Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread

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Alphex
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von Alphex »

Tolpan hat geschrieben:Danke, aber ich habe selbst Wirtschaft studiert
Und ich dachte schon, nachdem ich hier neulich von deinem akademischen Titel las, müsste ich dir jetzt Extrarespekt entgegenbringen :D
"Wenn man in der Metalszene unterwegs ist, dann bekommt man quasi NIE politische Statements zu hören. Auch deswegen liebe ich diese Szene so. Politik ist dort nunmal kein Thema. Fast schon ein Tabuthema."
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Tolpan
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von Tolpan »

Alphex hat geschrieben:
Tolpan hat geschrieben:Danke, aber ich habe selbst Wirtschaft studiert
Und ich dachte schon, nachdem ich hier neulich von deinem akademischen Titel las, müsste ich dir jetzt Extrarespekt entgegenbringen :D
Nur wenn ich gelb schreibe... :prost:
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David Lee Hasselhoff
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von David Lee Hasselhoff »

Noch ein schöner Beitrag zur Schuldenkrise bei Arte - Staatsgeheimnis Bankenrettung. Es geht darum, wer wem was schuldet. Lief dieser Tage in der Glotze. Sehenswert, wie ich finde. [youtube]XMoHesLNhrU&feature=share[/youtube]
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leffas
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von leffas »

Tolpan hat geschrieben:Danke, aber ich habe selbst Wirtschaft studiert und bin geschichtsinteressiert. Natürlich hätte man sparen müssen, als die Dinge besser standen. V.a. hätten die Südländer sparen müsen, als der Euro eingeführt wurde, denn sie konnten sich so günstig refinanzieren wie nie. Aber sie haben es nicht getan. Sie haben sogar das Gegenteil getan: Sie haben sich noch mehr verschuldet, da es eben so günstig war. Und jetzt ist der Scherbenhaufen da.
Genau, das Kind ist in den Brunnen gefallen, und jetzt gilt es, es herauszuholen. Dass es mit einer einseitigen Austeritätspolitik nicht funktioniert, erleben wir ja gerade. Nur: was genau hilft, dürfte von Staat zu Staat verschieden sein. Aber ein Land, das für Staatsanleihen 5 oder mehr Prozent an Zins geben muss, muss diese (vereinfacht gesagt) ja auch irgendwie erwirtschaften, d.h. ein Wirtschaftswachstum in dieser Höhe haben. Da die betroffenen Länder aber weit davon entfernt sind, kann das (derzeit) so nicht funktionieren.

Imho spielt hier die EZB eine Schlüsselrolle. Allein die Ankündigung von Mario Draghi, notfalls Staatsanleihen am Sekundärmarkt aufzukaufen, hat den Ländern ein wenig Luft verschafft, wenn auch nicht genügend. Eine direkte Finanzierung der Staaten durch die EZB ist natürlich Teufelszeug; wenn sich die Staaten für, sagen wir mal, 2% Geld bei der EZB leihen, provoziert das geradezu Inflation - auf der anderen Seite: wenn Geschäftsbanken sich die gleiche Menge Geld für 1% bei der EZB leihen und für 2% an die Staaten weiterreichen, dann natürlich nicht. Das kann nur ein Dogmatiker verstehen.

Eine zügellose Geldvergabe zu niedrigen Zinsen durch die EZB ist selbstverständlich abzulehnen, aber eine kontrollierte Vergabe, wobei die Zinsen linear zur Geldmenge ansteigen, und es dabei ein Limit gibt, wäre das so schlimm? Dazu ein Schuldenerlass, denn ohne die Londoner Schuldenkonferenz wäre Deutschland nach dem 2WK auch nicht so leicht aus dem Quark gekommen. Naja. Unsere Mutti wird schon so viel tun, dass die Südländer schön weitersparen und der Euro nicht zerbricht.
Tolpan hat geschrieben:Und ausgerechnet die USA als Beispiel heranzuführen ist natürlich ganz groß. Eine Handelsbilanz zum Davonlaufen, eine Verschuldung zum Verzweifeln und ja, die Weltwirtschaft hängt an ihrem Rockzipfel. Aber auch hier wird es nicht ewig weitergehen. Wir stehen IMHO sogar am Ende der Verschuldungsspirale der USA. Und dann geht das gespannte Seil in die andere Richtung.
Schon klar. Die USA hab ich nur als Beispiel für eine destruktive Sparpolitik herangezogen. Dass die genügend andere Probleme haben, dürfte klar sein.

