Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Hier sammeln sich nur die Perlen an Threads, die niemals im Datennirvana verschwinden dürfen.
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guitar-fiend
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von guitar-fiend »

Luxemburgisch auf dem Weg zur ersten Amtssprache?

Ich war mal während einer Radtour ganz kurz in Luxemburg.
Meine Gedanken, als ich die Sprache zum ersten Mal live an der Bäckereitheke hörte:

"Ah, hier spricht man schon Französisch..."
"...nee das is ja Deutsch..."
"Hat die einen im Tee?"
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infected
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von infected »

guitar-fiend hat geschrieben:Luxemburgisch auf dem Weg zur ersten Amtssprache?

Ich war mal während einer Radtour ganz kurz in Luxemburg.
Meine Gedanken, als ich die Sprache zum ersten Mal live an der Bäckereitheke hörte:

"Ah, hier spricht man schon Französisch..."
"...nee das is ja Deutsch..."
"Hat die einen im Tee?"
Dieser Kulturkampf tobt in Luxemburg wohl schon seit längerem. Das erste mal hatte ich davon vor knapp 15 Jahren gehört, als mir ein guter Bekannter aus Luxemburg davon erzählte, dass es unter alteingesessenen Luxemburgern mehr und mehr um sich greift, dass sie Läden mit ausschließlich französischsprachigem Personal boykottieren. Er meinte, das läge wohl insbesondere an den französischsprachigen Pendlern, die sich weigern würden, eine andere Sprache zu lernen, während Pendler aus anderen Ländern eher dazu bereit wären auch Letzeburgisch zu lernen. Aber evtl kann unser Foren (Ex) Luxemburger Master auch mehr dazu sagen.
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Schnabelrock
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Schnabelrock »

Kostet dann vermutlich 700 Mio. Euro allein für Übersetzungen, die weniger Menschen interessieren als Coburg Einwohner hat. Und nachher jammern, dass die EU als bürokratisch, aufgebläht und teuer gilt.
In dubio contra googlio.
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infected
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von infected »

Da geht es aber nicht um die EU sondern um landesinterne Gesetze, die eben auch in die Nationalsprache übersetzt werden sollen, da bisher (seit dem Ende des 1. Weltkriegs) ausschließlich französisch die "juristische" Sprache ist.
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Schnabelrock
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Schnabelrock »

infected hat geschrieben:Da geht es aber nicht um die EU sondern um landesinterne Gesetze, die eben auch in die Nationalsprache übersetzt werden sollen, da bisher (seit dem Ende des 1. Weltkriegs) ausschließlich französisch die "juristische" Sprache ist.

Dann nehme ich mit Bedauern alles zurück und hoffe, dass es nur darum geht. Innerluxemburgische Angelegenheiten sind nicht meine Baustelle. :)
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infected
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von infected »

Oh man, Jürgen Todenhöfer wird Herausgeber bei der Wochenzeitung Der Freitag. Schade um die Zeitung und mein Abonnement, aber den Typen unterstütze ich mit keinem Cent.

http://meedia.de/2016/12/07/juergen-tod ... r-freitag/
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ragazzirosso
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von ragazzirosso »

infected hat geschrieben:Oh man, Jürgen Todenhöfer wird Herausgeber bei der Wochenzeitung Der Freitag. Schade um die Zeitung und mein Abonnement, aber den Typen unterstütze ich mit keinem Cent.

http://meedia.de/2016/12/07/juergen-tod ... r-freitag/
Ach du Scheiße...
Mich hat schon das Interview letzthin angekotzt. Aber gut, Meinungspluralismus. Vor ein paar Wochen habe ich erst ein Halbjahresabo abgeschlossen. Nun geht gleich die Kündigung raus. :sick:
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Master_of_Insanity
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Master_of_Insanity »

infected hat geschrieben:
guitar-fiend hat geschrieben:Luxemburgisch auf dem Weg zur ersten Amtssprache?

