Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Hier sammeln sich nur die Perlen an Threads, die niemals im Datennirvana verschwinden dürfen.
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costa
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von costa »

ReplicaOfLife hat geschrieben: Auch ein Scheiß-Angebot ohne Lösungsansätze ist ein Angebot.
Da hast du Recht und da war ich zu borsti eventuell etwas harsch.
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metalbart
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von metalbart »

Rotstift hat geschrieben:Der Tagesspiegel hat sich mal im Dorf mit dem besten AfD-Ergebnis umgetan:

https://www.tagesspiegel.de/themen/repo ... 70544.html

Abgehängt am Arsch.
Das ist es, es gibt in Teilen eine Kontinuität des rassistischen Denkens, die sich nicht ändert. Und die können sich jetzt auf die Schulter klopfen, weil ihre Entscheidung AfD zu wählen, richtig Angst verbreitet.
Und Angebote gemacht wurden in den letzten Jahren doch genug. Grade in Sachsen tut die Cdu viel für das Verständnis der AfD Wähler. Wir leben aber immer noch in einer liberalen Demokratie, wenn jetzt jeder kritische AfD Kommentar als Wasser auf die Mühlen der Populisten oder direkt als linksextrem abgetan wird, weiss ich auch nicht mehr.
Die wissen schon ganz genau wie sie weiter spalten können.
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infected
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von infected »

Rotstift hat geschrieben:Der Tagesspiegel hat sich mal im Dorf mit dem besten AfD-Ergebnis umgetan:

https://www.tagesspiegel.de/themen/repo ... 70544.html

Abgehängt am Arsch.
Genau das. Für Sachsen und Brandenburg gibt es mehr als genug Untersuchungen über die Wähler, die mit den Mythen a la "wirtschaftlich abgehängte wählen die AfD trotz ihres Programms", gerade da wird sie eben genau wegen ihres Programms gewählt. Und Punkte wie Massenabschiebungen bzw. Remigration (auch so ein schöner Euphemismus) sind IMO halt auch nur wenig kaschierte Abwandlungen des alten Madagaskar Plans.
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Wishmonster
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Wishmonster »

Lesenswerter Text zum misslungenen Umgang mit der AfD
https://www.zeit.de/kultur/2019-09/land ... demokratie
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OriginOfStorms
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von OriginOfStorms »

Ich bin gestern über diesen Post bei fb gestolpert. Das trifft es (bis auf den letzten Halbsatz) sehr genau. Ich weiß auch absolut nicht was da erwartet wird. Bezahlt uns die komplette Infrastruktur, mindestens so daß es doppelt so gut ist wie im Westen aber stört uns gefälligst nicht beim Abhitlern? Ich habe die Schnauze gestrichen voll davon und mein Verständnis geht gegen Null.
Ehrlich gesagt: Ich habe es satt und glaube es auch nicht, wenn man mir versucht zu erklären, manchmal auch in Form von Selbstkasteiung, dass im Osten Nazis gewählt werden, weil „wir“ die Menschen im Osten schlechter behandeln als im Westen.

Dass im Osten Nazis gewählt werden, weil man sich nicht ausreichend kümmert.

Dass im Osten vermehrt Nazis gewählt werden, weil sich die Menschen als Deutsche zweiter Klasse fühlen.

Ward ihr mal im hessischen Vogelsberg? In der pfälzischen Pampa? Seid ihr mal durchs ländliche Niedersachen gefahren? Da träumt man von den Programmen, zur Förderung von Straßen und Orten, die im Osten Normalität sind.

Fahrt mal durch Stralsund oder Schwerin, und vergleicht die Situation mit Eckernförde oder Kiel!

Vergleicht die Gehälter im Osten und Westen nicht, ohne auch die Lebenshaltungskosten mit einzubeziehen.

Die Leute, die im Osten Nazis wählen, wollen autoritäre Kräfte an der Macht.

Die wollen Abstammungspolitik.

Die wollen, dass Leute die links, grün, schwul, antiautoritär, liberal, multikulti oder einfach Ausländer sind, durch staatliche Institutionen gegängelt werden.

Das macht deren Leben zwar nicht besser, aber das ist denen egal.

Es geht nicht um bessere Renten, bessere Infrastruktur.

Es geht nicht darum, dass Lebensmodelle ermöglicht werden.

Es geht auch nicht um Strukturwandel, die erleben Menschen im Westen doch ebenso. Ob den Niedergang der Werften, der Kohle- und Stahlindustrie, u.w.u.f.

Es geht denen die AfD wählen in Ost und West darum, dass es denen schlecht gehen soll, die nicht so einfältig, piefig und gestrig sind wie sie selbst.