@Arte-Bankenrettungs-Beitrag: den werd ich mir morgen mal anschauen.
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Tolpan
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von Tolpan »

Bzgl. der EZB sind wir uns einig.
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Sulfura
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von Sulfura »

leffas hat geschrieben:
Sulfura hat geschrieben:Hätten die Regierungen keine derart gewaltigen Schuldenberge aufgehäuft, die auch jetzt immer noch wachsen und wachsen und wachsen, bräuchten gar keine Märkte beruhigt zu werden.
Das hat mit der absoluten Größe der Schuldenberge nichts zu tun. Man muss die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sehen.
Das ist richtig. Nur haben etliche Regierungen in den letzten Jahren viel zu (unrealistisch) hohe Steigerungen der Wirtschaftsleistung angenommen um so die Verschuldung zu relativieren. Der Spanische Ministerpräsident hat zu Boomzeiten sogar mal davon gesprochen, dass sein Land in den nächsten Jahren Deutschland in der Wirtschaftskraft überholen werde. Selbst in dieser Zeiten des Booms lag die Jugendarbeitslosigkeit übrigens bei satten 25%.
leffas hat geschrieben:bei Deutschland eher unproblematisch.
Das sehe ich eher anders.
leffas hat geschrieben: Japan hat im Verhältnis zum BIP eine höhere Schuldenquote als Griechenland, hat aber keine Probleme, seine Staatsanleihen zu günstigen Konditionen (Zinsen) zu platzieren. Warum? Weil sie in eigener Währung verschuldet sind und notfalls (wie es so schön heißt) Geld drucken können.
Aber wird das ewig gutgehen? Noch dazu bei Japans Altersstruktur. Ich denke nicht.
leffas hat geschrieben: Früher war das auch in Europa eigentlich kein Problem, da hatte jeder Staat seine eigene Währung. Jahrelang war das auch mit dem Euro kein Problem, zumindest bis zur Krise 2008. Da haben die "Märkte" (imho ein gieriger, panischer Haufen Rudeltiere; man sollte da mal offenlegen, wer "die Märkte" sind, die Käufer von Staatsanleihen sind ja nicht anonym) plötzlich gemerkt, dass neben den ganzen Pleiteimmobilien (nicht nur in den USA, sondern auch hier; es ist eine Legende, dass uns die Krise angefallen hat und "wir" schuldlos waren) ggf. auch die Staatsanleihen nicht so sicher sind, wie man gerne meint. Vor der Krise kein Problem, plötzlich relevant. Soviel zu den Märkten, die vernünftig sind und alles zum Guten regeln.
Irgendwann ist der Schuldenberg eben zu hoch, das Reformloch zu tief und die Investoren zu unwillig.
Sulfura hat geschrieben:Jeder, der sich Geld leiht, macht sich nunmal im gewissen Sinn abhängig. Wer das nicht möchte, sollte eben nur das ausgeben, was er einnimmt. Das gilt auch für Staaten.
leffas hat geschrieben:LOL, die alte Mär der schwäbischen Hausfrau. Stirbt das denn nie aus? Ohne Schuldenmachen geht es nicht. Ob das nun eine Firma macht für eine größere Investition, ein Haushalt für den Hausbau oder der Staat für Investitionen in Infrastruktur.
Das ändert nichts an meiner Aussage, dass sich Schuldner im gewissen Sinn abhängig machen.

oder der Staat für Investitionen in Infrastruktur Wow, dann müssten Italien und Griechenland ja eine 1a Superdupergeilomat Infrastruktur haben :D
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Sulfura
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von Sulfura »

leffas hat geschrieben:Allein die Ankündigung von Mario Draghi, notfalls Staatsanleihen am Sekundärmarkt aufzukaufen, hat den Ländern ein wenig Luft verschafft, wenn auch nicht genügend.
Aber leider hat diese Aktion auch die Reformbereitschaft gedämpft.
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leffas
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von leffas »

