When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Alles über Musik im Allgemeinen und ohne Bezug zu einem speziellen Genre
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Maedhros
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von Maedhros »

MetalEschi hat geschrieben: 26.09.2022 15:13 Das liest sich bei dir recht gemütlich. So weit würde ich dann auch nicht gehen. :D
Ich bin bekennender Herbstfreund und Sommerverächter *g* Bei unteren zweistelligen Temperaturen und Nieselregen bin ich fröhlicher als bei 30 Grad und brennender Sonne.
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Thunderforce
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von Thunderforce »

Maedhros hat geschrieben: 26.09.2022 18:38
MetalEschi hat geschrieben: 26.09.2022 15:13 Das liest sich bei dir recht gemütlich. So weit würde ich dann auch nicht gehen. :D
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Susi666
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von Susi666 »

Maedhros hat geschrieben: 26.09.2022 18:38
Ich bin bekennender Herbstfreund und Sommerverächter *g* Bei unteren zweistelligen Temperaturen und Nieselregen bin ich fröhlicher als bei 30 Grad und brennender Sonne.
Was stimmt nicht mit dir? :D

Nee, im Ernst, im kürzlich zuende gegangenen Sommer waren (nur) 30 Grad und (brennende) Sonne doch super. Schwierig wurde es erst, wenn die Temperaturen sich den 40 Grad näherten...
Kennt ihr dieses leichte Prickeln der Vorfreude und Herzklopfen, wenn ihr einen Thread öffnet, dessen neueste Antwort mit hoher Wahrscheinlichkeit mit beleidigter Leberwurst bestrichen ist?

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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von OriginOfStorms »

Maedhros hat geschrieben: 26.09.2022 18:38
MetalEschi hat geschrieben: 26.09.2022 15:13 Das liest sich bei dir recht gemütlich. So weit würde ich dann auch nicht gehen. :D
Ich bin bekennender Herbstfreund und Sommerverächter *g* Bei unteren zweistelligen Temperaturen und Nieselregen bin ich fröhlicher als bei 30 Grad und brennender Sonne.
Ganz normal, so sieht das ein Mensch mit funktionierendem Temperaturempfinden.
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logos
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von logos »

Damals lief abends ab 22h auf WDR 1 eine Sendung, die hieß Schwingungen und wurde von Winfried Trenkler moderiert. Es ging hauptsächlich um Krautrock, speziell aber elektronische Musik. Das erste Mal hörte ich die Show, als ein Spezial über Tangerine Dream lief. Es wurden Teile aus dem Live-Album "Logos" (parallen zum Nickname sind beabsichtigt). Diese massiven Flächen und diese ins Hirn fräsenden Sequenzen haben mich total umgehauen.
Irgendwann erfur ich dann, dass ein Onkel von mir die TD-Compilation "Dream Sequence" auf CD besaß und ich überspielte mir die Sachen auf Kassette.

Den Walkman (Sony, DD Quartz *huld*) legte ich nicht mehr aus der Hand. Und nun kommt der Bezug zum Herbst, denn parallel zu meiner aufkeimenden Leidenschaft zur elektronischen Musik, war es Herbst und ich lief morgens mit dieser Musik im Ohr täglich zur Schule und machte - zumindest nach der Schule - sogar längere Umwege, nur um die entsprechenden Platten noch zu Ende zu hören. Das mache ich auch heute noch. Zwar laufe nicht mehr zu Schule, sondern gehe mit dem Hund, aber die Faszination und diese unglaubliche Atmosphäre der Kombination aus Herbst und dieser Musik ist erhalten geblieben.

Wer nun einen Empfehlung zum Einstieg in die Welt von Tangerine Dream braucht, dem kann ich guten Gewissens eben die "Dream Sequence" empfehlen. Da sind alle guten Phasen der 70er und 80er vorhanden. Unter anderem dieser wunderbare Song (live mit aktueller Besetzung):
Wer tiefer einsteigen möchte:

"Phaedra" von 1974 ist hinsichtlich der Möglichkeiten, die man in dieser Zeit hatte, schier unfassbar in seiner Intensität. Überhaupt die Baumann-Phase kann durchweg gekauft werden. "Ricochet" (1975) ist - für mich - wohl das überwältigendste Live-Dokument, was es von dieser Band gibt. Besser als in Part 2 kann man einen Spannungsaufbau nicht gestalten.
"Cyclone" von 1978 ist ein Experiment mit Gesang. Ungewohnt und etwas (kraut)rockiger. Bis einschließlich 1983 folgte dann die Schmoelling-Phase, die auch ein paar richtig gute Momente hervorgebracht hat:
Danach muss man SEHR vorsichtig sein. "Underwater Sunlight" hat noch ein paar gute Songs auf Lager, aber danach verließ Christoph Franke die Band und Edgar Froese (R.I.P.) holte seinen Sohnemann in die Band. Es folgte leider nur noch Fahrstuhlmusik und infantiler Murks (Sorry, Edgar!).

