Peter Gabriel - Melt (1980): Hans plays with Lotti, Lotti plays with Jane

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Re: Peter Gabriel - Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Quertreiber »

Peter Gabriel - die Alben. Endlich.
Das Leben war real.

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MetalEschi
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Re: Peter Gabriel - Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von MetalEschi »

Sambora hat geschrieben: 20.04.2020 20:20 Gute Gedanken zu Collins.

Gerade die ersten beiden Soloalben sind Weltklasse und wer nicht begreift, dass "In the air tonight" einer der besten Songs aller Zeiten ist, gehe halt und höre Grave Digger! :D
Einzelne Songs von Solo-Phil sind schon gut, und In the Air Tonight gehört dazu. Auf den Alben hat er auf den Songs abseits der Singles aber diese nervige, quantitativ völlig überrepräsentierte Dauer-Tröte, die nach zwei Minuten kein Mensch mehr erträgt. Tatsächlich einer der ganz wenigen Künstler, bei denen mit die Best Of mehr bringt als die regulären Alben.
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Apparition
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Re: Peter Gabriel - Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Apparition »

Ich hab und kenne nur die erste, darum bin ich hier gespannt wie ein Flitzebogen.
That is delightful news for someone who cares.
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Porcupine
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Re: Peter Gabriel - Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Porcupine »

Wer Biko nicht kennt, tut mir leid.
Ändert das!
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Re: Peter Gabriel - Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Perry Rhodan »

Sambora hat geschrieben: 20.04.2020 20:20 Gute Gedanken zu Collins.

Gerade die ersten beiden Soloalben sind Weltklasse und wer nicht begreift, dass "In the air tonight" einer der besten Songs aller Zeiten ist, gehe halt und höre Grave Digger! :D
Die ersten beiden Alben von P. Collins sind wirklich gut bis sehr gut. Bis auf den Song `You can`t hurry love`. Aber es geht ja um Peter.
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Re: Peter Gabriel - Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von logos »

"Eigene Platzierung wieder raus genommen und für später vorgemerkt, wenn alle Alben durch sind."
"Wenn man jemanden einfach so ohne Grund scheiße findet, sollte man vielleicht mal mit ihm reden. Oft findet man dann noch mehrere Gründe", Klaus K.
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Rivers
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Re: Peter Gabriel - Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Rivers »

Peter Gabriel: s/t ("Car", 1977)

Cover: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... r_art).jpg

Das selbst-betitelte erste Album von Gabriel. Mit dem sehr schönen Cover, bei dem das blaue Auto (daher auch der inoffizielle Name des Albums) sehr scharf ist und Gabriel selbst relativ verwaschen, irgendwo rechts oben, hinter der nassen Windschutzscheibe sich mit geschlossenen Augen versteckt hält. Im Inlay der Platte sieht man, wie er sehr helle Kontaktlinsen trägt, was einen schönen Horror-Effekt erzielt. Wiederum eine Maske, ähnlich seinen Verkleidungen bei Genesis, nur etwas minimaler. Es sollte bis "So" in den 80ern dauern, bis er das Versteck- und Verzerrspiel seiner Cover dann sein lassen sollte. Bis dahin heißen alle 4 Alben einfach Peter Gabriel und sollten wie die Kapitel eines Buchs wirken (Exkurs, mal wieder Collins: Während dieser auf seinen ersten vier Alben simpelst sein Gesicht in die Kamera hält, mal frontal, mal quer, mal verschwitzt, mal schräg, versteckt sich Gabriel hinter Autoglas, zerkratzt sein Konterfei, lässt es in einem Schmelz-Effekt verfremden oder trägt eine Einbrechermaske in einem verzerrten Security-Kamera Bild.)

Das Album ist bestimmt vom Wunsch nach der Befreiung vom Genesis Raster (es gibt kaum lange Songs, dafür Blues, Trittitoppiquatschmusik, Rock-Schmachtfetzen, Funky-Disko-Glam). Den eigenen Ideen sind da wohl keine Grenzen gesetzt, er will die Musik machen, die ihm im Kopf rumschwebt und manchmal erinnert es an die wüste Mischung von Queens A Night At The Opera, hat aber natürlich völlig andere Einflüsse.

