Man kommt nicht daran vorbei, den "Heel-Turn" von Daenerys als übers Knie gebrochen zu empfinden. So sehr ich es gutfinde, dass sie der Endgegner für die letzte Folge ist, ihre Transformation hin zur "mad" Seite der Targaryens wurde seit langer Zeit nicht mehr angedeutet, nachdem es in frühen Staffeln ja schon immer mal wieder Anspielungen gab. Aber seitdem Dany über die Meerenge gekommen ist, gab es bis zu ihrem Gespräch mit Jon in der Folge vor der Winterfell-Schlacht, in dem er ihr erklärt, wer er wirklich ist, eigentlich keinerlei Indikatoren dafür, dass sie die verrückte, die wahnsinnige Seite in ihren Genen nicht doch besiegt haben könnte. In der ersten Folge der siebten Staffel proklamiert sie gar, die wolle nicht die Königin der Asche sein. Edit: Obwohl sie natürlich zu einem früheren Zeitpunkt einst gesagt hat, dass sie die sieben Königreiche regieren wird, selbst wenn jene Königreiche um sie herum verbrannt sind.
Ich würde mir wünschen, man hätte diese Entwicklung schon eher in der Staffel beginnen lassen. Und zwar mehr als nur ihre Unfreude über das Misstrauen der Nordmänner. Dort, in der ersten Folge in Winterfell, hätte man uns schon die erste Andeutung geben können. Aber nein, wir kriegen die erste Andeutung in der ersten Szene der zweiten Folge, die dritte Folge ist Battle-only, in der vierten Episode gehts dann los und in der fünften kriegen wir dann dies.
Erneut, wie in der letzten Folge die Euron-Rhaegal-Szene, gibt es erneut sehr unglückliches Writing. Nur hier nicht in nur einer Folge, einer Szene, sondern die Enthüllung, dass die ganze Staffel über eine Charakterentwicklung verschleppt wurde. Sie wurde immer als brutale Herrscherin gezeigt. Als sie Sams Vater nach der Schlacht gegen die Lannisters in der letzten Staffel verbrannt hat, als sie in Mereen 100 Menschen gekreuzigt hat und in vielen anderen, weniger offensichtlichen Momenten.
"Every time a Targaryen is born, the gods flip a coin..." Aerys II., Rhaegar, Viserys, Daenerys. Oder so ähnlich. Denn letztlich denke ich schon, dass Danys Münze auf der richtigen Seite gelandet ist, in den letzten paar Folgen wurde sie nur gedreht.
Das Writing an sich ist nicht widersprüchlich oder inkonsequent, wie ich es heute schon oft gelesen habe, ich finde schlicht zu schnell. Es gab keinerlei Andeutung ihrer wahnsinnigen Seite seit langer Zeit. Andere weit weniger drastische Charakterentwicklungen wurden immer langsam aufgebaut und nicht von jetzt auf gleich etabliert. So funktioniert schlicht kein gutes Storytelling, was wir imo sonst nahezu immer bekommen haben.
Nochmal zu meinem Sermon zur letzten Folge: Endlich ist Euron tot. Hoffentlich. Meine Güte, wie schade. So viel Potenzial, so viel Verschwendung. Magerer Charakter, triviale Beweggründe, das Charaktergewordene Plot-Device.
Andere, nennen wir sie mal sekundäre Antagonisten hatten zehnmal die Strahlkraft von Euron Greyjoy. Zum Beispiel der High Sparrow hatte fünfmal so viel Tiefe und nachvollziehbare, menschliche Beweggründe. Oder Walder Frey. Oder Joffrey, der ja letztlich auch nur sekundär war, was wir damals aber ja noch nicht so recht wussten.
Aber schauen wir erstmal auf den Rest der Folge.
Es gibt viele Turning Points in dieser Folge. Arya entscheidet sich gegen die Rache, Jon entscheidet sich gegen das Schlachten und tötet sogar einen seiner Männer, Tyrion stellt fest, dass er Unrecht hatte, Dany hat selbstverständlich einen sehr extremen Wendepunkt in dieser Folge, Greyworm als er sich fürs Schlachten entscheidet, Jaimie hat nen kleinen Punkt als er Euron angreift statt direkt zu Cersei zu gehen, Cersei als sie entgültig realisiert, dass sie in großer Gefahr ist... dieser rote Faden quer durch die Folge ist exzellentes Writing.
Das cinematographische Highlight der Folge ist ziemlich klar die Aufnahme vor dem Clegane-Bowl kurz nachdem Cersei am Hound vorbeigeht. Man sieht Sandor von hinten ein gutes Dutzend Stufen unter Ser Gregor, über ihnen sieht man Drogons Flammenstrahl am Himmel und Sandor hat in der ganzen Serie noch nie so klein ausgesehen. Fantastisch.
