Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

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Alphex
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Alphex »

Rivers hat geschrieben: 11.01.2021 13:14Nee, verstehe ich auch nicht ganz. *g* Soweit ich das richtig verstehe ist Parler weg, weil die Cloud-Anbieter es ablehnen, die Daten und Dienste weiter über ihre Plattformen zu hosten: Also Speicherplatz, Web-/Applikationserver bereitzustellen. Damit kannst Du die Apps nicht mehr nutzen und die Seite ist down. Das haben die nicht gemacht, weil die in die Docker-Images reingeschaut haben. Das haben die gemacht, weil denen gesagt wurde: Besser mal Parler runterfahren. Die haben in den AGBs sicherlich drin, dass man keine Anschläge auf das Capitol machen darf. Aber Möglichkeiten, thematisch in die Apps reinzuschauen haben die wohl nicht. Ich gehe davon aus, die schalten Parler ab, indem die vom AWS Account von Parler auf die verknüpften Hardware-Instanzen zurückschließen. Nicht inhaltlich.

Und Amazon z.B. wird es relativ egal sein, ob sie die Infrastruktur eines Messengers hosten, oder die Bundes-Job-Schichtenorganisation. Wenn der Messenger abgeschaltet wird, hat das ja nichts mit dem anderen Anwendungen zu tun, die da in der Cloud laufen und die laufen ja weiterhin.

Und niemand wird Amazon abschalten, nur weil die Parler gehostet haben. Soweit ist das Recht IMO nicht.
Ich hatte "private Provider" von Schnabel jetzt auf die Betreiber der Platformen selbst bezogen, also nicht auf die Hoster. Dachte, ihm ginge es um industrieseitige Lösungen seitens der Anbieter.
"Wenn man in der Metalszene unterwegs ist, dann bekommt man quasi NIE politische Statements zu hören. Auch deswegen liebe ich diese Szene so. Politik ist dort nunmal kein Thema. Fast schon ein Tabuthema."
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Hyronimus
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Hyronimus »

Das Staats-Twitter dürfte man also weiter nutzen, nachdem man den Sturm auf den Reichstag darüber geplant hat? :kratz:
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Alphex
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Alphex »

Hyronimus hat geschrieben: 11.01.2021 13:32 Das Staats-Twitter dürfte man also weiter nutzen, nachdem man den Sturm auf den Reichstag darüber geplant hat? :kratz:
Nein, aber das Staats-Twitter wäre gar nicht für sowas da.
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KingFear
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von KingFear »

Rivers hat geschrieben: 11.01.2021 13:14Nee, verstehe ich auch nicht ganz. *g* Soweit ich das richtig verstehe ist Parler weg, weil die Cloud-Anbieter es ablehnen, die Daten und Dienste weiter über ihre Plattformen zu hosten: Also Speicherplatz, Web-/Applikationserver bereitzustellen. Damit kannst Du die Apps nicht mehr nutzen und die Seite ist down. Das haben die nicht gemacht, weil die in die Docker-Images reingeschaut haben. Das haben die gemacht, weil denen gesagt wurde: Besser mal Parler runterfahren. Die haben in den AGBs sicherlich drin, dass man keine Anschläge auf das Capitol machen darf. Aber Möglichkeiten, thematisch in die Apps reinzuschauen haben die wohl nicht. Ich gehe davon aus, die schalten Parler ab, indem die vom AWS Account von Parler auf die verknüpften Hardware-Instanzen zurückschließen. Nicht inhaltlich.

Und Amazon z.B. wird es relativ egal sein, ob sie die Infrastruktur eines Messengers hosten, oder die Bundes-Job-Schichtenorganisation. Wenn der Messenger abgeschaltet wird, hat das ja nichts mit dem anderen Anwendungen zu tun, die da in der Cloud laufen und die laufen ja weiterhin.

