25. Crowbar - Time Heals Nothing (1995)
Wenn ein dicker Mann mit Glatze und Vollbart die dicksten und schwersten Riffs der Welt aus seiner Rhythmusgitarre presst und dazu mit einer unfassbaren Inbrunst und vollkommen ohne Kitsch sein Leiden, seine Sorgen und alles Elend dieser Welt besingt, gehts selbstverständlich um Crowbar.
Gut, auf ihrem Drittling 'Time Heals Nothing' war der Bart noch nicht ganz so episch, aber sonst war es auch 1995 schon so, wie es auch 2014 auf dem wirklich guten 'Symmetry in Black' erneut wieder war. Natürlich hat der Bandsound und das Songwriting immer mal wieder etwas variiert; so waren die ersten drei bis vier Alben noch roher und von kürzeren, direkteren Songs dominiert, während in den späten 90ern ein dickerer Sludge(doom)sound dazukam, mit längeren, ausufernden Songs und gerne mal längeren und richtig mächtigen Instrumentalparts; im Prinzip funktionieren Crowbar aber auf jedem Album nach dem oben beschriebenen Rezept. Was natürlich völlig in Ordnung ist, weil die Jungs ein oft unterbewertetes Gespür für variables Songwriting haben und Crowbar obendrein die einzige laute Gitarrenband ist, die mich persönlich auf jedem Album aufs neue mit ihren Riffs überzeugen kann, während ganz viele Artverwandte Truppen das Klischee "nach Sabbath's ersten fünf hat die gesamte Rockwelt nur noch Riffs hiervon abgeschrieben" ein bisschen mehr mit Wahrheit füllen. Aber Crowbar nicht. Songwriting, Arrangements und eben die Riffs sind wirklich auf allen zehn Studioalben absolut überzeugend, warum die Jungs eine von nur ganz wenigen Bands mit so umfangreichen Diskographien sind, bei denen es mir ein Bedürfnis ist, alle Studioalben im Schrank zu haben.
Aber hier gehts ja um 'Time Heals Nothing', ne? Also gut. Warum gerade dieses Album? Nun, ich habe die Band mit jenem Album und dem selbstbetitelten Vorgänger kennengelernt und war von dem noch etwas roheren und direkteren Songmaterial dieser Bandphase immer noch etwas mehr weggeblasen als von den späteren Werken. Darum konnte es nur um 'Crowbar' oder Time Heals Nothing' gehen, letztere hat meinen Lieblingssong der Band --> 'Time Heals Nothing', Platz 25.
Alleine der Opener 'The Only Factor' schon... Fettes Riff als Intro, welches sich später im Chorus wiederfinden wird, doch nach wenigen Sekunden kommt erstmal Vollgas. Unglaublich fettes Drumming-Galopp zusammen mit schonungslosem Geschrei von Kirk. Dann das erwähnte Intro-Riff im Chorus "NEVER AGAIN, NEVER AGAIN, TOO HARD". Das gibt gleich mal eine neue Fönfrisur. Der Schlusspart wird dann super-intensiv, tonnenschwer und Weltschmerz in Zeitlupe. Und das alles in 3:07. Muss man gehört haben.
Oder zwei Songs weiter, der Titeltrack. Nur Drums und Bass als Intro, bevor ein Riff einsetzt, das so schwer und so elend und so intensiv klingt, wie der Verlust, den Windstein besingt und beklagt. Egal, wie lange jener schon in der Vergangenheit liegt, 'Time Heals Nothing'.
Der größte Headbanger der Platte ist wohl Track #6 Lack of Tolerance'. Ein Instant-Genickbruch zu mitnehmen. Die Gitarren werden gequält, die Drums zerlegt, die Stimmbänder gefoltert und die quadratmeilen großen Becken so plattgedroschen, dass man danach ein Ferrero Rocher darin einwickeln kann. Ich finde es vollkommen faszinierend, dass ein derartiger in-die-Fresse Song so fantastisch in dieses Album passt, wo fast alle anderen Songs eher in-die-Seele Songs sind. Aber es passt astrein, vermutlich auch, weil das vorangehende 'Through a Wall of Tears' mit sechs Minuten das klar längste Stück der Platte ist und dieser zähe Brocken in krassem, aber passendem Kontrast zu dem so direkten und kompromisslosen 'Lack of Tolerance' ist.
'Embracing Emptiness' ist dann aber DER Song. Also der Song, warum ich dieses Album gewählt habe, der Song, warum ich schon beim ersten Hören wusste, dass dieses Album, diese Band in Zukunft ein Teil meines Musiklebens sein wird. 3:31 Seelenpein. Das Riff ist fett und träge, aber gleichzeitig erahnt man schon, dass gleich eine Hand mit Nagelbesetzten Handschuhen nach deinem Herzen greift und auch nach jenen 3:31 erstmal nicht mehr loslässt. Gut, das ist vielleicht ein bisschen dramatisch, aber im Großen und Ganzen schon, wie es mir vor einigen Jahren beim erstmaligen Hören ging. Einer der fünf, sechs intensivsten Songs der Welt für mich. LEARN FROM ALL THIS!
Nicht "lernen" solltet ihr vom Autoren dieses Textes jedenfalls, das Drumintro von Track #9 'A Perpetual Need' mit dem Drumintro von Anthrax' 'C11H17N2O2SNa' zu verwechseln. Aber das nur am Rande, Ersterer ist nämlich ein echtes Highlight dieser zehn Songs und 37 Minuten langen Platte. Erneut eine schnellere, stampfendere Nummer, die im Endpart aber erneut ein so unfassbar dickes Riff hat, dass ich sofort Gitarrespielen lernen will.
So geil die Gitarre im letzten Song der Platte, 'Numb Sensitive', auch ist, wenn ich das Stück höre, will ich vorallem Texter werden. Fünf Zeilen Satzfragmente in jeder der drei Strophen, dazu ein doppelt wiederholtes "It will not hold me down" als Chorus und trotzdem hat dieser Track so irrsinnig viel zu sagen, dass es mich sprachlos lässt. Ebenfalls ein richtig intensives und prägendes Stück für mich, gerade weil der Text nur andeutet und seine Geschichte zwischen den Zeilen erzählt.
"Zehn Songs, mindestens drei davon (#6, #7, #10) für die Ewigkeit, 37 Minuten lang durchgehend Seelen-Gänsehaut, Windstein, Crowbar. "
So hätte das Review auch lauten können. Hätte eigentlich gereicht.
Reinhören.
The Only Factor
http://youtu.be/NgoDA2nC5Z8
Lack of Tolerance
http://youtu.be/XQ3ZsJDsaWk
Embracing Emptiness
http://youtu.be/tDPZ0znxMUU
Numb Sensitive
http://youtu.be/6lL_WEwAgu8