Von einem Konzeptalbum wie "The Lamb lies down on brodway" kommend, mit einem weiteren Konzeptalbum ("Mozo") im Hinterkopf, einer kurzen musikalischen Zusammenarbeit mit einem britischen Comedian, sehr beeindruckt von Bruce Springsteen und einer Cover-Version von Beatles' "Strawberry Fields Forever" für einen Soundtrack im Köcher, nahm Gabriel 1976 schließlich sein Debüt Album auf.

Die ersten Proben zum Album begannen wohl schon 1975/1976 und wurden u.a. mit den ehemaligen Genesis Mitmusikern Rutherford, Collins, Philipps zusammengestellt. Da gab es wohl schon "Here Comes The Flood" und einige andere Songs, die es aber nicht auf das Debüt geschafft haben.

Als Produzent suchte sich Gabriel seltsamerweise Bob Ezrin aus, der zwar an Lou Reeds "Berlin" mitgearbeitet hatte, uns aber wohl eher von der Produktion von Kiss' Destroyer Album, verschiedenen Alice Cooper Alben und später dann Pink Floyds The Wall Album bekannt ist. Ezrin wählte wohl die meisten Musiker aus, die als Session-Musiker bekannt waren, u.a. Tony Levin. Gabriel bat Robert Fripp von ehemals King Crimson dazu und Larry Fast, der bis zu "So" mit Gabriel zusammenarbeiten sollte.

Begonnen wurde dann richtig Ende 1976 und am 25. Februar 1977 erschien das Album dann. Gabriel war da gerade mal 27 Jahre alt.



Zu den Songs:

Moribund the Burgermeister

Die seltsam daherzuwankenden ersten Töne explodieren regelrecht in eine orchestrale Bride, ehe es ein erschreckend gegrunztes "I will find out" als Post-Refrain gibt. Das Erste was man also vom heiß erwarteten Debüt hört ist eine verschwurbelte Reminiszenz an Genesis, bei der Gabriel mit seinem Gesang wieder mal in verschiedene Rollen schlüpft.

Worum es im Text geht: Keine Ahnung. Mag vielleicht jemand anders was zu sagen, was der Bürgermeister da nun so ist oder tut.


Solsbury Hill

Größer könnte der Unterschied zum, zwischen Landlust und Hippietum schwankend inszeniertem Solsbury Hill nicht sein. Ein fröhlich luftiger Beinahe-Folk-Song, der trotz seines ungewöhnliches 7/4 Takts auch in einer Disko eine gute Figur macht und jeden mit seinem raffiniert getaktetem "Boom Boom Boom" zum Mitgröhlen einladen möchte. Ich weiß nicht, ob so ein Song eine prätentiöse Kopfarbeit ist oder jemandem irgendwie doch einfach so in dem Kopf kommt. Das ganze wirkt natürlich, obwohl man kaum dazu den Takt schlagen kann. Um der Folkigkeit etwas entgegenzusetzen wurde ein wirrer Stereoeffekt eingeschaltet, der mich zwar unter dem Kopfhörer wahnsinnig macht aber aus den Lautsprechern eine nette Verwaschenheit produziert. Zum Ende hin hat der Song einen gehörigen "All You Need Is Love" Vibe, der - Peter Gabriel verschlüsselt - eher in ein singendes, klingendes Stimmengewirr geht. Die Stimmung ist aber ähnlich ausgelassen.

Textlich befasst sich der Song wohl hauptsächlich mit dem Wunsch einer Trennung/eines Neuanfangs. Mut machend, an die Hand nehmend. Die Vergangenheit, die Musik-Maschinerie hinter sich lassend. Trotzdem geht es "Home": Nimm meine Hand, ich führe Dich nach Hause. Viel von dem was Gabriel ausmacht, ist in dem Song schon vorhanden, seltsamerweise hat er aber sich nicht mehr auf diese folkige Art und Weise ausgedrückt. Alles Ländliche was seine Herkunft hergibt hat sich dann irgendwann eher in ein erdiges, wärmendes gewandelt.


