Rammstein

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Schnabelrock
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Re: Rammstein

Beitrag von Schnabelrock »

HannibalLecter91 hat geschrieben: 05.06.2023 22:35 Und wenn du dich darüber aufregst, bist du ein Spießer mit Moralvorstellungen aus den 50ern.
Falls Du auf mich abzielst. Das war nicht mein Punkt vor einigen Seiten/Tagen. Mich persönlich hat die Vergangenheit gelehrt, dass man bei Diskussionen um Sexualmoral sehr vorsichtig sein sollte mit der Bewertung anderer Menschen. Wir reden hier wohlgemerkt von ausschließlich ethischen Fragen, nicht Sexualstrafrecht (das allerdings auch eine ethische Unterfütterung hat, aber am Ende dessen ist es eben Strafrecht und aus guten Gründen als solches zu akzeptieren):

Da ging und geht es imo auch darum, wachsam zu sein, keinen sexualethischen Rückfall in Zeiten von Prüderie, Negation sexueller Selbstbestimmung oder uralter Rollenbilder zu erleiden. Dazu stehe ich ich nach wie vor, da muss man aufpassen und diesen Aspekt will ich in der Diskussion angemessen erkannt und gewichtet haben. Nicht mehr und nicht weniger. Zumal freieren Sexualmodellen aus der Kunst schon immer ein spießiger Wind entgegenblies.

So wie übrigens auch evolutionsbiologische Dinge bei so etwas durchaus eine Rolle spielen, wenn man sich eine umfassende, ehrliche Diskussions- und Beurteilungsgrundlage ohne übereilte Eiferei schaffen will.

Dass die konkrete Sache Rammstein/Lindemann offenbar eine andere Wendung nimmt, wird nun langsam klarer. Es sieht auch deutlich so aus, als ob der Bereich Kunst von Lindemann verlassen wurde bzw. hier gar nicht die problematische Zone ist. Und all das, was ich oben geschrieben habe, macht eine Verurteilung solchen Verhaltens nicht unmöglich oder soll etwas verharmlosen, sondern macht eine Verurteilung erst valide möglich und ernsthaft.

Ausschnittweise Ethik und bruchstückhafte Bilder bei sowas sind zuwenig und zu schnell, Ethiculatio praecox.
Zuletzt geändert von Schnabelrock am 06.06.2023 08:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Wishmonster
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Re: Rammstein

Beitrag von Wishmonster »

Apparition hat geschrieben: 05.06.2023 22:32
oger hat geschrieben: 05.06.2023 21:04 Hat mir meine Tochter eben geschickt...

Mir kommt es ein bisschen hoch.


https://youtu.be/9YLsMXyo3Uc
Die Luft wird langsam dünn.

Ich hoffe auf eine juristische Aufarbeitung, aber ich fürchte, dass da nicht ernsthaft was passiert. Ich sehe übrigens auch nicht, dass das der Band das Genick bricht. Die sind too big to fail. Egal wie das weitergeht, es wird immer ein paar Tausend Leute pro Stadt geben, die die sehen wollen.
Kommt halt auch darauf an wie es um das interne Bandgefüge bestellt ist. Dass da keiner von gewusst hat, kann ich mir kaum vorstellen, selbst wenn da vor und nach den Shows jeder seine eigenen Wege geht. Durch diese Enthüllungen steigt ja der Druck auf die gesamte Band, und auf alle die da involviert sind. Da stehen ja mittlerweile organisierte Vergewaltigungen unter Drogeneinfluss im Raum, wenn ich das richtig verstanden habe.