Ich war mal während einer Radtour ganz kurz in Luxemburg.
Meine Gedanken, als ich die Sprache zum ersten Mal live an der Bäckereitheke hörte:

"Ah, hier spricht man schon Französisch..."
"...nee das is ja Deutsch..."
"Hat die einen im Tee?"
Dieser Kulturkampf tobt in Luxemburg wohl schon seit längerem. Das erste mal hatte ich davon vor knapp 15 Jahren gehört, als mir ein guter Bekannter aus Luxemburg davon erzählte, dass es unter alteingesessenen Luxemburgern mehr und mehr um sich greift, dass sie Läden mit ausschließlich französischsprachigem Personal boykottieren. Er meinte, das läge wohl insbesondere an den französischsprachigen Pendlern, die sich weigern würden, eine andere Sprache zu lernen, während Pendler aus anderen Ländern eher dazu bereit wären auch Letzeburgisch zu lernen. Aber evtl kann unser Foren (Ex) Luxemburger Master auch mehr dazu sagen.
Ganz genau so ist es. Das Problem in LU ist halt, dass man mit Franzözisch überall durchkommt und um dort zu überleben, die beiden anderen Amtssprachen Luxemburgisch und Deutsch nicht unbedingt zu erlernen braucht. Dass Luxemburger Läden mit ausschließlich französischsprachigem Personal boykottieren stimmt, die gehen dann lieber nach Trier shoppen. Was mich persönlich mehr aufregt als die Pendler sind die etlichen Portugiesen, Italiener, Belgier und Franzosen, die schon seit Jahrzehnten im Ländchen leben, und trotzdem noch kein Wort Luxemburgisch können. In meinem Bekanntenkreis gibt es 2 Russinnen, die Kumpels von mir geheiratet haben, und für die war es eine Selbstverständlichkeit, nachdem sie sich in LU niedergelassen haben, neben Französisch auch Luxemburgisch zu lernen. Diese Selbstverständlichkeit geht Einwanderern aus frankophonen Ländern völlig ab ...

Richtig problematisch kann diese verzwickte Sprachensituation im Gesundheitssektor werden, wenn auch da nur französisch sprechendes Personal arbeitet. Einem Durchschnitts-Luxemburger fallen in einer Notsituation auch nicht gerade die französischen Synonyme für die akuten Beschwerden ein. Hätte ich jetzt ein Problem zB an der Bauchspeicheldrüse, müsste ich auch passen. Ich kann mich vage an einen Zeitungsartikel erinnern, der von einem Todesfall berichtete, weil ein luxemburgischer Patient dem Arzt auf französisch nicht klar machen konnte, was ihm fehlte.

Französisch ist linguistisch gesehen für die Luxemburger eine Fremdsprache, das Luxemburgische ist ein moselfränkischer Dialekt, und somit mit dem Deutschen verwandt. Wieso Französisch aber Amtssprache #1 ist, hat wahrscheinlich mit den beiden Weltkriegen zu tun (wo Luxemburg von Deutschland besetzt war, und die Deutschen dementsprechend verhasst waren), die genaueren Gründe dafür konnte mir aber noch niemand zufriedenstellend erklären
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infected
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von infected »

Kann ich dafür in etwa. Eigentlich ist das was heute Luxemburg ist, nur noch der Rest des alten Großluxemburgs, bzw. davon das das sogenannte deutschsprachige Quartier. Der französischsprachige ehemalige Teil gehört jetzt zu Belgien. Das Luxemburger Fürstenhaus sind die Nassauer, ehemals aus Wiesbaden stammend, also ein deutsches Fürstenhaus (wie in etwa bei 80% der restlichen Monarchien Europas) . Aufgrund der Besetzung während der beiden Weltkriege lehnte man sich stärker an Frankreich an und machte 1944 Französisch zur Sprache der Verwaltungen und Schulen (bis dahin war ausschließlich deutsch Amtssprache. Letzeburgisch ist überhaupt erst seit den 80er Jahren Amtssprache, bis dahin waren seit dem 2. Weltkrieg nur (Hoch)deutsch und Französisch Amtssprache.
Zuletzt geändert von infected am 08.12.2016 09:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Apparition
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Apparition »