Modern Love

Einer der rockigeren Songs, die Gabriel veröffentlicht hat. Hier klingt eine Menge Springsteen durch, durch Ezrins Produktion aber wesentlich fetter. Das Schlagzeug ist sehr "umfangreich", viele Fills, ein wenig Cowbell. Und auch der der Bass ist sehr lebhaft, teilweise doppelt angeschlagen, kurz an John Entwistles Läufe erinnern. Damit Gabriels Gesang ein wenig stärker emotionaler und weniger brav werden sollte, hat Ezrin den Sänger wohl einfach mit Tape an einen Pfeiler im Studio festgeklebt.

"Modern Love" war lustigerweise die Single zum Album und interessanterweise wurde zu dem Song auch ein Video gedreht: https://www.youtube.com/watch?v=FDjJpmt-wzg


Excuse Me

Wer jemals den Begriff "Barbershop Musik" nachgooglen möchte, kann das nun tun. Der A-Capella Gesang zu Beginn geht wohl in die Richtung. Eine Spielerei, die aus einer 1975er Session stammt, in der damals sowohl Fripp als auch Collins mit dem Comedian Charlie Drake zusammenarbeiteten. Grundlage waren Ideen für einen Kinder-Trickfilm, obwohl mir die Musik dafür (wie das berühmt unbekannte You never Know) etwas zu schrullig ist.

Charlie Drake: You Never Know: https://www.youtube.com/watch?v=mQbO9cCfHIc


Humdrum

Ein ruhiger, verschlossener und dichter Beginn mit einem murmelnden Gesang und einem wunderbar verträumten Wurlizer Piano und dessem typischen Stereo/Chorus Effekt. Um dann für kurze Zeit in einen Cha-Cha überzugehen inklusive einem 70er Blümchen Genesis Querflöten Part. Im letzten Drittel erreicht der Song dann einen langsamen, breit fließenden Teil, der auf eine gewisse Art und Weise seinen späteren Alben ähnelt. Ein kompliziertes Lied, was nicht richtig fassen möchte, was aber durch seinen außerordentlich tiefen und breiten Sound (sorry, ich kann es noch nicht besser beschreiben) auffällt.

Textzeile: ""Out of woman come the man, spend the rest of his life gettin' back where he came/can". *g*


Slowburn

Irgendwo im Bereich von Glamrock ähnlich Queen und fetten Licks wie bei irgendeiner der Ende-70er-Jahre Combos poltert Slowburn los und leitet die zweite Hälfte des Albums ein. Irgendwo unausgegoren, mit netten Sound-Effekten über einem plingeligen Klavier. Letztendlich aber in seiner Experimentalität wenig fesselnd, und etwas unklar.


Waiting for the Big One

Ein jazziger Blues, lausig versoffen vorgetragen, mit einem Robert Fripp, der das einfache und sehr auffällige Gitarrensolo spielt. Blues war wohl nicht so richtig sein Metier, es hebt den Song aber aus seiner etwas unklaren und unschönen Darbietung hervor. Wenn Whitesnake zwar nette Musik machen, aber keinen Blues können, das Ding hier setzt dem ganzen Genre schon die Krone auf.

Ein ziemlich miefiger Furz von Song, mit etwa 7 Minuten unglaublich zäh und lang. Seine Form erschlägt die Grundidee und damit wirkt das Lied, das einfach auch für sich alleine stehen könnte, auf mich gar nicht groß. Wie gesagt: Das Gitarrenlick ist schon in seiner Einfachheit wirklich nett.


Down the Dolce Vita

Ein mit kräftigem Orchester eingeleiteter, rhytmischer Rocker, inklusive Clavinet, Percussions. Abgewechselt von Orchesterparts, die Deep Purple Ende der 60er in ihre Orchester-Suite eingeflossen haben. Auch hier könnte man sich den Song in einer zusammenhängenden Meat Loaf Rock-Oper vorstellen. Für sich alleine ist der Song aber etwas substanzlos um wirklich zu wirken. Entstanden ist Down The Dolce Vita wohl aus dem Song "Get The Guns" der 1976er Sessions, verwendet später in Teilen von einem anderen Künstler namens Alan Ross. Insgesamt, wie alle rockigen Songs des Albums etwas - nunja - überproduziert. So auch der nun kommende Schluss des Albums.