Keine Ahnung ob die anderen Bandmitglieder da wirklich so abgezockt sind, und nur die Kohle sehen. :ka:
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Alphex
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Re: Rammstein

Beitrag von Alphex »

borsti hat geschrieben: 06.06.2023 05:45
Alphex hat geschrieben: 05.06.2023 18:24 Und damit auch mal inhaltlich aufgelöst wird, was offenbar kontrovers ist:
Das Ausnutzen von Machtpositionen in sexueller Hinsicht ist doch älter als die Menschheit selbst. Das gibt es nämlich auch im Tierreich und kann wahrscheinlich sogar als evolutionsbiologisches Prinzip gelten. Und es funktioniert natürlich auch deshalb, weil andere sich von ebendieser Macht angezogen fühlen.
Katzen quälen Vögel. Delfine führen Gruppenvergewaltigungen durch. Gottesanbeterinnen sind kannibalistisch. Ist irgendetwas dadurch ein "evolutionsbiologisches Prinzip"? Etwas, das funktioniert weil "andere sich davon angezogen fühlen"? Und spielt irgendetwas für die moralische Einordnung dieser Praxis bei Menschen - um die es hier im Thread geht - eine Rolle?
Man möge mir verzeihen, dass ich mich solchen Themen nicht so emotionsgeladen nähern will, wie du und andere das können und mir da einen sehr nüchternen Kommentar erlaubt hab.

Die moralische Einordnung kann ich für mich vornehmen und du für dich und jeder für sich und man kann das teilen und darüber diskutieren.

Aber mir, nur weil ich das in einem Beitrag nicht gleich moralisch werten will, direkt niedere Moral oder wasauchimmer zu unterstellen, ist - um es mal maximal diplomatisch zu formulieren - extrem schlechter Stil.
Das ist an sich nichts was ich am Handy schnell vor der Arbeit tippen will, aber das Threadtempo hier ist aktuell sehr hoch. Daher: Es geht nicht darum, dass ich denke, dass du irgendwas davon praktizierst. Aber "evolutionsbiologisch" war auch Gengis Khan "schlau", weil er tausende Kinder mit Gewalt in die Welt gesetzt hatte. Aber nicht alles was funktioniert und von Tieren und Arschlöchern praktiziert wird, ist ein evolutionsbiologisches Prinzip.

Ansonsten würde ja auch bei jedem ausbeutenden Chef, jeder mafiösen Struktur etc. PP. gelten, dass das ja schon immer so gemacht wurde, und Tiere machen das ja auch, von daher, so läuft der Laden nun Mal, kannste nix gegen sagen.

Und das meinte ich mit "might is right":
might is right and therefore Napoleon is right, and every cheating tradesman is also right.
Über diese Deutung seiner Befunde hatte sich übrigens Darwin aufgeregt (!). Geteilt wird sie aber von eben Pickuppern (und Incels), deren aktuell prominenteste Sprecherfigur eben Täte ist. Der ja sagt: Wenn Arschlöcher sich durchsetzen, wirst du eben das größte Arschloch.

Aber menschliche Moralvorstellungen mit der Praxis von Wildtieren zu begründen bzw. Verhalten zu rationalisieren ist eben billig. Und dass ich daher von so plumpem Biologismus nur abraten kann, zumal es ja auch Beispiele gibt, in welcher Nachbarschaft so eine Denke populär ist.

So, nun aber arbeiten.
"Wenn man in der Metalszene unterwegs ist, dann bekommt man quasi NIE politische Statements zu hören. Auch deswegen liebe ich diese Szene so. Politik ist dort nunmal kein Thema. Fast schon ein Tabuthema."
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Re: Rammstein

Beitrag von Apparition »

Alphex hat geschrieben: 06.06.2023 07:34 Aber menschliche Moralvorstellungen mit der Praxis von Wildtieren zu begründen bzw. Verhalten zu rationalisieren ist eben billig. Und dass ich daher von so plumpem Biologismus nur abraten kann, zumal es ja auch Beispiele gibt, in welcher Nachbarschaft so eine Denke populär ist.

So, nun aber arbeiten.
Es ist nicht nur billig, es ist absurd. Nicht nur deswegen, weil so etwas wie Moral nach menschlichen Maßstäben in anderen Tieren bestenfalls rudimentär vorkommt, sondern auch deswegen, weil die Vielfalt sexuellen Verhaltens in der Natur jede Projektion auf den Menschen verbietet. Schon unsere nächsten Verwandten unterscheiden sich in ihren Gesellschaftsgefügen radikal voneinander. Ich fände es wirklich angenehm, diesen biologistischen Unfug zumindest hier nicht lesen zu müssen.
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Alphex
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Re: Rammstein

Beitrag von Alphex »