Erst als Thorsten Quaeschning immer mehr die Leitung von TD übernahm, wurde es wieder besser. Das aktuelle Album "Raum" ist sogar in meiner Top 5 für 2022 drin.

Soviel Gelaber zu Tangerine Dream. Sorry, aber ich hatte es ja angekündigt und es ist - für mich - DIE Herbstmusik schlechthin. Es passt alles zusammen. Die melancholische Atmosphäre, die Dunkelheit, das Symphonische, die Melodien.

Bei Interesse kann ich auch gerne mal was zu Klaus Schulze schreiben.
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MetalEschi
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von MetalEschi »

Cool, Danke fürs Mitmachen. :)

Deinen ersten Punkt kann ich nachvollziehen: Wenn ich bestimmte Musik zufällig im Herbst entdecke (oder das zu dem Zeitpunkt gerade aktuell ist), und ich höre die dann draußen und nehme unterwegs die Umgebung war, dann ist die jahreszeitliche Assoziation da nicht mehr ganz rauszubekommen. Im Sommer gilt das umgekehrt wohl auch.

Tangerine Dream sind natürlich absolut großartig. In dieser Musik findet man so ziemlich alle Stimmungen, die man sich vorstellen kann, oft sogar in einer einzigen Komposition. Da gibt es sicherlich viel, was ich mit Herbst und Winter verbinde, ein Album wie "Stratosfear" hat dann aber auch viel Spaciges oder lässt fast wüstenartige Bilder aufleben, die dann eher trocken und heiß klingen als nass und kalt. Aber es stimmt: Ich kenne seit ich die Klassiker von TD gehört habe keine Musik, die so locker und mühelos zwischen Stimmungen wechselt und dabei den Spannungsbogen so hoch hält.
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von Maedhros »

logos hat geschrieben: 28.09.2022 09:49 Wer nun einen Empfehlung zum Einstieg in die Welt von Tangerine Dream braucht, (....)
Trifft sich gut, von denen wollt ich mir schon länger mal was anhören :)
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von costa »

Was ich von Tangerine Dream kenne (Phaedra, Rubycon, Force Majeure sowie den Soundtrack zu Thief) find ich ganz schön geil. Am meisten gehört hab ich wohl Force Majeure.
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von logos »

Wer Tangerine Dream für ideale Herbstmusik hält, sollte natürlich auch Klaus Schulze kennen. Zumal er ja in den Anfangstagen bei TD Schlagzeuger war. Dann ging er aber doch recht schnell Solowege und erschuf ein immenses Werk an beinahe unzähligen Alben, Live-Alben, Kompilationen, Kooperationen, etc. Die kann man nicht alle gehört haben und die sind auch bei Weitem nicht alle gut. Da ist sehr viel Ausschussware dabei, keine Frage.

Wie Tangerine Dream begann er schon weit vor meiner Zeit Anfang der 70er mit elektronischer Musik zu experimentieren. Irrlicht ('72), Cyborg ('73) oder Blackdance ('74) sind beeindruckende Klangkonstruktionen und ebenfalls Klassiker. Man kann mit diesen Alben auch anfangen, wenn man Schulze kennen lernen will, aber wird sicher schwieriger, als mit z.B. Bodylove ('77), einem Soundtrack zu einem Softporno.
Auch '77 erschien das - für mich - großartigste Album seiner Diskographie, nämlich Mirage. Kein anderes Album nimmt mich emotional so mit. Eine Abschied an seinen verstorbenen Bruder. Ein perfektes Herbstalbum.
In den 80ern arbeitete er zunehmend mit digitalen Synthesizern und ließ die modularen Klangerzeuger außen vor. Aus dieser Zeit ein weiteres Beispiel für einen typischen Schulze-Sound, eine Kombination aus ellenlangen, dichten Moll-Flächen und spät einsetzenden Sequenzen.
Wie geschrieben, der Output ist riesig. In den 90ern hatte er eine weitere, sehr experimentelle Phase, wo er richtige Opern und Symphonien live improvisierte ('The Dresden Performance', 'Totentag', etc.). Er produzierte Alphaville, bei seinem Album 'Are You Sequenced?' arbeitete er mit Münzing/Anzilotti (u.a. Snap!) zusammen, dann mit Pete Namlook, dann anfang der 00er mit Lisa Gerrard... die Liste ist meterlang.