Und niemand wird Amazon abschalten, nur weil die Parler gehostet haben. Soweit ist das Recht IMO nicht.
Ich weiß, ich mach hier kaum mehr was anderes, als Links zu Twitter zu posten, aber die sind halt schneller als das RHF *g*. Wen's nervt, setzt mich auf Ignore. Jedenfalls: https://twitter.com/QuinnyPig/status/13 ... 6019771392 (Vorsicht, Rivers, langer Thread!)

Und wer genau soll AWS denn gesagt haben, besser mal Parler runterzufahren?
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Rivers
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Rivers »

KingFear hat geschrieben: 11.01.2021 15:27
Rivers hat geschrieben: 11.01.2021 13:14Nee, verstehe ich auch nicht ganz. *g* Soweit ich das richtig verstehe ist Parler weg, weil die Cloud-Anbieter es ablehnen, die Daten und Dienste weiter über ihre Plattformen zu hosten: Also Speicherplatz, Web-/Applikationserver bereitzustellen. Damit kannst Du die Apps nicht mehr nutzen und die Seite ist down. Das haben die nicht gemacht, weil die in die Docker-Images reingeschaut haben. Das haben die gemacht, weil denen gesagt wurde: Besser mal Parler runterfahren. Die haben in den AGBs sicherlich drin, dass man keine Anschläge auf das Capitol machen darf. Aber Möglichkeiten, thematisch in die Apps reinzuschauen haben die wohl nicht. Ich gehe davon aus, die schalten Parler ab, indem die vom AWS Account von Parler auf die verknüpften Hardware-Instanzen zurückschließen. Nicht inhaltlich.

Und Amazon z.B. wird es relativ egal sein, ob sie die Infrastruktur eines Messengers hosten, oder die Bundes-Job-Schichtenorganisation. Wenn der Messenger abgeschaltet wird, hat das ja nichts mit dem anderen Anwendungen zu tun, die da in der Cloud laufen und die laufen ja weiterhin.

Und niemand wird Amazon abschalten, nur weil die Parler gehostet haben. Soweit ist das Recht IMO nicht.
Ich weiß, ich mach hier kaum mehr was anderes, als Links zu Twitter zu posten, aber die sind halt schneller als das RHF *g*. Wen's nervt, setzt mich auf Ignore. Jedenfalls: https://twitter.com/QuinnyPig/status/13 ... 6019771392 (Vorsicht, Rivers, langer Thread!)

Und wer genau soll AWS denn gesagt haben, besser mal Parler runterzufahren?
Geht schon. :prost: Interessanter Thread, der ja aber auch nur sagt: wenn Du nur ein paar Stunden Karenz hast, deine Infrastruktur wieder abzubauen (edit: unter anderem die Daten Deiner Anwendungen rauszuziehen), reicht das meistens nicht. Kann ich mir vorstellen.

Wer AWS das gesagt hat, weiß ich nicht. Aber dass sie es gemacht haben. Vielleicht haben sie mal in ihre AGBs geschaut und mit dem verglichen was Parler so macht. Vielleicht hat es ihnen jemand anders gesagt.
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leffas
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von leffas »