Get The Guns Demo: https://www.youtube.com/watch?v=KVPsux5NqEs
Alan Ross: Get The Guns: https://www.youtube.com/watch?v=ujlM60UAPuQ


Here Comes the Flood

Der Song zeigt schön, wo die Schwächen des Debüt-Albums liegen und was Gabriel aus seinen Songs herausholen konnte. Hier ersäuft der Song regelrecht in seiner rockoper-artigen Inszenierung, inklusive Streicher und Gitarrensolo. So, wie man als Jugendlicher sich einen langsamen Rocksong vorstellt. Wenn man das aber mit der Version vergleicht, die sich später durchsetzte, wird klar, was besser ist: die letztere Version, nur mit Piano und Stimme. Was ausreicht, um die passende Stimmung darzubieten. Eine Flut, aber die man wartet, aber nicht eine, die man mit all ihren Effekten schon sieht. Einer meiner Lieblingssongs von Gabriel, ich verstehe seine verwurschtelten Lyrics ehrlich gesagt nicht. Die Atmosphäre und die Textzeile "Drink up, dreamers, you're running dry" reicht aber aus, um alles blumige Gefiedel, alles Alice im Wunderland in einer apokalyptischen neuen Welt zu zerstören.

Bessere Versionen:
Robert Fripp von seinem 1979er Album Exposure: https://www.youtube.com/watch?v=Vnui9lzrLDg
Peter Gabriel live 1979 in einer TV-Show: https://www.youtube.com/watch?v=G0GcqYGv1AA


Weitere Demos:

No More Mickey: https://www.youtube.com/watch?v=co9tMfB5nWw
Funny Man: https://www.youtube.com/watch?v=PdcGbYLJljc
Howling At The Moon: https://www.youtube.com/watch?v=nhl3P0socPU
Zuletzt geändert von Rivers am 21.04.2020 18:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Sambora »

Wow! Super Review! :)
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Porcupine »

Ja, sehr schön geschrieben. Nur den Abschnitt zu Here Comes The Fllod verstehe ich nicht. Es gibt zwei Versionen von dem Song?
Wo bzw. auf welchen Veröffentlichungen? Ich kenne nur die Version der regulären CD und die ist super.
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Sambora »

Porcupine hat geschrieben: 21.04.2020 16:23 Ja, sehr schön geschrieben. Nur den Abschnitt zu Here Comes The Fllod verstehe ich nicht. Es gibt zwei Versionen von dem Song?
Wo bzw. auf welchen Veröffentlichungen? Ich kenne nur die Version der regulären CD und die ist super.
So weit ich weiß, hat er den Song für die Compilation "Shaking the tree" neu aufgenommen.
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Thunderforce »

Sehr schön geschrieben. Und immerhin weiß ich jetzt mal, warum das Security-Album Security heißt. :klatsch:
Das mit dem All You Need is Love-Ende von Solisbury Hill it mir noch nie in den Sinn gekommen, ist aber was dran.
Und klar ist die reduzierte Flood-Version die bessere, Gabriel war ja soweit ich weiß später selber überhaupt nicht mehr zufrieden mit dem Original.

Ultimative Version:
(Ohnehin eine unfassbar großartige DVD und Show. Was da alles passiert, ist kompletter Wahnsinn, selten eine spannendere und mitreißende Musikshow gesehen).
If you twist, you fail. Twisting equals tears.
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Re: Peter Gabriel - Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Perry Rhodan »

Rivers hat geschrieben: 21.04.2020 15:08 Peter Gabriel: s/t ("Car", 1979)

Cover: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... r_art).jpg

Das selbst-betitelte erste Album von Gabriel. Mit dem sehr schönen Cover, bei dem das blaue Auto (daher auch der inoffizielle Name des Albums) sehr scharf ist und Gabriel selbst relativ verwaschen, irgendwo rechts oben, hinter der nassen Windschutzscheibe sich mit geschlossenen Augen versteckt hält. Im Inlay der Platte sieht man, wie er sehr helle Kontaktlinsen trägt, was einen schönen Horror-Effekt erzielt. Wiederum eine Maske, ähnlich seinen Verkleidungen bei Genesis, nur etwas minimaler. Es sollte bis "So" in den 80ern dauern, bis er das Versteck- und Verzerrspiel seiner Cover dann sein lassen sollte. Bis dahin heißen alle 4 Alben einfach Peter Gabriel und sollten wie die Kapitel eines Buchs wirken (Exkurs, mal wieder Collins: Während dieser auf seinen ersten vier Alben simpelst sein Gesicht in die Kamera hält, mal frontal, mal quer, mal verschwitzt, mal schräg, versteckt sich Gabriel hinter Autoglas, zerkrazt sein Konterfei, lässt es in einem Schmelz-Effekt verfremden oder trägt eine Einbrechermaske in einem verzerrten Security-Kamera Bild.)