Sein letztes Album 'Deus Arrakis', welches dieses Jahr nach seinem Tod erschiend, ist übrigens auch eine uneingeschränkte Empfehlung wert.
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von NegatroN »

Ich will jetzt nicht sagen, dass die Jahreszeit und die Stimmung überhaupt keine Rolle spielen. Aber zumindest ist es bei mir keine zentrale. Ich kann aus meinen Playlisten nichts rauslesen, was einen klaren Bezug zur Jahreszeit hätte. Außer, dass ich z.B. die Wintersplatte von Tori Amos tatsächlich nur in der Weihnachtszeit höre. Aber danach wird es dünn. Da höre ich eigentlich im Herbst dieselben Sachen wie das restliche Jahr.
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von OriginOfStorms »

NegatroN hat geschrieben: 29.09.2022 15:12 Ich will jetzt nicht sagen, dass die Jahreszeit und die Stimmung überhaupt keine Rolle spielen. Aber zumindest ist es bei mir keine zentrale. Ich kann aus meinen Playlisten nichts rauslesen, was einen klaren Bezug zur Jahreszeit hätte. Außer, dass ich z.B. die Wintersplatte von Tori Amos tatsächlich nur in der Weihnachtszeit höre. Aber danach wird es dünn. Da höre ich eigentlich im Herbst dieselben Sachen wie das restliche Jahr.
So geht es mir auch. Musik ist von der Laune abhängig. Aber die ist bei mir ziemlich unabhängig von Wetter und Temperaturen. Ich bin sogar im Sommer meist recht gut drauf, auch wenn das Wetter scheiße ist.
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von Apparition »

Mit Tangerine Dream hatte ich vor ein paar Monaten mal angefangen, auch inspiriert von dieser hervorragenden arte-Doku über elektronische Musik (leider nicht mehr online). Natürlich bin ich gleich mit "Phaedra" eingestiegen, aber dasvon bin ich erstmal abgeprallt wie von einer Mauer. Ultra-Ambitioniert, aber ich bin nicht sicher, ob ich da reinkomme. So Musik ganz ohne klassische Songstrukturen ist bei mir manchmal schwierig. Das andere Album war glaube ich Force Majeure, das ging schon besser, war im Vergleich aber auch Easy Listening. *g*
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von logos »

Apparition hat geschrieben: 30.09.2022 08:12 Mit Tangerine Dream hatte ich vor ein paar Monaten mal angefangen, auch inspiriert von dieser hervorragenden arte-Doku über elektronische Musik (leider nicht mehr online). Natürlich bin ich gleich mit "Phaedra" eingestiegen, aber dasvon bin ich erstmal abgeprallt wie von einer Mauer. Ultra-Ambitioniert, aber ich bin nicht sicher, ob ich da reinkomme. So Musik ganz ohne klassische Songstrukturen ist bei mir manchmal schwierig. Das andere Album war glaube ich Force Majeure, das ging schon besser, war im Vergleich aber auch Easy Listening. *g*
Dann probier mal Cyclone, sofern du noch kannst :wink:
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von Deornoth »

Ein toller Thread. Da ich auch zu den Leuten gehöre, die sehr stimmungsabhängig Musik hören, ist das genau mein Ding. Und da dachte ich: ich trage auch mal was bei und stelle ein Stück Musik vor, das mir beim Thema „Herbst und Dunkelheit“ als allererstes in den Sinn kommt. Tatsächlich handelt es sich um ein Album (genauer gesagt: drei Alben), die ich noch gar nicht so lange kenne, die mich aber seit einer Weile extrem faszinieren und die meines Erachtens in den Thread passen wie die Faust auf’s Auge. Denn in den Sommermonaten habe ich sie komplett links liegen gelassen und ich kann mir wirklich nicht vorstellen, sie bei Sonnenschein und 30° zu hören. Aber sobald die Schatten länger werden, gibt es für mich gerade nichts Besseres als:

Mickey Newbury – An American Trilogy

Mickey Newbury ist wohl der archetypische „Songwriter’s Songwriter“: Er hat diverse Hits für andere Leute geschrieben, wurde u. a. von Ray Charles, Roy Orbison, Joan Baez, John Denver oder Keith Richards (und später z. B. auch Steve von Till) gecovert, wird von zahllosen (v.a. Country-)Musikern als Vorbild und Einfluss verehrt – und doch blieb im selbst der kommerzielle Durchbruch stets verwehrt. Obwohl er in den 60ern einen ganzen Schwung Hits für diverse Country-Sänger schrieb, floppte sein eigenes Debütalbum ziemlich gründlich. Und noch schlimmer: Er selbst hasste es. Produziert in typischer Nashville-Manier, zugekitscht und überladen mit Effekten, war es so weit von Newburys Vision entfernt, dass er sich in der Folge aus seinem Vertrag mit RCA herauswand und bei Mercury unterschrieb, wo er sich künstlerische Freiheit zusichern ließ. Zwischen 1969 und 1973 nahm er dann drei Alben auf, die wohl so unkommerziell sind, wie man damals als Country- oder Folk-Musiker nur sein konnte: Looks Like Rain, Frisco Mabel Joy und Heaven Help the Child. 2011 wurden diese dann in einem CD-Box-Set als „American Trilogy“ neu aufgelegt, was durchaus Sinn macht. Denn Newbury hatte die Alben von Anfang an als Trilogie geplant. Entsprechend sind sie sich von Sound und Stimmung sehr ähnlich: entstanden in den winzigen Cinderella Studios, einer umgebauten Garage in einem Vorort von Nashville, sind sie für damalige Verhältnisse geradezu spartanisch instrumentiert, langsam, getragen, und dazu mit diversen ungewöhnlichen Sound-Effekten wie Regen, abfahrenden Zügen oder Glockengeläut sowie diversen Interludes versehen, die die Songs und Alben verbinden und atmosphärisch zusammen halten.