Schnabelrock hat geschrieben: 11.01.2021 11:58 Parler ist jetzt komplett offline, da es keinen Host mehr gibt. Nach der teils sehr intensiven Diskussion um das NetzDurchG geht imo die eindeutige - und richtige - Tendenz dahin, dass der Staat es schon aus Kapazitätsgründen gar nicht schaffen kann, das Netz von wenigstens den schlimmsten Ausflüssen freizuhalten und in der Hinsicht gerade private Provider mehr tun müssen.
Als Jurist hast du da u.U. eine etwas andere Sichtweise, aber ... ich fand das Netzwerkdurchsetzungsgesetz schon bedenklich, weil es, überspitzt formuliert, die Auslagerung von Zensur bzw. eine Einschränkung der Meinungsfreiheit bedeutet. Die Gesellschaft bemerkt den etwas schärferen Ton allgemein und in den sozialen Netzwerken im Speziellen; also schreibt Gesetzgeber ein Gesetz, das sich (etwas schwammig) um Hasskriminalität etc. dreht. Dem Staat ist es aber zu heikel, weil der da u.U. in die Meinungsfreiheit eingreifen und es im Zweifel zu lange dauern könnte, bis strafrechtlich relevante Inhalten entfernt/gesperrt werden. Nur: wer entscheidet normalerweise, was illegal ist? Hierzulande am Ende doch die Gerichte, oder? Wenn man nun aber in jenem Gesetz einfach den Auftrag an die Betreiber der Plattformen weiterreicht, entgeht man dem Vorwurf der Zensur etc. und zieht sich auf den Standpunkt zurück, dass das deren Hausrecht bzw. AGB sind, und nach denen können die tun und lassen, was sie wollen. Rechtsweg? Gibts nicht, es hat ja schließlich niemand das Recht, dass seine Inhalte (ob nun strafrechtlich relevant oder nicht) auf deren Plattformen veröffentlicht werden. Und wenn dann Unternehmen eine Aufgabe übernehmen, die eigentlich, wie du selbst andeutest, dem Staat "zusteht", ist das imo einerseits ein Armutszeugnis und andererseits mehr als bedenklich.

Ich will da Trump oder die Parler-Plattform bzw. deren Nutzer und Inhalte gar nicht verteidigen, nur ... es geht ums Prinzip, und das haben ein paar Prominentere auch schon bemerkt. Beispiele?

Edward Snowden: https://twitter.com/Snowden/status/1347224002671108098
Facebook officially silences the President of the United States. For better or worse, this will be remembered as a turning point in the battle for control over digital speech.

I know a lot of folks in the comments read this are like "YAAAAS," which, like—I get it. But imagine for a moment a world that exists for more than the next 13 days, and this becomes a milestone that will endure.
Oder Nawalny: https://twitter.com/navalny/status/1347969772177264644

(oder auf deutsch bei der Bild, ja, ich weiß, aber mei...): https://www.bild.de/politik/ausland/pol ... .bild.html
1. I think that the ban of Donald Trump on Twitter is an unacceptable act of censorship (THREAD)

2. Of course, during his time in the office, Trump has been writing and saying very irresponsible things. And paid for it by not getting re-elected for a second term.

3. The election is a straightforward and competitive process. You can participate in it, you can appeal against the results, they're being monitored by millions of people. The ban on Twitter is a decision of people we don't know in accordance with a procedure we don't know.

4. In my opinion, the decision to ban Trump was based on emotions and personal political preferences.

5. Don't tell me he was banned for violating Twitter rules. I get death threats here every day for many years, and Twitter doesn't ban anyone (not that I ask for it).

6. Among the people who have Twitter accounts are cold-blooded murderers (Putin or Maduro) and liars and thieves (Medvedev). For many years, Twitter, Facebook and Instagram have been used as a base for Putin's "troll factory" and similar groups from other authoritarian countries

7. Those who denied COVID-19 exist freely and communicate on Twitter. Their words have cost thousands of lives. And yet, it was Trump who got banned publicly and ostentatiously. Such selectivity indicates that this was an act of censorship.

8. Of course, Twitter is a private company, but we have seen many examples in Russian and China of such private companies becoming the state's best friends and the enablers when it comes to censorship.

9. If you replace "Trump" with "Navalny" in today's discussion, you will get an 80% accurate Kremlin's answer as to why my name can't be mentioned on Russian TV and I shouldn't be allowed to participate in any elections.

10. This precedent will be exploited by the enemies of freedom of speech around the world. In Russia as well. Every time when they need to silence someone, they will say: 'this is just common practice, even Trump got blocked on Twitter'.

11. If @twitter and @jack want to do things right, they need to create some sort of a committee that can make such decisions. We need to know the names of the members of this committee, understand how it works, how its members vote and how we can appeal against their decisions.
Selbst Mutti Merkel findet es plötzlich nicht mehr gut - mei, das Gesetz war halt irgendwie gegen Rechte gedacht, aber dass das plötzlich auch Politiker treffen kann, das konnte ja keiner ahnen!!!!!! Ehrlich nicht!