Und a propos Darwin: "survival of the fittest" heißt nicht "Überleben des Stärksten", sondern "Überleben des Bestangepassten". Wenn Lindemann und seine Aktionen also nicht mehr in die heutige Zeit passen/dort abgelehnt werden, ist die Auflösung Rammsteins dann evolutionär? Oder sind solche Vergleich vielleicht bei dem Thema eher unpassend?
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Schnabelrock
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Re: Rammstein

Beitrag von Schnabelrock »

Apparition hat geschrieben: 06.06.2023 08:02 Es ist nicht nur billig, es ist absurd. Nicht nur deswegen, weil so etwas wie Moral nach menschlichen Maßstäben in anderen Tieren bestenfalls rudimentär vorkommt, sondern auch deswegen, weil die Vielfalt sexuellen Verhaltens in der Natur jede Projektion auf den Menschen verbietet. Schon unsere nächsten Verwandten unterscheiden sich in ihren Gesellschaftsgefügen radikal voneinander. Ich fände es wirklich angenehm, diesen biologistischen Unfug zumindest hier nicht lesen zu müssen.
Es geht ja nicht um Projektion, sondern um Schnittmengen. Und ich bin mir ganz sicher, Fragen von sozialer Position, Macht, Kraft, Materiellem spielen hüben wie drüben sehr häufig große Rollen. Wenn man diese (imo) realen Mechanismen mit Blick auf ein moralisches "darf es nicht geben" negiert, kommt man eben nicht zu einer ehrlichen, halbwegs vollständigen Ansicht.

Wie man das dann wertet, ist ein anderer Schritt, übrigens imo keiner, der so einfach getan ist , indem man das beim Menschen grundsätzlich beschissen findet. Startpunkt kann aber nur eine reale Bestandsaufnahme sein, sonst wird man den eigenen Ansprüchen von Anfang an selbst nicht gerecht.
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Re: Rammstein

Beitrag von Alphex »

Dafür, dass hier niemand in der Position sein soll Aussagen zu bewerten, fallen hier aber interessante Formulierungen wie "nur das bietet eine Bewertungsgrundlage ohne übereilten Eiferei" oder jetzt eben "nur dann kann es ehrlich sein". Von daher frage ich mich welchen Beitrag zur ehrbaren Wahrheitssuche zynisches Witzeoj zu Beginn, krachender Streit mit gleich zwei Leuten, und jetzt bescheidene Erklärungslieferung frei Haus bieten.

Bei aller Liebe. Reagier Mal lieber auf meine DM als hier im Thread zu projizieren und showbrudern, weil "um jeden Preis im Recht" willst hier gefuehlt vor allem du sein.
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Re: Rammstein

Beitrag von Hyronimus »

Schnabelrock hat geschrieben: 06.06.2023 08:07
Apparition hat geschrieben: 06.06.2023 08:02 Es ist nicht nur billig, es ist absurd. Nicht nur deswegen, weil so etwas wie Moral nach menschlichen Maßstäben in anderen Tieren bestenfalls rudimentär vorkommt, sondern auch deswegen, weil die Vielfalt sexuellen Verhaltens in der Natur jede Projektion auf den Menschen verbietet. Schon unsere nächsten Verwandten unterscheiden sich in ihren Gesellschaftsgefügen radikal voneinander. Ich fände es wirklich angenehm, diesen biologistischen Unfug zumindest hier nicht lesen zu müssen.
Es geht ja nicht um Projektion, sondern um Schnittmengen. Und ich bin mir ganz sicher, Fragen von sozialer Position, Macht, Kraft, Materiellem spielen hüben wie drüben sehr häufig große Rollen. Wenn man diese (imo) realen Mechanismen mit Blick auf ein moralisches "darf es nicht geben" negiert, kommt man eben nicht zu einer ehrlichen, halbwegs vollständigen Ansicht.