Sulfura hat geschrieben:Das ist richtig. Nur haben etliche Regierungen in den letzten Jahren viel zu (unrealistisch) hohe Steigerungen der Wirtschaftsleistung angenommen um so die Verschuldung zu relativieren. Der Spanische Ministerpräsident hat zu Boomzeiten sogar mal davon gesprochen, dass sein Land in den nächsten Jahren Deutschland in der Wirtschaftskraft überholen werde. Selbst in dieser Zeiten des Booms lag die Jugendarbeitslosigkeit übrigens bei satten 25%.
Spaniens Wirtschaft brummte ja vor der Krise. Deren Staatsverschuldung war niedriger als die deutsche, und deren Haushalt hatte sogar Überschüsse. Gut, das war großteils dem Immobilienboom geschuldet, mit Geld v.a. aus Deutschland. Immobilienboom weg, viel Geld in den Banken versenkt, und schon ists aus mit dem Boom und den Überschüssen. Und die Staatsverschuldung steigt.
Sulfura hat geschrieben:
leffas hat geschrieben:bei Deutschland eher unproblematisch.
Das sehe ich eher anders.
Bitte ausführen :)
Sulfura hat geschrieben:Aber wird das ewig gutgehen? Noch dazu bei Japans Altersstruktur. Ich denke nicht.
Was hat das mit dem Alter der Bevölkerung zu tun? Ist mal wieder die Demographie schuld? Wenn dem wirklich so sein sollte, dann lassen sich die Probleme in Europa und Japan ja überhaupt nicht lösen, denn dort werden die Menschen ja immer älter und es gibt zu wenig Kinder. Zudem Japan ein anderes Problem hat: Deflation gepaart mit Rezession/Stagnation, und das (mit einer Unterbrechung) seit 20 Jahren.
Sulfura hat geschrieben:Irgendwann ist der Schuldenberg eben zu hoch, das Reformloch zu tief und die Investoren zu unwillig.
Platter gehts nicht? Reformloch? Exportieren wir doch unser HartzIV, damit sollte es doch klappen. :klatsch: Reformen, wie sie von den Märkten und markt-/neoliberalen Institutionen angedacht sind, heißt doch im Grunde nur: Steuern senken, Staatseigentum privatisieren, Deregulation. Dass sich der Staat damit seiner eigenen Einnahmen beraubt und dadurch die Rückzahlung der Schulden (die bleiben ja auf der gleichen Höhe) erschwert, interessiert ja erstmal nicht. Hauptsache, die "Investoren" haben satte Renditen.
Sulfura hat geschrieben:Aber leider hat diese Aktion auch die Reformbereitschaft gedämpft.
Was bringen "Reformen" (siehe oben), wenn man die Situation nicht verbessert, sondern verschärft? Was bringen die "Spar"-anstrengungen, wenn dadurch die Wirtschaftskrise in dem Maße verstärkt wird, dass die wegbrechenden Steuereinnahmen die Einsparungen übersteigen, d.h. man anstelle eines Sparerfolgs ein Defizit einfährt? Du kannst es vermutlich erraten: nix. Selbst der IWF (Stichwort Fiskalmultiplikator) hats mittlerweile kapiert.
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Sulfura
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von Sulfura »