Selbst wenn man die Sperre von Trump oder das Abschalten von Parler gutheißt... ist man dann konsequent? Müsste man dann, wie Nawalny sagt, nicht mehr Leute sperren? Wieso passiert das nicht? Oder machen da nicht die richtigen "Gruppen" Druck? Wie siehts mit WhatsApp oder Facebook aus? Sollten die nicht anfangen, sich proaktiv in alle möglichen Gruppen, Chats etc. einzuklinken (Hallooooo, Hintertür...) und diese im Zweifelsfall (ohne Gerichte, ohne Rechtsweg o.ä.) zu entfernen, und nicht erst auf Zuruf? Nationalsozialistische oder kommunistische Inhalte gibts da genug. Gleich die Plattformen dichtmachen?

Und selbst wenn Amazon diese Parler-App nicht mehr hostet, zieht die App dann halt zu einem anderen Anbieter um. Dauert ein bisschen, aber "Cloud" gibts reichlich. Oder sie stellen eigene Server bei einem Hoster auf. Wird dann der Hoster genötigt, die Server abzuschalten? Was passiert, wenn die Anbieter irgendwohin ziehen, wo sich keiner um das NetzDG und seine internationalen Pendants kümmert?

edith sagt: fefe stochert mit den Fingern in derselben Wunde rum - https://blog.fefe.de/?ts=a1058aa1
Google, Apple und Amazon haben "Parler" aus dem App Store geworfen. Was ist Parler? Eine Chat-App.
Wieso würden Google und co eine Chat-App rausschmeißen? Gibt es da nicht Dutzende von?

Parler schreibt sich Zensurfreiheit auf die Fahnen und zieht daher Leute an, die anderswo rausgeflogen sind.

Bei Apple kennt man das ja, dass die sich für die Vorzensur der Inhalte in Apps von Dritten für zuständig halten, die wollen ja auch keine Pornos und Glücksspiel-Apps im Store. Aber Android hatte bisher kein Problem mit Pornos undGlücksspiel in ihrem Store.

Weder Google noch Apple haben Telegram rausgeschmissen, die sich ja auch gezielt an Leute richten, die anderswo rausgeflogen sind.

Wir leben zunehmend in einer Welt, in der uns die Megacorps vor Gefahren "beschützen", die sie häufig selbst verursacht haben. Microsoft gibt euch einen Antivirus, die Verlage schützen euch vor Fake News, die Politik beschützt euch vor "Extremisten", die sozialen Netze beschützen euch vor Hate Speech, Visa beschützt euch vor Wikileaks und Mastercard beschützt euch vor Pornhub. Google und Apple beschützen euch vor bösen Apps.

Und jetzt halt auch: Google und Apple beschützen euch vor Apps, die euch Dinge anzeigen, die Google und Apple für anstößig halten.

Ich frage mich, wie lange das noch dauert, bevor die keine Webbrowser mehr ausliefern, weil man damit zu viele gefährliche Inhalte sehen kann. Wobei, dafür beschützt uns ja die Düsseldorfer DNS-Sperre!1!!

Irgendwie wird die Bedeutung des Wortes Freiheit immer geringer während meiner Lebenszeit. Früher sind Kinder noch zum spielen in den Wald gelaufen. Alleine.

Heute heißt Freiheit, dass du dir aussuchen kannst, für welchen rechten Flügel der CDU du bei der Wahl stimmst.

Ich meine, das ist ja eine legitime Debatte, die man mal führen kann. Wollen wir lieber Freiheit, dann halt auch verbunden mit Risiken? Oder wollen wir lieber gepolsterte Wände an unserer Gummizelle, dafür aber Null Risiko. Essen kommt von Lieferando, Strom kommt aus der Dose, der Müll wird abgeholt, und wohin das Klo abfließt weiß niemand.