Die Prophezeihung über Cerseis Tod scheint nun tatsächlich ein reines Element der Bücher zu sein, es sei denn sie hätte das überlebt, was ich nicht glaube. Und selbst wenn, welcher Valonqar sollte sie erdrosseln? Eben. Dafür gibt es keinen Grund mehr.
Die Prophezeihung, die Vorhersage, deren Nicht-eintreten mich jedoch mehr stört, ist Branns Gespräch mit Jaimie in der Folge vor der Winterfellschlacht. Brann sagt soviel wie, alles was du getan hast, hat dich hierher geführt, hier wo du uns helfen wirst, oder so ähnlich. Ich hatte da weit mehr hereininterpretiert und dachte erst, er würde in der langen Nacht eine wichtigere Rolle spielen - das war nicht der Fall. Also dachte ich, es wäre wichtig für ihn, eine Veränderung in Winterfell zu durchlaufen, damit er bei seiner Rückkehr nach Kings Landing einen wichtigen Teil zur Konklusion der Story beiträgt - dies war scheinbar auch nicht der Fall, denn Euron war auf dem Weg nach draußen. Dessen Tod war der unbedeutendste der ganzen Folge. War war also das wichtige, was Jaimie im Norden tun musste? Brienne schwängern? Bron High Garden versprechen? Sicherstellen, dass Cersei stirbt? Wäre Jaimie nicht zu Cersei gekommen, sie wäre so oder so gestorben. Die Glocken läuten? Gehen wir davon aus, dass Jaimie die ersten Glocken geläutet hat? Ich dachte es, zumindest bislang. Ich gucke die Folge nachher nochmal und schaue genauer hin. Dennoch, das Glockenläuten hat nichts gebracht. Dany wäre so oder so Batshit-Crazy geworden.
Schade, dass diese sehr gute Szene (Jaimie/Brann) im Endeffekt keine Auswirkungen hatte. Letztlich hatte Branns Entscheidung, niemandem davon zu erzählen, dass Jaimie ihn zum Krüppel gemacht hat, also keine höhere Bedeutung. Hätte er es getan, es hätte sich nichts geändert. Stand jetzt zumindest.
Ein trauriges, aber sehr antiklimaktisches Ende der Lannister-Zwillinge. Neun Staffeln dafür, dass am Ende vermutlich niemand ihre Leichen findet, geschweige denn ihren Tod bezeugt sind enttäuschend. Lena Headey dennoch mit überragender schauspielerischer Leistung. Sobald Dany beim Glockenläuten losfliegt, ist sie in jeder Einstellung ein Stück weit mehr verängstigt, entsetzt und auch hoffnungslos je weiter die Folge und die Zerstörung voranschreiten und die Chancen auf ihr Überleben und das ihres Kindes schwinden.
Und auch wenn mir das Writing für den Übergang von Daenerys zu Darth Khaleesi nicht gefällt, Emilia Clarke macht hier nen exzellenten Job um das Script zu verkaufen. Das Script ist halt nicht gut, aber das ist ja nicht ihre Schuld.
"I don't have love here, only fear" ist eine von Danys Zeilen (in diesem Fall an Jon gerichtet) und einer der wenigen Momente wo die Schreiber versuchen, die Entwicklung verständlicher zu machen. Ebenso ihre Ansage an Tyrion, dass ihre Stärke in der Tat Gnade ist, jedoch Gnade für die kommenden Generationen, nicht die der derzeitigen. Also man hat schon versucht, dieses schreiberische Jumbo-Mumbo dem Zuschauer zu verkaufen, nur reicht es eben nicht. Ein paar Aufnahmen, ein paar Zeilen über die gesamte Dauer der Staffel und es wäre weit, weit weniger erzwungen und dadurch besser gewesen.
Und dann liest man vor einiger Zeit einen Artikel darüber, dass HBO ne Menge, Menge Cash lockermachen wollte, um den Showrunnern mehr als sechs Folgen zu ermöglichen, welches diese jedoch ablehnten, da sie der Meinung waren, sechs Folgen seien genug. Warum? Weiß keiner.
Die Musik war, wie im Rest der Staffel schon, absolut fantastisch. Als Daenerys die Unschuldigen verkohlt läuft bspw der selbe Track wie damals als Cersei die Sept of Balor hochgejagt hat, nur dieses mal ist das Musikstück dunkler, leicht verzerrt. Denn im Gegensatz zum Aufstieg von Cersei, ist dies nun ihr großer Downfall.