leffas hat geschrieben:
Sulfura hat geschrieben:Das ist richtig. Nur haben etliche Regierungen in den letzten Jahren viel zu (unrealistisch) hohe Steigerungen der Wirtschaftsleistung angenommen um so die Verschuldung zu relativieren. Der Spanische Ministerpräsident hat zu Boomzeiten sogar mal davon gesprochen, dass sein Land in den nächsten Jahren Deutschland in der Wirtschaftskraft überholen werde. Selbst in dieser Zeiten des Booms lag die Jugendarbeitslosigkeit übrigens bei satten 25%.
Spaniens Wirtschaft brummte ja vor der Krise. Deren Staatsverschuldung war niedriger als die deutsche, und deren Haushalt hatte sogar Überschüsse. Gut, das war großteils dem Immobilienboom geschuldet, mit Geld v.a. aus Deutschland. Immobilienboom weg, viel Geld in den Banken versenkt, und schon ists aus mit dem Boom und den Überschüssen. Und die Staatsverschuldung steigt.
So sieht's aus. Und dass diese masslose schuldenfinanzierte Immobilienblase platzt, war nur eine Frage der Zeit. Und nicht nur Spaniens Regierung litt unter Realitätsverlust
Sulfura hat geschrieben:
leffas hat geschrieben:bei Deutschland eher unproblematisch.
Das sehe ich eher anders.
Bitte ausführen :)
Nur ganz kurz: Probleme werden mit neuen Schulden zugedeckt, statt sie zu lösen. Ist ja für die Politik viel einfacher. Mastrichtvertrag, 60% Schuldengrenze, was kümmert uns das? Mal gucken, wann wir bei 100% Verschuldung sind.
Sulfura hat geschrieben:Aber wird das ewig gutgehen? Noch dazu bei Japans Altersstruktur. Ich denke nicht.
Was hat das mit dem Alter der Bevölkerung zu tun? Ist mal wieder die Demographie schuld? Wenn dem wirklich so sein sollte, dann lassen sich die Probleme in Europa und Japan ja überhaupt nicht lösen, denn dort werden die Menschen ja immer älter und es gibt zu wenig Kinder. Zudem Japan ein anderes Problem hat: Deflation gepaart mit Rezession/Stagnation, und das (mit einer Unterbrechung) seit 20 Jahren.
Wirtschaft hat immer mit Demographie zu tun. Aber Du scheinst wohl der Meinung zu sein, dass man seinen Schuldenberg ewig steigern kann.
Sulfura hat geschrieben:Irgendwann ist der Schuldenberg eben zu hoch, das Reformloch zu tief und die Investoren zu unwillig.
Platter gehts nicht? Reformloch? Exportieren wir doch unser HartzIV, damit sollte es doch klappen. :klatsch: Reformen, wie sie von den Märkten und markt-/neoliberalen Institutionen angedacht sind, heißt doch im Grunde nur: Steuern senken, Staatseigentum privatisieren, Deregulation. Dass sich der Staat damit seiner eigenen Einnahmen beraubt und dadurch die Rückzahlung der Schulden (die bleiben ja auf der gleichen Höhe) erschwert, interessiert ja erstmal nicht. Hauptsache, die "Investoren" haben satte Renditen.
Ok, ich habe verstanden. Machen wir die Schuldenberge noch etwas höher. Wettbewerbsfähigkeit erhöhen? Warum das denn? Lass uns lieber neue Schulden machen.
Sulfura hat geschrieben:Aber leider hat diese Aktion auch die Reformbereitschaft gedämpft.
Was bringen "Reformen" (siehe oben), wenn man die Situation nicht verbessert, sondern verschärft? Was bringen die "Spar"-anstrengungen, wenn dadurch die Wirtschaftskrise in dem Maße verstärkt wird, dass die wegbrechenden Steuereinnahmen die Einsparungen übersteigen, d.h. man anstelle eines Sparerfolgs ein Defizit einfährt? Du kannst es vermutlich erraten: nix. Selbst der IWF (Stichwort Fiskalmultiplikator) hats mittlerweile kapiert.
Aber wenn viele Südländer so weiterwursteln und Reformen nicht angehen, bringt doch das auch nichts. Statt irgendetwas zu ändern, wird lieber Solidarität eingefordert.

Apropo Steuereinnahmen
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 86075.html


Ich mach jetzt erstmal Brotzeit :prost:
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Dimebag666
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von Dimebag666 »

Zählt mal nach, wenn alle Oppositions-Politiker mit abgestimmt hätten, wäre das LSR knapp vom Tisch gewesen:

http://www.spiegel.de/flash/0,5532,2286 ... ilfe=false
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leffas
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von leffas »

Sulfura hat geschrieben:So sieht's aus. Und dass diese masslose schuldenfinanzierte Immobilienblase platzt, war nur eine Frage der Zeit. Und nicht nur Spaniens Regierung litt unter Realitätsverlust.
Wie die us-amerikanische Regierung, die britische, die deutsche usw. Und es ist ja beileibe nicht so, dass es die erste Immobilienkrise (Boom+Crash) gewesen ist. Ich mein, die Wirtschaftsgeschichte der letzten 100 Jahre gibt doch genügend Beispiele her für rel. viele (aber nicht alle) Szenarien, man hätte also wissen können...
Sulfura hat geschrieben:Nur ganz kurz: Probleme werden mit neuen Schulden zugedeckt, statt sie zu lösen. Ist ja für die Politik viel einfacher. Mastrichtvertrag, 60% Schuldengrenze, was kümmert uns das? Mal gucken, wann wir bei 100% Verschuldung sind.
Tja, schwer zu sagen, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass auch die deutschen Schulden absolut bzw. die Quote (also relativ) steigen werden. Bei der Quote muss ja nicht mal die absolute Höhe der Schulden steigen, es reicht ja, wenn das BIP fällt. Bei einem Land, das eine schwache Binnennachfrage hat und stark auf den Export setzt, und gleichzeitig die Peripherie (v.a. Europa) in einer Wirtschaftskrise steckt...