Hab ich persönlich ja kein Problem mit, wenn die Leute da draußen lieber in einer Zwangsjacke sediert in der Ecke liegen wollen. Aber nehmt dann nicht das Wort "Freiheit" in den Mund.
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Alphex
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Alphex »

Naja, Trump ist von Twitter geflogen als es, wie Fefe auch schreibt, wirklich Tote gab in Folge seiner Ansagen. Das würde ich losgelöst von der Parler-Geschichte sehen.
"Wenn man in der Metalszene unterwegs ist, dann bekommt man quasi NIE politische Statements zu hören. Auch deswegen liebe ich diese Szene so. Politik ist dort nunmal kein Thema. Fast schon ein Tabuthema."
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von NegatroN »

Ich bin da hin- und hergerissen. Dass ich es für extrem ungut halte, wenn Konzerne hier die Entscheidungen treffen (müssen), hab ich schon mehrfach geschrieben. Ich gehe da bei fast allen Argumenten mit, die genannt werden.

Andererseits waren die Tweets von Trump (und vielen anderen Gesperrten) ja tatsächlich massivst problematisch und haben großen gesellschaftlichen Schaden angerichtet.

Natürlich wäre es Aufgabe des Staates, das zu regeln. Aber welches Staates? Und nach wessen Regeln? Nach US-Recht? Dann wären sehr wahrscheinlich kein einziger wegen Hassrede gesperrt worden. Dafür etliche wegen nackter Haut. Und sollen US-Behörden sich um Tweets in Europa kümmern? Sind dann Trump-kritische Postings noch erlaubt?

Eigentlich bräuchte es eine internationale Behörde mit internationalen Regeln und Rechtsweg. Aber wenn es die jemals geben sollte, dann nicht in absehbarer Zeit.

Was machen wir bis dahin? Ich hab da keine Antwort drauf. Aktuell hab ich weniger Bauchschmerzen wegen der Zensur als wegen des Schadens, den extremistische Agitatoren wie Trump anrichten.
Aber ob ich das in 5 Jahren immer noch so sehen werde ob sich das dann als böser Fehler erwiesen haben wird, kann ich beim besten Willen nicht sagen.
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We want to see the fire
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von borsti »

NegatroN hat geschrieben: 11.01.2021 22:20 Ich bin da hin- und hergerissen. Dass ich es für extrem ungut halte, wenn Konzerne hier die Entscheidungen treffen (müssen), hab ich schon mehrfach geschrieben. Ich gehe da bei fast allen Argumenten mit, die genannt werden.

Andererseits waren die Tweets von Trump (und vielen anderen Gesperrten) ja tatsächlich massivst problematisch und haben großen gesellschaftlichen Schaden angerichtet.
Aber das waren sie auch schon vor letztem Mittwoch. Twitter, Facebook, Apple, Google und Co. hatten jahrelang offenbar gar kein Problem mit Hasskommentaren und den Plattformen, die sie verbreiten - und scheinen es im Hinblick auf andere User und Apps auch weiterhin nicht zu haben. Die Sperren und Rauswürfe jetzt sind vor dem Hintergrund doch nix als eine Image-Kampagne, mit der man zeigen will, dass man auf der richtigen Seite steht.

In einem Paralleluniversum, in dem Trump im Wortlaut die gleiche Rede gehalten hat, das Kapitol aber anschließend nicht gestürmt wurde, twittert er munter weiter und auf Parler dürfen sich weiterhin Verschwörungsexperten und militante Extremisten austauschen - kostenlos im App Store und auf Google Play.

Kapitalgesellschaften sind als Hüter von Rechten und Werten ungeeignet, sofern es sich nicht um die Werte von Aktienkursen handelt.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Rivers »

borsti hat geschrieben: 12.01.2021 01:11
NegatroN hat geschrieben: 11.01.2021 22:20 Ich bin da hin- und hergerissen. Dass ich es für extrem ungut halte, wenn Konzerne hier die Entscheidungen treffen (müssen), hab ich schon mehrfach geschrieben. Ich gehe da bei fast allen Argumenten mit, die genannt werden.