Auch läuft an Stellen der Folge eine verzerrte Version des Stücks, das lief als Jon und Dany auf dem Schiff gevögelt haben. Und ich meine, es lief auch in der Liebesszene nach Jons erstem Drachenritt.
Ein Detail, das mir nicht aufgefallen ist, jedoch einem Redditor, dessen Sermon ich gerade gelesen habe, ist, dass wir normalerweise Danys Drachenritte immer aus ihrer Perspektive sehen, wir fliegen sozusagen mit ihr - beim Angriff auf die Iron Fleet dieses mal nicht. Weil sie eben nicht mehr auf "unserer" Seite ist.
Ebenso gibt es kaum Nahaufnahmen von Dany und Drogon, wie es sie sonst immer und regelmäßig gibt. Erneut, vermutlich, um Distanz zwischen ihr und dem Publikum aufzubauen.
Aryas Plot-Armor war schon ein wenig over the top. Ich finde das nicht allzu schlimm, viele andere aber ja schon. Aber gut, dass "wir" durch ihre Sicht einen Blick ins Chaos bekommen. Natürlich hatte ich nie Angst, dass sie da mitten im Pöbel, von der Welt unbemerkt stirbt, aber dramatisch ohne Ende waren die Szenen dennoch.
Ich denke, Arya wird nächste Woche in irgendeiner Weise im Sturz von Daenerys involviert sein. Sie hat all das Elend, all die Zerstörung gesehen, die die neue Königin gebracht hat. Mit ihr persönlich hat sie vielleicht keine offene Rechung wie mit Cersei, aber wie dieses Forum beweist, man kann in jeder Situation eine Liste erstellen. Meistens von Maiden-Alben, manchmal aber auch von Menschen, die man umbringen will.
Das impliziert auch Aryas Blick zu Daenerys im Preview zur kommenden Folge.
Ich bin sehr gespannt, was genau passieren wird, denn das kann jetzt in sehr viele Richtungen gehen. Alle laufen aufs selbe Ziel hinaus (Dany muss sterben, ihre Armee sich zerstreuen und man wird versuchen stattdessen Jon auf den Thron zu setzen), aber wie das genau ablaufen soll? Kein Plan. Und ob das was wird? Kein Plan.
Tyrion hat niemanden mehr, mit dem er konspirieren könnte, werden Jon und Davos zu Meuchlern? Nein.
Es muss letztlich fast Arya werden, denn ich sehe nicht wirklich, dass Varys' letzte Briefe jemanden erreichen könnten, der etwas hat, was eine Streitmacht genannt werden könnte. Die Dornischen sind auf den Schiffen gestorben als Euron sie und Yara angegriffen hat, Yara hat nur ne handvoll Schiffe, High Garden wurde von Cersei ausgenommen und auch leerrekrutiert, die Flusslande waren ebenso Teil der zerstörten Lannisterarmee, die Sturmlande ja eigentlich auch, der Norden ist leer... da ist niemand mehr in Westeros außer den anwesenden Nordmännern, die Dothraki und Unsullied gegenüberstehen würden, selbst wenn Dany ermordet und Drogon dabei ebenfalls draufgehen würde.
Finstere Aussichten.
Dennoch: optisch eine fantastische Episode und abseits von Danys überstürztem Wandel zur dunklen Seite der Macht, eine tolle Folge. Obwohl so irre viel passiert ist, letztlich aber doch nur eine set-up Folge fürs große Finale nächste Woche.
Meine Highlights sind klar der Clegane-Bowl, die von mir bislang noch gar nicht erwähnte Szene von Jaimie und Tyrion, jede Einstellung von Cersei, die schauspielerischen Leistungen von Emilia Clarke, Lena Headey und Maisie Williams, aber auch von Sandor Clegane, dessen Schauspielername mir nie einfallen will, in der Szene, in der er Arya zum Umkehren bewegt. Außerdem gut gemacht fand ich das Full-Circle Ende der Lannisterzwillinge, auch wenn ich mir persönlich etwas anderes für Jaimie gewünscht hätte. Die wenigen Einstellungen von Davos und Jon am Ende der Schlacht waren großartig, man nimmt den beiden sofort ab, dass sie sich ohne Worte verständigen können.
Achja, Qyburns Tod. Super. Hat nochmal gezeigt, was für ne Leichtigkeit es für Ser Gregor ist, nahezu jeden Menschen des Kontinents mit einem Schlag (oder Wurf) zu töten und umso auszeichnender für Sandor, dass er so lange standgehalten hat, obwohl er ja eigentlich die ganze Zeit eingesteckt hat.
Und die ganze Anfangssequenz mit Varys war ebenfalls sehr, sehr gut.
Ich hoffe, das Finale macht die weniger tollen Momente der letzten beiden Folgen wieder wett.