Naja, die 60%-Schuldengrenze... wie die 3% Neuverschuldung eine willkürliche Grenze. Wieso nicht 50% oder 70%? Wieso nicht 2% oder 4% Neuverschuldung am BIP?
Sulfura hat geschrieben:Wirtschaft hat immer mit Demographie zu tun. Aber Du scheinst wohl der Meinung zu sein, dass man seinen Schuldenberg ewig steigern kann.
Zwischen beiden Sätzen fehlt mir jetzt irgendwie der Zusammenhang. Zum zweiten Satz: nein, ich bin nicht dieser Meinung. Nur kann man ihn halt nicht abbauen, wenn man in eine Rezession Austeritätspolitik betreibt.
Sulfura hat geschrieben:Ok, ich habe verstanden. Machen wir die Schuldenberge noch etwas höher. Wettbewerbsfähigkeit erhöhen? Warum das denn? Lass uns lieber neue Schulden machen.
Siehe auch obige Passage. Und das mit der Wettbewerbsfähigkeit, die "wir Deuschen" ja wie ein Banner vor uns hertragen, ist ein zweischneidiges Schwert - denn Wettbewerbsfähigkeit ist immer relativ, man ist nur wettbewerbsfähig(er) gegenüber jemanden. Wie wird man wettbewerbsfähig? Indem man produktiver wird oder indem man die Löhne (besser: Lohnstückkosten) senkt. Vor kurzem war es noch so, dass etwa 70% der Exporte Deutschlands an die europäischen Nachbarn ging. Diesen haben unsere Mutter Blamage (siehe u.a. Rede von Davos) und etliche deutsche Ökonomen empfohlen, sie müssten wettbewerbsfähiger werden. Das Problem: wenn nun diese Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, sinkt im Verhältnis die deutsche. Woraufhin unsere Exporte in diese Länder zurückgehen. Was wir ja nicht wollen, denn wir wollen ja wieder Exporteuropameister werden. Was heißt das für uns? Genau, wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber diesen Ländern erhöhen. Und wie machen wir das? Siehe oben: Produktivität erhöhen oder Löhne senken. Wenn wir das (wieder mal) geschafft haben, haben die anderen Länder an Wettbewerbsfähigkeit verloren und müssen diese (wie sollte es anders sein) wiedergewinnen. Und schon geht das Spiel von vorne los und Europa (eher der Arbeitsmarkt für die Massen) in einer Spirale nach unten. Toll, oder?
Sulfura hat geschrieben:Aber wenn viele Südländer so weiterwursteln und Reformen nicht angehen, bringt doch das auch nichts. Statt irgendetwas zu ändern, wird lieber Solidarität eingefordert.
Was anderes als (temporäre) Solidarität wird uns aber nicht übrigbleiben. Zudem Deutschland und die deutschen Banken ja durchaus von der derzeitigen Situation profitieren.

Nun ja. Zu dem ganzen Schuldenkram und Italien vielleicht ein Video:
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von HannibalLecter91 »

Dimebag666 hat geschrieben:Zählt mal nach, wenn alle Oppositions-Politiker mit abgestimmt hätten, wäre das LSR knapp vom Tisch gewesen:

http://www.spiegel.de/flash/0,5532,2286 ... ilfe=false
Das Ding muss immer noch erst durch den Bundesrat. Und das soll im Mai stattfinden. Und da sich die Verhältnisse da ja dank der Niedersachsenwahl ja geändert haben, können die das Gesetzt noch kippen.
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von playloud308 »

Kann mir mal kurz jemand das LSR mal kurz erläutern?
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Sulfura
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von Sulfura »

leffas hat geschrieben: Naja, die 60%-Schuldengrenze... wie die 3% Neuverschuldung eine willkürliche Grenze. Wieso nicht 50% oder 70%? Wieso nicht 2% oder 4% Neuverschuldung am BIP?
Natürlich wurden diese beiden Werte (60 bzw. 3%) festgelegt. Anders geht das ja auch nicht. Gibt für soetwas eben noch keine naturgesetzliche Herleitung :)
Aber das Ziel, die Staatsschulden nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, war mit diesen beiden Grenzwerten klar formuliert und die Einhaltung wurde von den Mitgliedsstaaten auch brav zugesichert. Italien ist mittlerweile bei schlappen rund 130% angekommen und möchte am liebsten Eurobonds einführen um weiter von der Droge Schulden zu naschen.



