarette (ERA 1074-B, 1958)
Spoiler:

Die finale Single für ERA bietet wieder einen Doublesided Killer und mit dem bereits geposteten "Blue jeans and a boy's shirt" einen absoluten Rockabilly-Klassiker. Wie bereits zuvor fällt auch diesesmal die B-Seite kaum ab gegen die A-Seite. "Would ja'" erreicht eventuell nicht ganz die Klasse von Seite 1 aber ist immer noch ein genialer Rock'n'Roll Song.

Glen Glenn - Blue jeans and a boy's shirt (ERA 1086-A, 1958)
Spoiler:

Glen Glenn - Would ja' (ERA 1086-B, 1958)
Spoiler:

Die folgende Single veröffentlichte Glen bereits bei Doré. Anfang 1959 erschienen hier "Goofin' around" b/w "Suzie Green from Abalene". Der klassische Rockabilly ist einem mainstreamigeren Rock'n'Roll gewichen. Überzeugen kann hier eigentlich nur die A-Seite wirklich.

Glen Glenn - Goofin' around (Doré 523-A, 1959)
Spoiler:

Die zweite und letzte Single auf Doré erscheint 1964 als "Glenn Trout". Dieser Schachzug ändert aber nichts daran, dass nach dieser Single ersteinmal Schluss ist für Glen Glenn aka Glenn Trout. Erst 1984 erscheint auf ACE Records ein Album mit neuen Aufnahmen. Auch auf der finalen Single ist von dem ursprünglichen Rockabilly-Sound nichts mehr zu hören. Auf der A-Seite befindet sich eine okaye Ballade im Roy Orbison-Stil; die B-Seite kommt etwas rockender daher, ist aber Angesichts alter Glanztaten eigentlich nicht wirklich erwähnenswert.

Glenn Trout - I'll never stop loving you (Doré 717-A, 1964)
Spoiler:

Glenn Trout - I didn't have the sense to go (Doré 717-B, 1964)
Spoiler:

Interessant sind noch einige der Demo Aufnahmen bzw. der unveröffentlichten Master, die Glen vor bzw. während seiner Zeit bei ERA Records aufgenommen hat. U.a. nimmt er bereits im Januar 1955 den Song "That's all right mama" als Demo auf, den ein gewisser Elvis Aaron Presley ein halbes Jahr zuvor in den SUN Studios in Memphis aufgenommen hat und der auf der legendären Single mit der Katalognummer SUN 209 im Juli 1954 erscheint.

Glen Glenn - That's all right mama (Demo, Januar 1955)
Spoiler:

Ebenfalls interessant ist, dass Glen den Song "Laurie Ann" auf dem ursprünglichen Demo aus dem Oktober 1957 einer anderen Dame gewidmet hat, nämlich der guten "Kathleen". In Stil und Arrangement ist die Aufnahme der veröffentlichten Version, die ein knappes halbes Jahr später erschien ansonsten recht ähnlich.

Glen Glenn - Kathleen (Unreleased Master, 1957)
Spoiler:

Ein Song der es unverständlicherweise damals nicht zu Veröffentlichungsehren geschafft hat ist "Kitty Cat". Hier verbindet sich die süßlichere Singweise von Glen von Tracks wie "Laurie Ann" mit einem härteren Bandsound zu einem mehr als gelungenen Song, der es verdient gehabt hätte, als Single veröffentlicht zu werden.

Glen Glenn - Kitty Cat (Demo, September 1958)
Spoiler:
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Glen Glenn)

Beitrag von monochrom »

Kann ich mir alles gut anhören, gefällt. Am stärksten fand ich jetzt "One cup of coffee and a cigarette". Der ist schon mächtig cool.
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Glen Glenn)

Beitrag von tigerarmy »

monochrom hat geschrieben: 02.04.2022 08:33 Kann ich mir alles gut anhören, gefällt. Am stärksten fand ich jetzt "One cup of coffee and a cigarette". Der ist schon mächtig cool.
allerdings. Ist mein zweitliebster von ihm.
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Re: Tigerarmys Reise i. d. Vergangenheit (akt. Glen Glenn)

Beitrag von tigerarmy »

Jerry Lee Lewis ist gestern gestorben. Als eine der letzten großen Ikonen des Rock'n'Roll war er wirklich lange Zeit "The last man standing".
Die frühen SUN-Records Singles sind Meilensteine des RnR und dürften selbst hier im Forum die meisten kennen, also zumindest mal "Great balls of fire" und "Whole lotta shakin' goin' on".

Rest in Peace Jerry Lee.

Ich hatte eigentlich längst vor, ihn hier mal genauer vorzustellen, ich hoffe, ich bekomme das in nächster Zeit dann mal hin.
Bis dahin gibt es einen anderen seiner unzähligen Klassiker:

JERRY LEE LEWIS - Breathless (SUN Records #288, 1958)
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