Andererseits waren die Tweets von Trump (und vielen anderen Gesperrten) ja tatsächlich massivst problematisch und haben großen gesellschaftlichen Schaden angerichtet.
Aber das waren sie auch schon vor letztem Mittwoch. Twitter, Facebook, Apple, Google und Co. hatten jahrelang offenbar gar kein Problem mit Hasskommentaren und den Plattformen, die sie verbreiten - und scheinen es im Hinblick auf andere User und Apps auch weiterhin nicht zu haben. Die Sperren und Rauswürfe jetzt sind vor dem Hintergrund doch nix als eine Image-Kampagne, mit der man zeigen will, dass man auf der richtigen Seite steht.

In einem Paralleluniversum, in dem Trump im Wortlaut die gleiche Rede gehalten hat, das Kapitol aber anschließend nicht gestürmt wurde, twittert er munter weiter und auf Parler dürfen sich weiterhin Verschwörungsexperten und militante Extremisten austauschen - kostenlos im App Store und auf Google Play.

Kapitalgesellschaften sind als Hüter von Rechten und Werten ungeeignet, sofern es sich nicht um die Werte von Aktienkursen handelt.
Der letzte Satz stimmt wohl und da darf man jetzt auch nicht erwarten, dass das anders läuft. Es geht erstmal ums Geld scheffeln und auf einen Teil der Einnahmen verzichten, nur weil es Arschlöcher sind, will keiner.

Trump als Fallbeispiel ist schon speziell. Er war ja Präsident und er hat sich halt Twitter ausgesucht für den Quatsch den der so verzapft hat ausgesucht hat. Den Präsidenten einfach so zu blocken haben sie sich nicht getraut. Die Abwägung ist ja auch nicht so einfach, weil man damit sehr viel ablehnt, was auf Basis freier Wahlen und Amerika und pipapo basiert. Aber die ersten Aktionen fingen ja schon an, als klar war dass er abgewählt wird. Ich kann mir da schon vorstellen, dass Du dann auf einmal Leute auf der Matte stehen hast, die Du nicht da stehen haben möchtest, von Lobbyisten zu Steuer-Eintreibern bis hin zu Anwälten.

Es wäre aber sicherlich für viele viele Menschen sehr tröstlich gewesen, wenn Twitter da früher eingeschritten wäre. Die haben da schon einiges an Macht, mit der sie da rumspielen.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von metalbart »

Wir erleben jetzt quasi live wie sich Real Life und Digitales vermischen. Parler und Trump sind jetzt halt wirklich in der Position, dass sie nur mit ein paar Kommentaren die Demokratie schädigen können.
In der Lage sehe ich jetzt irgendwelche Kommunisten nicht. (Ja blöde Nazi Keule halt *g*)
Klar ist aber auch, wenn so etwas in der linken Ecke passieren würde, müsste da genauso reagiert werden. Dass der Staat da massiv reagiert, zeigt zum Beispiel Indymedia.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von oger »

Passt gerade so schön dazu:
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Rivers »

oger hat geschrieben: 12.01.2021 16:10 Passt gerade so schön dazu:
*lol*
Es trifft keine Falschen. :D
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von cpoetter »

Wie andere hier auch bin ich hin und her gerissen, ob und was Kanäle wie Twitter oder Facebook unternehmen sollten.

Einer der ersten Gedanken war, dass man Twitter und Co. den Status von internationalen Nachrichtenkanälen verleiht, für die ein wie auch immer geartetes internationales Recht gilt.
Probleme:
  • Wer verhandelt dieses Recht? Was ist auf diesen Kanälen erlaubt? Denn womöglich muss man dann auch Recht und/oder Interessen von Staaten wie China, Saudi Arabien,... berücksichtigen. Im Endeffekt wäre so gut wie nichts mehr dort erlaubt.
  • Welche Kanäle oder Plattformen bekommen dieses Recht? Woran macht man das fest? Anzahl der Accounts? Was ist z.B. mit Plattformen in China, die eigentlich nur dort Nutzer*innen haben, aber riesig sind?
Das kann es m.E. nicht sein. Tatsache ist doch schlicht und ergreifend, dass alle Nutzer*innen diesen Plattformen freiwillig beigetreten sind. Im Idealfall haben sie die ellenlangen AGBs gelesen und verstanden und waren sich bewusst darüber, dass es sich um (meistens) US-Unternehmen handelt und dort neben den AGBs noch das dortige nationale Recht gilt.