Wenn Du jetzt noch weisst, warum "Nassauer" auch ein Synonym für "Schmarotzer" ist, bin ich glücklich. Das verfolgt mich seit Jahren. *g*
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von infected »

Apparition hat geschrieben:Wenn Du jetzt noch weisst, warum "Nassauer" auch ein Synonym für "Schmarotzer" ist, bin ich glücklich. Das verfolgt mich seit Jahren. *g*
Google hilft:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Nassauer
„Nassauer“ als Begriff für eine Person, die dauerhaft Leistungen ohne Gegenleistung in Anspruch nimmt, ist in dieser Bedeutung 1864 für Berlin bezeugt.[1] Das Wort könnte eine scherzhafte Umbildung des Berliner Begriffs nass sein, der „umsonst“ bedeutet. Der berlinerische Begriff stammt aus dem rotwelschen nassen, der sich aus dem westjiddischen nossenen ableitet und „schenken“ bedeutet.[2]
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Quertreiber »

Apparition hat geschrieben:Wenn Du jetzt noch weisst, warum "Nassauer" auch ein Synonym für "Schmarotzer" ist, bin ich glücklich. Das verfolgt mich seit Jahren. *g*
Ja, dieses Internet...dachte Merkel auch schon. *g*
Das Leben war real.

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Diewaldo
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Diewaldo »

Interessanter Artikel über Aleppo und die dazugehörige Medienberichterstattung:

https://www.heise.de/tp/features/Aleppo ... 64809.html
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Master_of_Insanity »

infected hat geschrieben:Kann ich dafür in etwa. Eigentlich ist das was heute Luxemburg ist, nur noch der Rest des alten Großluxemburgs, bzw. davon das das sogenannte deutschsprachige Quartier. Der französischsprachige ehemalige Teil gehört jetzt zu Belgien. Das Luxemburger Fürstenhaus sind die Nassauer, ehemals aus Wiesbaden stammend, also ein deutsches Fürstenhaus (wie in etwa bei 80% der restlichen Monarchien Europas) . Aufgrund der Besetzung während der beiden Weltkriege lehnte man sich stärker an Frankreich an und machte 1944 Französisch zur Sprache der Verwaltungen und Schulen (bis dahin war ausschließlich deutsch Amtssprache. Letzeburgisch ist überhaupt erst seit den 80er Jahren Amtssprache, bis dahin waren seit dem 2. Weltkrieg nur (Hoch)deutsch und Französisch Amtssprache.
Vielen Dank für diese Erklärung, ich habe echt großen Respekt vor Dir wie gut Du Dich in verschiedenen Gebieten auskennst. Und ich bin auch erstaunt dass wir das in der Luxemburger Schule nicht in Geschichte behandelt haben (ausser ich habe es verpennt *g*), und auch dass meine Luxemburger Kumpels anscheinend keine Ahnung von ihrer eigenen Geschichte haben. Hat vielleicht etwas zu tun mit der generellen "Wir wollen nix mit Deutschen zu tun haben" Mentalität, die in den Nachkriegsjahrzehnten noch herrschte
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borsti
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von borsti »

Diewaldo hat geschrieben:Interessanter Artikel über Aleppo und die dazugehörige Medienberichterstattung:

https://www.heise.de/tp/features/Aleppo ... 64809.html
Ist es denn eigentlich noch ein Wunder, dass immer mehr Menschen den großen meinungsbildenden Medien in diesem Land eine mangelnde Neutralität oder zumindest mangelnde Sorgfaltspflicht vorwerfen? Und wie ich schon mal geschrieben, bin ich weit davon entfernt, in Putin oder Assad etwas anderes als brutale Dikatoren zu sehen, denen letztlich jedes Mittel recht ist. Aber das Gegenteil von Böse ist in der echten Welt und vor allem im Krieg eben häufig nicht Gut, sondern nur eine andere Form des Übels.

So oder so: Ich bin der Meinung, der Krieg da unten muss so schnell wie möglich beendet werden. Wenn dafür Assad gewinnen muss, dann ist das eben so.
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