Wie man das dann wertet, ist ein anderer Schritt, übrigens imo keiner, der so einfach getan ist , indem man das beim Menschen grundsätzlich beschissen findet. Startpunkt kann aber nur eine reale Bestandsaufnahme sein, sonst wird man den eigenen Ansprüchen von Anfang an selbst nicht gerecht.
Aber es ist doch irgendwie befremdlich, eine Schnittmenge aus Karnickel und Heuschrecke für erstrebenswert zu halten. Wobei man damit sowieso Kaninchen und Heuschrecken Unrecht tut.
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Schnabelrock
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Re: Rammstein

Beitrag von Schnabelrock »

Hyronimus hat geschrieben: 06.06.2023 08:15 Aber es ist doch irgendwie befremdlich, eine Schnittmenge aus Karnickel und Heuschrecke für erstrebenswert zu halten.
Das tut doch auch niemand. Nur: Aus der Biologie, deren Teil wir nunmal sind, nichts über den Menschen "as is" lernen zu wollen, weil "nicht vergleichbar, Projektion, unanständig, Karnickeltum" usw., das ist nun wirklich Wissenschaftsverweigerung und letztlich Bibelforscherei.

Unglücklicherweise hat dieses Argument eine optische Nähe zu Grobstschlächtigem a la "Frauen müssen nun mal gebären, Männer sind am begehrtesten, wenn sie ein buschiges Fell haben" mitsamt den unsinnigen Ableitungen, die ich jetzt nicht vertiefen will. Das ist ausdrücklich nicht mein Standpunkt, um das mal zu sagen, obwohl ich bisher der Meinung war, es versteht sich wohl von selbst.
Zuletzt geändert von Schnabelrock am 06.06.2023 08:41, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Rammstein

Beitrag von monochrom »

Hier einige nicht besonders gut geordnete Gedanken von mir.

1. Die evolutionsbedingte Sicht ist nicht hilfreich. Schon unsere nächsten vier Menschenaffenverwandten haben völlig verschiedene Wege mit Reproduktion und/oder fröhlicher Bumserei umzugehen, wenn wir dann weiter auf das ganze Affenreich gucken, wird es extrem vielfältig, was die Sexstrategien angeht. Daraus lernen wir, dass wir uns von anderen Spezies keine Erkenntnisse abholen können. Aber wenn wir den Menschen alleine angucken, landen wir praktisch sofort bei Natur vs Kultur, und müssten dann langwierig aufdröseln. Nicht wirklich sinnvoll, beides wird seinen Anteil haben, aber wie der genau aussieht? Schlägt reich sein ein hübsches Gesicht? Was ist stärker, toll reden können oder Muskeln? Ist ein hoher sozialer Status wichtiger als Artgenossen vermöbeln können? Und ist das bei beiden Geschlechtern unterschiedlich? Schon, aber wie genau? Nein, die Biologie hilft da nicht arg viel weiter (obwohl sie natürlich mit reinspielt), und der Verweis auf andere Spezies sogar garnicht.

2. Männliche und weibliche Sexualität spielen da eine zum Teil sehr unangenehme Rolle. Lindemann macht ja schon dieses zügellose Ding wie aus dem Biologielehrbuch (Verteile deinen Samen an möglichst viele junge Frauen), was halt schon eher peinlich ist, jetzt mal abgesehen von allen möglichen Straftaten. Dazu komme ich weiter unten noch. Ich finde allerdings auch traditionelles Groupieverhalten oberpeinlich. Da, es ist raus, trotz allem Female Empowerment und auch wenn natürlich jede Frau selber entscheiden kann mit wem und wann sie gerne vögeln mag. Aber dieses Groupieding, mit x Frauen die um irgendwelche Stars buhlen, hatte schon immer einen Kern, der extrem leicht auszunutzen war, und wo Grenzen des Wollens auch schon immer sehr leicht sonstwohin verschoben worden sind. Und durch oftmals professionelle Zwischenvermittler angebahnte Privilegien (Du musst nicht zahlen, du bekommst Drinks, du musst nicht beim Pöbel stehen, du darfst die Musiker kennenlernen, du darfst bei der Privatparty mitmachen) für gutaussehende Frauen haben auch schon immer einen unangenehmen Rahmen abgegeben für die selbstbestimmte, moderne Frau von heute.

