Wie andernorts schon erwähnt, habe ich mir die letzten Jahre extra Mühe gegeben, musikalisch in der Gegenwart zu leben, also aktuellen Undergroundkram aufmerksam zu verfolgen und in manchen Bereichen engmaschige Netze auszuwerfen, dass kein Release ungehört vorbeischwimmen möge (klappt natürlich nicht besonders gut). Was ich mir dabei an belanglosem Zeug reingefahren habe, kann ich gar nicht abschätzen, aber es war viel. Trotzdem hat sich das, was ich gut fand, mit der Zeit schon auch summiert. Auf den folgenden Seiten möchte ich euch Stück für Stück 50 persönliche, sehr diverse Favoriten vorstellen, die man – wenn es nach mir geht – gerne als den “neuen Heavy Metal" der vergangenen Dekade in Erinnerung behalten darf.
Bevor es losgeht, möchte ich noch ein paar einleitende Worte zur Auswahl und zur sogenannten “New Wave of Traditional Heavy Metal” anbringen.
⁓ Auswahl ⁓
Berücksichtigt wurden nur komplette Alben des Zeitraums 2009-2020, maximal ein Album pro Band, und nur “neue” Bands. Das habe ich nicht am Gründungsdatum festgemacht, sondern am Datum des Debutalbums (ebenfalls frühestens 2009). Zum “traditionellen Heavy Metal”: auf den Alben sollte überwiegend Heavy Metal im engeren Sinn zu hören sein; reiner Doom, der meiste Speed Metal (an der entsprechenden Stelle dann mehr) und andere “traditionelle” Genres sollten außen vor bleiben. Auch twingitarrenlastigen Heavy Rock schwedischer Provenienz wollte ich jetzt nicht unbedingt einbauen, wobei es spätestens da etwas willkürlich wird, weil sich einige, die da durchaus in Frage gekommen wären (Dead Lord, Black Trip, sogar Hällas) in punkto Härtegrad mit vielen inkludierten Bands auch nichts nehmen. In solchen Fällen habe ich einfach danach entschieden, wie es sich für mich anfühlt und wie die Bands es selbst sehen. Natürlich ist die Liste dennoch voller Grenzgänger, sonst würde man das Beste verpassen.
Und, apropos “das Beste”: selbstverständlich ist die Auswahl schonungslos subjektiv, das bedeutet z.B., dass Bands, die nach europäischem Power Metal, Sunset Strip oder den großen deutschen Acts der 80er klingen, hier eher nicht auftauchen. Viele gefeierte Veröffentlichungen fand ich nach ein paar Durchgängen einfach langweilig, und Alben des Typs “kompetente Huldigung der Band XY” sind fast ausnahmslos hinter die 50er-Marke abgerutscht. Und wo ein eher konventionelles Album gegen ein eher eigenartiges stand, wurden im Regelfall die “Freaks” bevorzugt.
⁓ Seventh Aufguss of a Seventh Aufguss, oder: Männer, die auf Wellen starren ⁓
Titelgebende “NWOTHM” ist, wie glaube ich von Anfang an unschwer zu erkennen war, ein Marketingbegriff und als solcher artverwand mit den Fantasiegenres, die oft die Promozettel diverser Labels schmücken. Damit will ich auch sagen, dass die “Welle” als Masse von Bands, die sich gegenseitig ihrer Existenz und ähnlichen Ausrichtung bewusst waren, für die meisten hier genannten Bands zum Zeitpunkt ihrer Gründung schlicht nicht existierte. Auch die anderen Bestandteile der Wortschöpfung kann man berechtigt in Frage stellen: neu ist daran nichts, denn neuen Heavy Metal, auch altmodischen, gab es immer. Und: wie “traditionell” die Musik im Normalfall wirklich ist, bleibt eine offene Frage. Puristen weisen etwa darauf hin, dass die Masse der Veröffentlichungen auf musikalische Figuren und Stilmittel zurückgreift, die es so 198undblubb nicht gab (Wachen, ergreift sie!). Für spezielles Ärgernis sorgt(e) natürlich auch die im Namen enthaltene Anspielung auf die NWOBHM – ein subkulturelle Gemeinsamkeit zwischen Metal und Hip Hop: niemand sieht es gern, wenn Newcomer sich an großen Namen “hochziehen”.
Dabei ist genau diese als dreist empfundene Gleichsetzung mit der NWOBHM das, das die Behauptung einer “New Wave of Traditional Heavy Metal” interessant macht. Was sind denn, neben der Unaussprechlichkeit der Kürzel, die tatsächlich bestehenden Gemeinsamkeiten? Nun, zum ersten einmal, dass beides ursprünglich Marketingbegriffe waren, die dazu dienten, aus einer eigentlich alten und ungebrochen fortbestehenden Sache eine neue, aufregende Sache zu machen; im Fall der NWOBHM war es den meisten Quellen nach ein Sounds-Redakteur, der plante, mit dem Kürzel die mediale Dominanz des Punk zu brechen (der Hard & Heavy-Sektor war natürlich gesund und munter, fast alle großen Bands noch dabei, Veröffentlichungen häufig und Verkaufszahlen hoch). Was dran war, war natürlich, dass es in beiden Fällen eine rasante Zunahme an Veröffentlichungen gab, die auch ohne Labels gut auskam – einmal war es der DIY-Ethos des Punk, der ab ‘79 zur bekannten Flut an selbstveröffentlichten Singles führte, im anderen Fall, dass Homerecording und Onlinevertrieb Allerweltsskills geworden waren, die jeder 16-jährige irgendwie auf die Reihe bekam, wenn er es wollte. Die enorme stilistische Bandbreite der Veröffentlichungen (Praying Mantis-Venom, Witchfynde-Jaguar wären zwei solche Extrempärchen, mit denen man die Ecken der NWOBHM abstecken könnte … ) ist ebenfalls gut vergleichbar. Die wichtigste Gemeinsamkeit ist für mich aber, dass die beiden Begriffe kleben blieben, so dass Fans, Labels und Musikjournalisten ein gemeinsames Wort hatten, mit dem sie sich über das Geschehende verständigen konnten – und schlussendlich waren beide Kürzel erfolgreich genug, dass es für viele Bands zu einer sinnvollen Option wurde, sich der Beschreibung als “New Wave of ...” unterzuordnen. Das konnte dann rückblickend oder in Summe den Eindruck erwecken, man hätte es mit einem einheitlichen Phänomen zu tun.
Weiter muss man diese oberflächlichen Parallelen von mir aus nicht verfolgen. Der wichtige Punkt ist, dass durch die Bands der sogenannten “NWOTHM” ganz schön viele Sachen reichhaltig verfügbar wurden, nach denen ich mir im Heavy Metal alle fünf Finger ablecke:
- organische Produktionen und ein gewisser Mut zur Naivität;
- Bands, die mehr wollen, als sie können, und sich dann hörbar gegen ihre eigenen Limitierungen durchsetzen;
- erste Alben von jungen Musikern, die auch genau so klingen; sprich: mit dem Kopf durch die Wand, und keine Spur von Zurückhaltung;
- ältere Musiker, die einem sehr vertrauten Lieblingsgenre Tribut zollen wollen und sich dabei versehentlich als ihren Heroen ebenbürtig erweisen;
- dass sich selbst im angeblich oder tatsächlich

Dann schau mer mal ...