Das Album ist bestimmt vom Wunsch nach der Befreiung vom Genesis Raster (es gibt kaum lange Songs, dafür Blues, Trittitoppiquatschmusik, Rock-Schmachtfetzen, Funky-Disko-Glam). Den eigenen Ideen sind da wohl keine Grenzen gesetzt, er will die Musik machen, die ihm im Kopf rumschwebt und manchmal erinnert es an die wüste Mischung von Queens A Night At The Opera, hat aber natürlich völlig andere Einflüsse.

Von einem Konzeptalbum wie "The Lamb lies down on brodway" kommend, mit einem weiteren Konzeptalbum ("Mozo") im Hinterkopf, einer kurzen musikalischen Zusammenarbeit mit einem britischen Comedian, sehr beeindruck von Bruce Springsteen und einer Cover-Version von Beatles' "Strawberry Fields Forever" für einen Soundtrack im Köcher, nahm Gabriel 1976 schließlich sein Debüt Album auf.

Die ersten Proben zum Album begannen wohl schon 1975/1976 und wurden u.a. mit den ehemaligen Genesis Mitmusikern Rutherford, Collins, Philipps zusammengestellt. Da gab es wohl schon "Here Comes The Flood" und einige andere Songs, die es aber nicht auf das Debüt geschafft haben.

Als Produzent suchte sich Gabriel seltsamerweise Bob Ezrin aus, der zwar an Lou Reeds "Berlin" mitgearbeitet hatte, uns aber wohl eher von der Produktion von Kiss' Destroyer Album, verschiednen Alice Cooper Alben und später dann Pink Floyds The Wall Album bekannt ist. Ezrin suchte wählte wohl die meisten Musiker aus, die als Session-Musiker bekannt waren, u.a. Tony Levin. Gabriel bat Robert Fripp von ehemals King Crimson dazu und Larry Fast, der bis zu "So" mit Gabriel zusammenarbeiten sollte.

Begonnen wurde dann richtig Ende 1976 und am 25. Februar 1977 erschien das Album dann. Gabriel war da gerade mal 27 Jahre alt.



Zu den Songs:

Moribund the Burgermeister

Die seltsam daherzuwankenden ersten Töne explodieren regelrecht in eine orchestrale Bride, ehe es ein erschreckend gegrunztes "I will find out" als Post-Refrain gibt. Das erste was man also vom heiß erwarteten Debüt hört ist eine verschwurbelte Reminiszenz an Genesis, bei der Gabriel mit seinem Gesang wieder mal in verschiedene Rollen schlüpft.

Worum es im Text geht: Keine Ahnung. Mag vielleicht jemand anders waws zu sagen, was der Bürgermeister da nun so ist oder tut.


Solsbury Hill

Größer könnte der Unterschied zum, zwischen Landlust und Hippietum schwankend inszeniertem Solsbury Hill nicht sein. Ein fröhlich luftiger Beinahe-Folk-Song, der trotz seines ungewöhnliches 7/4 Takts auch in einer Disko eine gute Figur macht und jeden mit seinem raffiniert getaktetem "Boom Boom Boom" zum Mitgröhlen einladen möchte. Ich weiß nicht, ob so ein Song eine prätentiöse Kopfarbeit ist oder jemandem irgendwie doch einfach so in dem Kopf kommt. Das ganze wirkt natürlich, obwohl man kaum dazu den Takt schlagen kann. Um der Folkigkeit etwas entgegenzusetzen wurde ein wirrer Stereoeffekt eingeschaltet, der mich zwar unter dem Kopfhörer wahnsinnig macht aber aus den Lautsprechern eine nette Verwaschenheit produziert. Zum Ende hin hat der Song einen gehörigen "All You Need Is Love" Vibe, der - Peter Gabriel verschlüsselt - eher in ein singendes, klingendes Stimmengewirr geht. Die Stimmung ist aber ähnlich ausgelassen.