3. Der Schnabelrock hat natürlich trotzdem ganz, ganz viel Recht. Man muss zu jeder Zeit aufpassen, ob so ein Thema nicht begeistert von Konservativen aufgegriffen wird, um gegen eine freiere Sexualmoral vorzugehen. Und nicht nur die sind ein problem, in den allermeisten Leuten steckt ein kleinerer oder größerer Spießer, der immer gerne rauswill und alles mögliche, was andere Leute so mit ihren Muschis und Pillermännern anstellen, doof findet. Bei mir ist dieser Spießer ziemlich groß, und ich muss andauernd gegen ihn ankämpfen.

4. Diese Punkte werden obsoleter, je mehr wir erfahren. Denn wenn es einfach nur das unangenehme, peinliche Star-und-Groupie-Spiel gewesen wäre, dann könnte man die Augen verdrehen und weitermachen. Auch wenn die Maschine so peinlich kapitalistisch durchgeölt scheint wie selten, und ja, auch wenn es da ein höchst unangenehmes Machtgefälle gibt. Wer sich daran stört, kann glaube ich tatsächlich über 80% seiner Plattensammlung (Bei den ausschließlich männlichen Bands und Solokünstlern) in die Tonne treten. So läuft es, und so lief es schon bei Walter von der Vögelweide (hihi) und Hartmann (Hihi) von Aue. Und ja, auch dieser freundliche Elektronikkünstler, und jene nette und sehr korrekte Punkband da drüben. Aber das klingt ja doch sehr, sehr viel unangenehmer. Und da wäre dann mein Rat, sich insgesamt nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen, sondern mal abwarten wie sich die Sachlage entwickelt.
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Re: Rammstein

Beitrag von Apparition »

Schnabelrock hat geschrieben: 06.06.2023 08:07
Apparition hat geschrieben: 06.06.2023 08:02 Es ist nicht nur billig, es ist absurd. Nicht nur deswegen, weil so etwas wie Moral nach menschlichen Maßstäben in anderen Tieren bestenfalls rudimentär vorkommt, sondern auch deswegen, weil die Vielfalt sexuellen Verhaltens in der Natur jede Projektion auf den Menschen verbietet. Schon unsere nächsten Verwandten unterscheiden sich in ihren Gesellschaftsgefügen radikal voneinander. Ich fände es wirklich angenehm, diesen biologistischen Unfug zumindest hier nicht lesen zu müssen.
Es geht ja nicht um Projektion, sondern um Schnittmengen. Und ich bin mir ganz sicher, Fragen von sozialer Position, Macht, Kraft, Materiellem spielen hüben wie drüben sehr häufig große Rollen. Wenn man diese (imo) realen Mechanismen mit Blick auf ein moralisches "darf es nicht geben" negiert, kommt man eben nicht zu einer ehrlichen, halbwegs vollständigen Ansicht.

Wie man das dann wertet, ist ein anderer Schritt, übrigens imo keiner, der so einfach getan ist , indem man das beim Menschen grundsätzlich beschissen findet. Startpunkt kann aber nur eine reale Bestandsaufnahme sein, sonst wird man den eigenen Ansprüchen von Anfang an selbst nicht gerecht.
Selbstverständlich sind auch wir nicht frei von genetisch fixierten und damit evolutionär beeinflussten Verhaltensweisen. Das fängt bei Angst vor Dunkelheit an und hört bei Fluchtreflexen in unsicheren Situationen nicht auf. Sexuelle Anziehungskraft von Status gehört eventuell dazu. Der Punkt ist, dass das absolut keine Aussage im Hinblick auf Ethik und Moral zulässt. Was wir in uns angelegt haben, sind nämlich bestenfalls Archetypen, die wir mit unserem Intellekt modulieren und sogar ignorieren können. Der wiederum ist Teil unseres evolutionären Erbes. Wenn man also damit argumentieren will, dann bitte auch damit, dass wir als Spezies so flexibel in unserem Verhalten sind wie keine andere. Das gehört zum Gesamtpaket Mensch. Darum funktionieren solche simplifizierten Vergleiche nicht und rechtfertigen nichts.
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Re: Rammstein

Beitrag von borsti »