Sulfura hat geschrieben:Wirtschaft hat immer mit Demographie zu tun. Aber Du scheinst wohl der Meinung zu sein, dass man seinen Schuldenberg ewig steigern kann.
Zwischen beiden Sätzen fehlt mir jetzt irgendwie der Zusammenhang. Zum zweiten Satz: nein, ich bin nicht dieser Meinung. Nur kann man ihn halt nicht abbauen, wenn man in eine Rezession Austeritätspolitik betreibt.
Aber Schulden werden doch nie abgebaut. Wenn die Wirtschaft gut läuft, darf man den Aufschwung nicht gefährden. Wenn die Wirtschaft schlecht läuft, muss man gegensteuern, heisst es immer.
Früher war es mal so gedacht, dass ein Staat in der schlechten Zeit mit Schulden die Wirtschaft ankurbelt und wenn die Wirtschaft dann wieder läuft und die Steuereinnahmen steigen, werden die Schulden, mit denen man die Konjuntur angekurbelt hat, wieder zurückzahlt. Das geschieht aber nicht. Da verteilen die Politiker lieber Wahlgeschenke. Und so steigen die Schulden zwangsläufig immer weiter, obwohl jeder weiss, dass irgendwann mal Ende im Gelände ist.
Und ich habe es ja bereits geschrieben: Schuldenmachen (man spricht auch vom süssen Gift) ist für Politiker der einfachere Weg. Dann braucht man auch nichts ändern
- an der unfassbaren Steuerhinterziehung (Link über Griecheland habe ich ja gepostet)
- an Politiker, die ihr Land als Selbstbedienungsladen ansehen (Italien ist da überaus kreativ)
- an der herrschenden Korruption (Fakelaki in Gr, von der Mafia in It ganz zu schweigen)
- an einem absolut ineffizienten Justitzsystem (Italien ist da ein Paradebeispiel)
- an einer aufgeblasenen Verwaltung
- an Vetternwirtschaft
- an den Subventionen (in vielen Fällen ist es eher ein Subventionsirrsinn)
hab ich was vergessen?

Und all diese Punkte wirken sich natürlich auch negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. Und da müssen dringend Reformen her. Kleine Reförmchen helfen da nicht mehr.


Sulfura hat geschrieben:Aber wenn viele Südländer so weiterwursteln und Reformen nicht angehen, bringt doch das auch nichts. Statt irgendetwas zu ändern, wird lieber Solidarität eingefordert.
Was anderes als (temporäre) Solidarität wird uns aber nicht übrigbleiben. Zudem Deutschland und die deutschen Banken ja durchaus von der derzeitigen Situation profitieren.
Temporär ist ein frommer Wunsch, aber das sehen einige Südländer wohl anders. Mir kommt es eher so vor, dass man durch politische Untätigkeit eine weitere Vergemeinschaftung der Schulden anstrebt. Nach dem Motto: Tut uns leid, wir haben uns bemüht ( :D ) aber es geht nicht anders. Und dann gute Nacht :(

Nun ja. Zu dem ganzen Schuldenkram und Italien vielleicht ein Video:
[/quote]
Aussage: Die Höhe der Schuldzinsen sind für Italien derzeit kein Problem, weil die EZB eingegriffen hat.

Ganz toll. Das ist aber meiner Meinung nach nicht die Aufgabe der EZB. Die EZB hat nicht die Aufgabe den italienischen Haushalt teilweise zu finanzieren. Die sollen ihren Laden in Ordnung bringen, dann können sie sich am Kaptalmarkt auch zu besseren Konditionen verschulden. Die Zinshöhe ist immer auch ein Disziplinierungsmittel. Und diese EZB Massnahme nimmt nunmal den Reformdruck von Italien. Und das ist sehr sehr gefährlich.
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Re: Bundestagswahl 2013 Thread

Beitrag von NegatroN »

http://www.dominionpaper.ca/articles/4100

Das nenne ich mal interessant. Das bedingungslose Grundeinkommen gab es also auch schon mal real, nicht nur in der Theorie. Und zwar offenbar auch erfolgreich.
And we’re bored of the fireworks
We want to see the fire
We’re long past being careful of what we wish for
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