Textlich befasst sich der Song wohl hauptsächlich mit dem Wunsch einer Trennung/eines Neuanfangs. Mutmachend, an die Hand nehmend. Die Vergangenheit, die Musik-Maschinerie hinter sich lassend. Trotzdem geht es "Home": Nimm meine Hand, ich führe Dich nach Hause. Viel von dem was Gabriel ausmacht, ist in dem Song schon vorhanden, seltsamerweise hat er aber sich nicht mehr auf diese folkige Art und Weise ausgedrückt. Alles Ländliche was seine Herkunft hergibt hat sich dann irgendwann eher in ein erdiges, wärmendes gewandelt.


Modern Love

Einer der rockigeren Songs, die Gabriel veröffentlicht hat. Hier klingt eine Menge Springsteen durch, durch Ezrins Produktion aber wesentlich fetter. Das Schlagzeug ist sehr "umfangreich", viele Fills, ein wenig Cowbell. Und auch der der Bass ist sehr lebhaft, teilweise doppelt angeschlagen, kurz an John Entwistles Läufe erinnern. Damit Gabriels Gesang ein wenig stärker emotionaler und weniger brav werden sollte, hat Ezrin den Sänger wohl einfach mit Tape an einen Pfeiler im Studio festgeklebt.

"Modern Love" war lustigerweise die Single zum Album und interessanterweise wurde zu dem Song auch ein Video gedreht: https://www.youtube.com/watch?v=FDjJpmt-wzg


Excuse Me

Wer jemals den Begriff "Barbershop Musik" nachgooglen möchte, kann das nun tun. Der A-Capella Gesang zu Beginn geht wohl in die Richtung. Eine Spielerei, die aus einer 1975er Session stammt, in der damals sowohl Fripp als auch Collins mit dem Comedian Charlie Drake zusammenarbeiteten. Grundlage waren Ideen für einen Kinder-Trickfilm, obwohl mir die Musik dafür (wie das berühmt unbekannte You never Know) etwas zu schrullig ist.

Charlie Drake: You Never Know: https://www.youtube.com/watch?v=mQbO9cCfHIc


Humdrum

Ein ruhiger, verschlossener und dichter Beginn mit einem murmelnden Gesang und einem wunderbar verträumten Wurlizer Piano und dessem typischen Stereo/Chorus Effekt. Um dann für kurze Zeit in einen Cha-Cha überzugehen inklusive einem 70er Blümchen Genesis Querflöten Part. Im letzten Drittel erreicht der Song dann einen langsamen, breit fließenden Teil, der auf eine gewisse Art und Weise seinen späteren Albuen ähnelt. Ein kompliziertes Lied, was nicht richtig fassen möchte, was aber durch seinen ausserordentlich tiefen und breiten Sound (sorry, ich kann es noch nicht besser beschreiben) auffällt.

Textzeile: ""Out of woman come the man, spend the rest of his life gettin' back where he came/can". *g*


Slowburn

Irgendwo im Bereich von Glamrock ähnlich Queen und fetten Licks wie bei irgendeiner der Ende-70er-Jahre Combos poltert Slowburn los und leitet die zweite Hälfte des Albums ein. Irgendwo unausgegoren, mit netten Sound-Effekten über einem plingeligen Klavier. Letztendlich aber in seiner Experimentalität wenig fesselnd, und etwas unklar.


Waiting for the Big One

Ein jazziger Blues, lausig versoffen vorgetragen, mit einem Robert Fripp, der das einfache und sehr auffällige Gitarrensolo spielt. Blues war wohl nicht so richtig sein Metier, es hebt den Song aber aus seiner etwas unklaren und unschönen Darbietung hervor. Wenn Whitesnake zwar nette Musik machen, aber keinen Blues können, das Ding hier setzt dem ganzen Genre schon die Krone auf.

Ein ziemlich miefiger Furz von Song, mit etwa 7 Minuten unglaublich zäh und lang. Seine Form erschlägt die Grundidee und damit wirkt das Lied, das einfach auch für sich alleine stehen könnte, auf mich gar nicht groß. Wie gesagt: Das Gitarrenlick ist schon in seiner Einfachheit wirklich nett.