Alphex hat geschrieben: 06.06.2023 07:34
borsti hat geschrieben: 06.06.2023 05:45
Alphex hat geschrieben: 05.06.2023 18:24 Und damit auch mal inhaltlich aufgelöst wird, was offenbar kontrovers ist:
Das Ausnutzen von Machtpositionen in sexueller Hinsicht ist doch älter als die Menschheit selbst. Das gibt es nämlich auch im Tierreich und kann wahrscheinlich sogar als evolutionsbiologisches Prinzip gelten. Und es funktioniert natürlich auch deshalb, weil andere sich von ebendieser Macht angezogen fühlen.
Katzen quälen Vögel. Delfine führen Gruppenvergewaltigungen durch. Gottesanbeterinnen sind kannibalistisch. Ist irgendetwas dadurch ein "evolutionsbiologisches Prinzip"? Etwas, das funktioniert weil "andere sich davon angezogen fühlen"? Und spielt irgendetwas für die moralische Einordnung dieser Praxis bei Menschen - um die es hier im Thread geht - eine Rolle?
Man möge mir verzeihen, dass ich mich solchen Themen nicht so emotionsgeladen nähern will, wie du und andere das können und mir da einen sehr nüchternen Kommentar erlaubt hab.

Die moralische Einordnung kann ich für mich vornehmen und du für dich und jeder für sich und man kann das teilen und darüber diskutieren.

Aber mir, nur weil ich das in einem Beitrag nicht gleich moralisch werten will, direkt niedere Moral oder wasauchimmer zu unterstellen, ist - um es mal maximal diplomatisch zu formulieren - extrem schlechter Stil.
Das ist an sich nichts was ich am Handy schnell vor der Arbeit tippen will, aber das Threadtempo hier ist aktuell sehr hoch. Daher: Es geht nicht darum, dass ich denke, dass du irgendwas davon praktizierst. Aber "evolutionsbiologisch" war auch Gengis Khan "schlau", weil er tausende Kinder mit Gewalt in die Welt gesetzt hatte. Aber nicht alles was funktioniert und von Tieren und Arschlöchern praktiziert wird, ist ein evolutionsbiologisches Prinzip.

Ansonsten würde ja auch bei jedem ausbeutenden Chef, jeder mafiösen Struktur etc. PP. gelten, dass das ja schon immer so gemacht wurde, und Tiere machen das ja auch, von daher, so läuft der Laden nun Mal, kannste nix gegen sagen.

Und das meinte ich mit "might is right":
might is right and therefore Napoleon is right, and every cheating tradesman is also right.
Über diese Deutung seiner Befunde hatte sich übrigens Darwin aufgeregt (!). Geteilt wird sie aber von eben Pickuppern (und Incels), deren aktuell prominenteste Sprecherfigur eben Täte ist. Der ja sagt: Wenn Arschlöcher sich durchsetzen, wirst du eben das größte Arschloch.

Aber menschliche Moralvorstellungen mit der Praxis von Wildtieren zu begründen bzw. Verhalten zu rationalisieren ist eben billig. Und dass ich daher von so plumpem Biologismus nur abraten kann, zumal es ja auch Beispiele gibt, in welcher Nachbarschaft so eine Denke populär ist.

So, nun aber arbeiten.
Ich habe eben nicht versucht irgendwelche Moralvorstellungen zu begründen - oder anzugreifen. Wenn überhaupt, dann wollte ich sagen, dass unsere Moralvorstellungen oft einen sehr begrenzten oder gar keinen Einfluss auf die Realität haben. Weshalb es für mich - und das ist mein Ansatz für den ich keine Allgemeingültigkeit beanspruche - meistens müßig ist, mit Moral zu argumentieren.

Und wir sprechen hier über Fälle, die bar jeder moralischen Bewertung mutmaßlich kriminell sind.

Vor allem aber halte ich Aussagen, wie "Das Ausnutzen von Macht ist das Problem" in ihrer Pauschalität meistens für zu ungenau und wenig hilfreich. Das mag im konkreten Fall stimmen, ist aber bei weitem nicht der einzige und Faktor und hat darüber hinaus meiner Meinung nach wenig Aussagekraft.

