Porcupine hat geschrieben:Ich hab gerade aus Neugier das DF im Supermarkt in die Hand genommen und das Vorwort gelesen.
Die Taktik habe ich vorhin dreist kopiert.
Das Problem bleibt: In dem Moment, wo Götz mutmaßt, die Musiker müssten über ihre Fanbasis selbst kichern, wenn der Vorhang fällt, unterstellt er, man könne ja unmöglich so blöd sein und diese Musik mögen. Meines Erachtens nach gibt es genau so viele geschmacksverirrte Musiker wie Fans - das Drumherum ist freilich was anderes, da ist Professionalität im Spiel. Aber da gehen halt wieder die Verschwörungsfilme los, wenn man ausschließlich Kalkül am Werke sehen kann. Dabei wäre die Band auch so schon ärgerlich genug - die klaren Worte gegen das Friedhofsposing sind wahrlich angebracht gewesen (das ist auch keine Sache von "wer die Band mag wird angegriffen" - die Beurteilung solcher Pressefotos hat ja das Großhirn zwischengeschaltet, nicht nur den Musikgeschmack).
Allerdings: Ja, Metal als irritierende und mutige Musik, die nicht nur Versatzphrasen einsetzt und musikalisch den kleinsten Nenner bedient - war da mal was? Denn haut man satan, evil, kill und Thrash-Riffs in den Mixer, hat man einen nicht unerheblichen Teil von heiligen Kühen - origineller, inspirierter oder Konventionen herausfordernder ist in genug anderen Genres auch nichts. Klar, da ist die Nummer "das war neu" und "das waren Kids die das geil fanden, kein Marketingteam, das das als Gewinnerformel entdeckt hatte". Ist aber ein anderes Argument (das auch gebracht wird) - und ein wenig Hellseherei.
Ein wenig Verklärung der eigenen Jugend sehe ich da schon; gleichzeitig auch der Versuch, etwas zu schützen, dass definitiv schon mal anders gelagert war.
Speaking of which:
Bloody_Sandman hat geschrieben:Die Diskussion der letzten beiden Wochen hier und vor allem im DF-Forum hat bei mir mittlerweile für einen ganz dicken Kloß im Hals gesorgt. So sehr ich die Leidenschaft, die ein Götz Kühnemund für seine Musik empfindet, irgendwo auch teilen mag – ich möchte mir weder von ihm noch von anderen Musikjournalisten oder so genannten "Überzeugungstätern" vorschreiben lassen, welche Band ich hören soll und welche nicht.
Das spricht er doch sogar an, dass er das nicht machen WILL. Trotzdem: Die Balance ist halt superschwierig, die Übergänge fließend.
Ich habe früher viel das Ox gelesen - dort empfand ich das gegen Ende definitiv so, wie du es geschildert hast. In Reviews zu anderen Bands wurden gelegentlich Bands, die "man" nicht zu hören hatte, als negativer Vergleich bemüht, um die Schäfchenherde auf Linie zu halten: Schämt euch übrigens, wenn ihr die mögt. Das ist mir zu religiös geworden irgendwann, ich kaufe doch nicht Magazine, um zu erfahren, was ich mögen darf, und was nicht. Solche "Gedankenverbote" (im Rahmen von Dingen, für die man ja nichts kann!) sorgen dann dafür, dass Leute Zeug ironisch hören, statt dazu zu stehen. Dieses Trauma hat in der Tat das "Magazin für Überzeugungstäter" für mich auch immer etwas geschmackig erscheinen lassen, da ich Götz (siehe weiter unten) als durchaus auch ziemlichen Hausmeister erlebt hatte stellenweise.
Es greift wohl auch ein wenig die Schnabel'sche Vermutung: Was, wenn Magazine immer schon vor allem gelesen wurden, um sich zu informieren, was so rauskommt; und nicht, weil die Predigt vom Redaktionsgott zu dem Album mindestens so wichtig war wie der Inhalt? Dann ist die Gefahr, die vom Internet ausgeht, fundamentalerer als "nur" finanzieller Natur. Und vor allem verliert dann nicht nur der alte Mann den Status als Hüter der Szene, sondern die Szene selbst dann auch die Gewissheit, nicht zu etwas komplett anderem zu werden, da die Hüterei wegfällt.
NegatroN hat geschrieben:Gott echt, das ist so krass. ES GEHT NICHT UM GESCHMACK! Es geht auch nicht darum, irgendjemand vorschreiben, was er hören darf und was nicht.
Götz hat in der Vergangenheit halt auch schon Formulierungen wie "wer x mag, der MUSS dieses Album gut finden/kaufen" verwendet, oder "wer hier nicht bangt, ist tot oder taub!". Und wenn der Mensch, der sein Leben lang so geschrieben hat, dann eine entsprechende Ansage an die Szene macht, und eben auch mutmaßt, Musiker könnten solche Musik unmöglich ernst meinen, dann schwingt dieser absolute Tonfall einfach mit. Wie flyingpumpkin gesagt hat, gibt es das Knatschthema bei ihm ja nicht zum ersten mal.
So oder so alles sehr zwiespältig: Ich bin mir nicht sicher, ob die Diskussion nötig war. Ich bin mir nicht sicher, was da nun die korrekte Position ist. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das DF einen Gefallen mit dem Lostreten getan hat.
"Wenn man in der Metalszene unterwegs ist, dann bekommt man quasi NIE politische Statements zu hören. Auch deswegen liebe ich diese Szene so. Politik ist dort nunmal kein Thema. Fast schon ein Tabuthema."