Down the Dolce Vita

Ein mit kräftigem Orchester eingeleiteter, rhytmischer Rocker, inklusive Clavinet, Percussions. Abgewechselt von Orchesterparts, die Deep Purple Ende der 60er in ihre Orchester-Suite eingeflossen haben. Auch hier könnte man sich den Song in einer zusammenhängenden Meat Loaf Rock-Oper vorstellen. Für sich alleine ist der Song aber etwas substanzlos um wirklich zu wirken. Entstanden ist Down The Dolce Vita wohl aus dem Song "Get The Guns" der 1976er Sessions, verwendet später in Teilen von einem anderen Künstler namens Alan Ross. Insgesamt, wie alle rockigen Songs des Albums etwas - nunja - überproduziert. So auch der nun kommende Schluß des Albums.

Get The Guns Demo: https://www.youtube.com/watch?v=KVPsux5NqEs
Alan Ross: Get The Guns: https://www.youtube.com/watch?v=ujlM60UAPuQ


Here Comes the Flood

Der Song zeigt schön, wo die Schwächen des Debüt-Albums liegen und was Gabriel aus seinen Songs herausholen konnte. Hier ersäuft der Song regelrecht in seiner rockoper-artigen Inszenierung, inklusive Streicher und Gitarrensolo. So, wie man als Jugendlicher sich einen langsamen Rocksong vorstellt. Wenn man das aber mit der Version vergleicht, die sich später durchsetzte, wird klar, was besser ist: die letztere Version, nur mit Piano und Stimme. Was ausreicht, um die passende Stimmung darzubieten. Eine Flut, aber die man wartet, aber nicht eine, die man mit all ihren Effekten schon sieht. Einer meiner Lieblingssongs von Gabriel, ich verstehe seine verwurschtelten Lyrics ehrlich gesagt nicht. Die Atmospähre und die Textzeile "Drink up, dreamers, you're running dry" reicht aber aus, um alles blumige Gefiedel, alles Alice im Wunderland in einer apokalypitschen neuen Welt zu zerstören.

Bessere Versionen:
Robert Fripp von seinem 1979er Album Exposure: https://www.youtube.com/watch?v=Vnui9lzrLDg
Peter Gabriel live 1979 in einer TV-Show: https://www.youtube.com/watch?v=G0GcqYGv1AA


Weitere Demos:

No More Mickey: https://www.youtube.com/watch?v=co9tMfB5nWw
Funny Man: https://www.youtube.com/watch?v=PdcGbYLJljc
Howling At The Moon: https://www.youtube.com/watch?v=nhl3P0socPU
Tolle Rezi, die Platte ist aber von 1977.
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Disbe »

Super Anfang! Also deiner. Der von Gabriel natürlich aber auch. :D

Mir war tatsächlich noch nie bewusst, daß 'Solisbury Hill' auf einem 7/4-Takt basiert. Zu eingängig is das Riff, der Song. Von daher denke ich auch nicht, dass der Song vorsätzlich so in Szene gesetzt wurde.

Bzgl. des auf die Cover bezogenen Collins-Vergleichs:
Ich finde die Idee, die Cover von Collins' Rereleases exakt so, wie sie waren nochmal neu zu fotografieren, unheimlich stark. Es bleibt einerseits Kohärent, gibt dem Ganzen aber eine feine Note.
Mögest du in interessanten Zeiten leben.
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Re: Peter Gabriel - Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Rivers »

Perry Rhodan hat geschrieben: 21.04.2020 18:03 Tolle Rezi, die Platte ist aber von 1977.
Yeah, natürlich. Hundertmal geschrieben, außer in der Überschrift. :D Korrigiert. Danke.
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home

Beitrag von Rivers »

Sambora hat geschrieben: 21.04.2020 16:29
Porcupine hat geschrieben: 21.04.2020 16:23 Ja, sehr schön geschrieben. Nur den Abschnitt zu Here Comes The Fllod verstehe ich nicht. Es gibt zwei Versionen von dem Song?
Wo bzw. auf welchen Veröffentlichungen? Ich kenne nur die Version der regulären CD und die ist super.
So weit ich weiß, hat er den Song für die Compilation "Shaking the tree" neu aufgenommen.
Die basiert tatsächlich auf der Version, die er etwa 1979 für und mit Fripp für dessen Album aufgenommen hat.
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