Wenn man eine Vorstellung davon haben möchte, wo die musikalische Reise lang geht, muss man sich eigentlich nur „Write a Song a Song/Angeline“ anhören, den Opener von Looks Like Rain: Mit leisem Glockengeläut geht es los, bevor langsam die Gitarre und Newburys Stimme einsetzen. Und langsam bleibt es die gesamten sieben Minuten lang. Das Tempo würde wohl auch einer Doom-Band zu Ehren reichen. Die Instrumentierung bleibt sparsam, meist hört man nur die Gitarre und Newburys Stimme, nur gelegentlich kommen mal ein paar Streicher oder ein Background-Chor dazu. Refrains, wenn es denn überhaupt welche gibt, werden bestenfalls angedeutet, und überhaupt tut einem Newbury nicht gerade den Gefallen, mit sonderlich markanten Passagen oder catchy Melodien aufzuwarten, die gleich im Ohr hängen blieben. Der Mann hatte auch eine eher unauffällige Stimme, zumindest wenn man sie mit den markanten Reibeisen z. B. eines Johnny Cash oder Willie Nelson vergleicht. Auch einen inhaltlichen Spannungsbogen oder ein richtige „Story“ wie in den Lyrics vieler Country-Songs gibt es hier nicht: Es geht (wie in allen Songs des Albums) um’s Verlassen werden, um gescheiterte Liebe und die Einsamkeit. Im Grunde erzählt einem Mickey Newbury hier sieben Minuten lang, wie traurig er gerade ist. Aber wie er das macht! Irgendwie entsteht aus Newburys Stimme, der verhaltenen Instrumentierung und den traurigen Worten eine ganz eigene, einzigartige Atmosphäre: wunderschön doch niemals kitschig, und gleichzeitig so unmittelbar und greifbar, als würde der Mann direkt neben einem stehen. Und genau daraus entsteht für mich die enorme Faszination dieses Songs und Albums: Man hat das Gefühl, diese Traurigkeit mit jeder Note zu fühlen, die Einsamkeit ist geradezu physisch greifbar. Wie nur wenige Künstler schafft es Mickey Newbury bei mir, eine Stimmung zu erzeugen und ein bestimmtes Gefühl zu vermitteln: Von Einsamkeit, Traurigkeit und tiefer Melancholie. Und obwohl der Song so wenig vordergründig Einprägsames enthält, vermag er mich mit dieser Stimmung zu fesseln, zu faszinieren und die gesamte Länge über bei der Stange zu halten. Und damit ihr das nicht nur mir glauben müsst, zitiere ich jetzt einfach mal den großen Townes van Zandt (Quelle: Wikipedia): „I can't really call it 'explain' but I'd tried to tell Jeanene [Van Zandt's wife] about the sound of Mickey's voice and [guitar]. It's hard; you can't do it. It's like from outer space. I've heard about people trying to explain a color to a blind person... There's no way to do it.“
Wer mit diesem ersten Song nicht viel anfangen kann, der braucht dann eigentlich auch nicht weiter zu hören. Denn eins muss man zugeben: Mit Abwechslung ist hier nicht viel. Die restlichen Songs des Albums ließen sich eigentlich genauso beschreiben wie der Opener. Lediglich „T. Total Tommy“, die vierte der sieben Nummern, ist mit seinem etwas höheren Tempo und geradezu catchy Refrain ein kleiner Ausreißer. In der zweiten Albumhälfte ist mit „San Francisco Mabel Joy“ dann auch einer von Newburys bekanntesten Songs enthalten: Eine ohne Refrain durcherzählte Ballade ohne Happy End, die vielleicht noch am ehesten in der klassischen Country-Storyteller-Tradition steht.
Album Nr. Zwei, Frisco Mabel Joy, ist einen Ticken reichhaltiger instrumentiert als Looks Like Rain. Die Streicher und Backgroundchöre tragen ein wenig dicker auf und alles ist nicht mehr ganz so spartanisch. Ich mag Looks Like Rain deshalb ein bisschen lieber, aber natürlich ist das Album trotzdem noch verdammt gut. Songs wie „The Future’s Not What It Used To Be“ oder „Frisco Depot“ triefen wieder nur so vor Weltschmerz und Melancholie und mit „Mobile Depot“ oder „How I Love Them Old Songs“ gibt’s diesmal auch ein bisschen Abwechslung in Form von ein paar flotteren Nummern. Ein kleiner Ausreißer nach unten ist für mich allerdings der Opener, die titelgebende „American Trilogy“. Hierbei handelt es sich um ein neu arrangiertes Medley aus drei auf den ersten Blick widersprüchlichen Songs: „Dixie“ war im Bürgerkrieg die inoffizielle Hymne der Südstaaten, die „Battle Hymn of the Republic“ ihr Gegenstück in den Nordstaaten und „All my Trials“ ein bahamaisches Volkslied, das damals vor allem als sinnbildlich für afroamerikanische Kultur und Geschichte betrachtet wurde. Damit lehnte sich Newbury natürlich recht weit aus dem Fenster, denn gerade in den Südstaaten sah und sieht man Verbrüderungsszenarien ja nicht immer gerne. Ein Hit wurde das Ding trotzdem, vor allem nachdem Elvis Presley die „Trilogy“ coverte und fortan als Rausschmeißer bei all seinen Konzerten spielte (und ja, auch Manowar haben die Nummer mal verwurstet). Indes, bei allem Respekt für die gute Absicht: Die Nummer ist schon ziemlich kitschig geraten. Zum Glück kann der Rest des Albums ziemlich viel.
Album Nr. Drei, Heaven Help the Child setzt die Entwicklung dann recht nahtlos fort und ist noch ein bisschen (for want of a better word) „poppiger“ als Frisco Mabel Joy. Macht aber nix, solange immer noch Wahnsinnssongs wie „Cortelia Clark“ dabei rumkommen. Ein würdiger Abschluss einer außergewöhnlichen Album-Reihe. Leider ist die CD-Box mittlerweile out of print. Ich hab meine jüngst bei Discogs zu einem okayen Kurs geschossen, teilweise werden aber auch ziemliche Mondpreise aufgerufen.

Hier noch "Cortelia Clark":
Fun Fact: Cinderella Studios wird bis heute von seinem Gründer Wayne Moss betrieben, ist damit das älteste unabhängige Tonstudio Nashvilles und sah im Laufe der Zeit Künstler wie Steve Miller, Linda Ronstadt, Moby oder Chet Atkins. Das Studio befindet sich noch immer in Moss‘ ehemaliger Garage.
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Re: When Shadows Grow Longer - Musik für die dunkle Jahreshälfte

Beitrag von MetalEschi »

Der Name ist mir schon ein paar Mal untergekommen, weil der in diversen Best Ever-Listen immer mal auftaucht. Die Platten von ihm sind aber kaum erschwinglich zu bekommen, zumindest war das so, als ich zuletzt geschaut habe.
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