Eigentlich kann alles nur mehr oder weniger so bleiben wie es ist: US-Unternehmen, US-Recht, AGBs. Ihre AGBs müssten sie halt ohne Ansehen von Personen konsequenter durchsetzen. Da gilt es Regeln zu finden. M.E. wird das nicht automatisiert und durch Software zu regeln sein, es muss ein Mensch auf problematische Fälle schauen. Aufgrund der Masse an Accounts wird das aber nur möglich sein, wenn Verstöße gemeldet werden, d.h. es werden auch eine Menge Verstöße unter dem Radar bleiben.

Ein wenig am Rande und unabhängig davon sei darauf hingewiesen, dass Twitter zumindest in der Vergangenheit auch rechtlich für seine Nutzer*innen gekämpft und sich erheblich mit den US-Behörden angelegt hat. Das prominenteste Beispiel ist wohl aus dem Jahr 2011 und Wikileaks. Kann man kurz u.a. bei der NY Times und/oder Wired nachlesen:
https://www.nytimes.com/2011/01/09/world/09wiki.html
https://www.wired.com/2011/01/twitter-2/
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Apparition
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 3

Beitrag von Apparition »

Mich interessiert an der Diskussion der Aspekt gesellschaftliche Verantwortung.

Wir sprechen oft davon, dass es gegen autoritäre/totalitäre/faschistische Tendenzen eine gesamtgesellschaftliche Front, oder zumindest ein Bewusstsein geben sollte. Ich persönlich glaube, dass Unternehmen ein Teil der Gesellschaft sind, ebenso wie Einzelpersonen, Stiftungen, Vereine etc. Wenn wir von gesamtgesellschaftlicher Verantwortung zum Schutz der Demokratie reden, sollten Unternehmen und Konzerne einen Beitrag leisten. Man kann sich natürlich fragen, ob das beim Thema Hate Speech und Volksverhetzung auch so ist.

Vielleicht hilft ein Blick in einen anderen Bereich. Viele von uns erwarten heute, dass Unternehmen gewisse soziale und Umweltstandards einhalten, weil wir Umweltschäden und Ausbeutung nicht akzeptabel finden. Meinem Eindruck nach ist der Druck auf Unternehmen inzwischen durchaus signifikant, sich von Partnern, Subunternehmern und Zulieferern zu trennen, wenn sie diese Standards nicht einhalten. Zumindest sorgt das für mediale Aufregung. Es gibt einen Konsens, dass Unternehmen Verantwortung zu übernehmen haben. Ich sehe erstmal nicht, warum das im Bereich der Verbreitung von Lügen und Aufhetzung anders sein sollte. Es betrifft halt andere Unternehmen.

Man kann natürlich fragen, ob die Beschneidung von Redefreiheit (nicht: Meinungsfreiheit) zum Demokratieschutz anders zu bewerten ist als die Beschneidung unternehmerischer Freiheit zum Umwelt- und Menschenschutz. Ich bin da noch nicht sicher. Tendenziell würde ich schon sagen dass das ein sensiblerer Bereich ist, aber ein Ausweg könnte sein, verbindliche Standards zu definieren, was geht und was nicht. Im Bereich Umwelt- und Sozialstandards gibt es ja bspw. diverse Qualitätssiegel, die Standards festlegen. Von denen und ihrer Umsetzung kann man nun halten was man will, aber es zeigt, dass das prinzipiell geht. Allerdings müsste dafür öffentlicher Druck her, den ich momentan noch nicht in ausreichendem Maß sehe.
That is delightful news for someone who cares.
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