Und das sind alles Sachen bei denen man selbstverständlich anderer Meinung sein kann. Aber das wurde hier so nicht artikuliert, sondern sofort das schlechtestmögliche unterstellt, was ich unsachlich, stillos und auf persönlicher Ebene auch einfach als Frechheit empfinde, weil ich dazu eigentlich Niemandem einen Anlass gegeben habe.
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Re: Rammstein

Beitrag von MetalEschi »

Ich schließe mich in einem Punkt Borsti besonders an: Macht oder Position zum Vorteil nutzen, ist etwas, was für den Erfolg viele Menschen mehr oder weniger oft praktizieren, auch Manipulation und Beeinflussung. Hier wurde mitunter pauschal argumentiert, dass das moralisch nicht in Ordnung sei. Das sehe ich so nicht. Man kann diese Aussage auf die konkrete Situation beziehen, wenn man will. Dann sollte man es aber so ausdrücken. Die Diskussion ist finde ich durch das Argument generell sehr weit gefasst.
Ich bin selbständig und habe daher keinen Chef, aber wenn ich einen hätte würde ich ganz sicher Dinge für ihn tun, die ich in einer anderen Position nicht tun würde. Ist das moralisch verwerflich und hat das, völlig frei von Sexualisierung und Intimität, überhaupt Relevanz für die Debatte?
Zuletzt geändert von MetalEschi am 06.06.2023 08:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Rammstein

Beitrag von Schnabelrock »

borsti hat geschrieben: 06.06.2023 08:41 Vor allem aber halte ich Aussagen, wie "Das Ausnutzen von Macht ist das Problem" in ihrer Pauschalität meistens für zu ungenau und wenig hilfreich. Das mag im konkreten Fall stimmen, ist aber bei weitem nicht der einzige und Faktor und hat darüber hinaus meiner Meinung nach wenig Aussagekraft.
Und das sind alles Sachen bei denen man selbstverständlich anderer Meinung sein kann. Aber das wurde hier so nicht artikuliert, sondern sofort das schlechtestmögliche unterstellt, was ich unsachlich, stillos und auf persönlicher Ebene auch einfach als Frechheit empfinde, weil ich dazu eigentlich Niemandem einen Anlass gegeben habe.
Da bin ich ganz bei Borsti und hier, bei Leuten wie Borsti und mir, irgendeinen Kontext zu Incelverhalten, -argumenten, diesem Tate oder Biologismus herzustellen ist eine Frechheit. Und dann, bei Hinweis darauf, das nicht zurückzunehmen, sondern die Verknüpfungen bis hin zu Dschingis Khan auszuwalzen, das ist dann nicht mehr nur beleidigend, sondern vollständig absurd und für mich nicht mehr diskutabel.
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Re: Rammstein

Beitrag von Apparition »

Schnabelrock hat geschrieben: 06.06.2023 08:26
Hyronimus hat geschrieben: 06.06.2023 08:15 Aber es ist doch irgendwie befremdlich, eine Schnittmenge aus Karnickel und Heuschrecke für erstrebenswert zu halten.
Das tut doch auch niemand. Nur: Aus der Biologie, deren Teil wir nunmal sind, nichts über den Menschen "as is" lernen zu wollen, weil "nicht vergleichbar, Projektion, unanständig, Karnickeltum" usw., das ist nun wirklich Wissenschaftsverweigerung und letztlich Bibelforscherei.

Unglücklicherweise hat dieses Argument eine optische Nähe zu Grobstschlächtigem a la "Frauen müssen nun mal gebären, Männer sind am begehrtesten, wenn sie ein buschiges Fell haben" mitsamt den unsinnigen Ableitungen, die ich jetzt nicht vertiefen will. Das ist ausdrücklich nicht mein Standpunkt, um das mal zu sagen, obwohl ich bisher der Meinung war, es versteht sich wohl von selbst.
Da bin ich dann wiederum dabei. Es ist aber halt schon ein Unterschied zu "war im Tierreich schon immer so" (kein Zitat). Über Verhaltensarchetypen zu lernen um dann zu wissen, wie man welche davon bearbeiten muss, damit unser Zusammenleben besser wird, halte ich unbedingt für sinnvoll.
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