Und diese Bastarde gewinnt man nicht zurück, in dem man gute Politik macht, Ihre imaginären Sorgen ernst nimmt, oder pädagogische „Sit ins“ macht, sondern in dem man ihnen zeigt, wo es lang geht.
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borsti
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von borsti »

NegatroN hat geschrieben:
Hyronimus hat geschrieben:
borsti hat geschrieben: Also gibt man Leute, die Extremisten wählen grundsätzlich verloren und findet sich damit ab, dass sie weiter Extremisten wählen? Gute Strategie, dann hat man denen bald halb Europa überlassen.
Wie erreicht man den Leute, denen die tatsächliche Politik, Argumente und Fakten am Arsch vorbeigehen? Leute, die noch nie einen Flüchtling gesehen oder sich - Gott bewahre! - mal mit einem unterhalten haben, die aber trotzdem glauben, sie könnten nicht mehr aus dem Haus gehen, weil sie spätestens nach fünf Metern gemessert und vergewaltigt werden? Leute, die trotz Schulbildung und ständiger Beteuerung der Wissenschaft nicht an den menschengemachten Klimawandel glauben und ihren Hass über Schüler ins Netz kotzen, die versuchen, etwas zu verändern und das Maul aufmachen? Leute, die in jeder Veränderung nur - und wirklich ausschließlich NUR - das Schlechte sehen? Die wollen kein Verständnis, die wollen bedingungslos anti sein. Und da hilft IMO nur klare Kante.
So, wie man allen Frustrierten zu helfen versucht: indem man ihnen Angebote macht und eine Perspektive aufzeigt. Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass es im Osten nicht in erster Linie um geschlossen rassistische oder faschistische Weltbilder geht, sondern vor allem um ein Gefühl des Abgehängtseins und des von oben verarscht Werdens. Das muss man adressieren und das tut aktuell vor allem die AfD, nur auf eine besonders ekelhafte Weise. Damit wird man nicht alle erreichen, aber mit Sicherheit einen relevanten Teil davon. Das ist mühsam, das ist langwierig und das hat keine Erfolgsgarantie. Aber dass es grundsätzlich möglich ist, zeigt nicht nur die Ochsentour von Kretzmer, sondern auch solcher Dinge hier: https://krautreporter.de/3041-frau-hofm ... -bezwungen
Ich finde die Analyse grundsätzlich richtig. Beim Abgehängtsein haben wir es mittlerweile allerdings in der Tat etwas weniger mit einem wirtschaftlichen als mit einem kulturellen Abgehängtsein zu tun - zumindest mit dem Gefühl davon. Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, in der Gesellschaft nicht stattzufinden.

Ich stamme aus Sachsen, bin immer noch jedes Jahr mehrere Wochen dort und weiß, dass die Zahl der Unzufriedenen deutlich größer ist, als die 27 Prozent AFD-Wähler. Viele wählen nochzähneknirschend CDU und Co. Weil sie keine Rassisten an der Macht wollen. Wenigstens um die lohnt es sich zu kämpfen. Wenn man es nicht macht, droht man auch die zu verlieren.

Ich weiß, dass es Manchen gibt, der sagt: Dann gebt den Scheiß Nazis halt Sachsen und lass diese Idioten, die so wählen das ausbaden. Das Problem ist nur, wenn die Extremisten merken, dass man vor ihnen zurückweicht, werden die weitermachen. Die werden sich nicht mit Sachsen, dem Osten oder dem ländlichen Raum zufriedengeben.

Und überhaupt international. Ja, es gibt ziemlich sicher in fast allen Ländern einen Bodensatz von 10 bis 15 Prozent Rassisten. Aber keine 40 Prozent, wie es momentan in Italien aussieht oder in Österreich, in Polen, Ungarn, Frankreich. Das passiert, wenn die politische Klasse die Menschen aufgibt und sich in Sicherheit wiegt. Das darf man so nicht um sich greifen lassen, sonst wird es schlimmer.

Sprich: Sogar für Leute, die tendentiell eher gegen Einwanderung sind, muss es noch ein demokratisches Angebot geben, dass sie vielleicht nicht 100-prozentig Happy macht, sie aber zumindest in großer Zahl von Extremisten fernhält.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von NegatroN »

borsti hat geschrieben:Beim Abgehängtsein haben wir es mittlerweile allerdings in der Tat etwas weniger mit einem wirtschaftlichen als mit einem kulturellen Abgehängtsein zu tun - zumindest mit dem Gefühl davon. Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, in der Gesellschaft nicht stattzufinden.
Definitiv. Und es ist ja auch nach wie vor so, dass fast alle Führungspositionen im Osten sowohl in der Politik wie in der Wirtschaft mit Wessis besetzt sind. Wo hat man da den Leuten ernsthafte Angebote gemacht? Wessis haben überwiegend entschieden, was für die Menschen da gut ist und was ein sinnvolles Angebot ist. Aber wirklich zugehört, wirklich gefragt oder die Leute mit ihren Biographien wirklich gleichberechtigt angenommen? Das war - zumindest nach Aussagen vieler - die große Ausnahme. Für viele war das eben keine gleichberechtigte Vereinigung, sondern ein Anschluss, bei denen wir denen erklärt haben, wie die Welt jetzt funktioniert.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von costa »

borsti hat geschrieben: Ich stamme aus Sachsen, bin immer noch jedes Jahr mehrere Wochen dort und weiß, dass die Zahl der Unzufriedenen deutlich größer ist, als die 27 Prozent AFD-Wähler. Viele wählen nochzähneknirschend CDU und Co. Weil sie keine Rassisten an der Macht wollen. Wenigstens um die lohnt es sich zu kämpfen. Wenn man es nicht macht, droht man auch die zu verlieren.
Aber, und vielleicht bin ich da naiv: Wenn ich keine Rassisten an der Macht will, dann wähle doch auch keine, egal wie unzufrieden ich bin, oder? Wer es jetzt lange genug geschafft hat, dieser Partei nicht anheim zu fallen, muss doch genug in der Birne haben um gleichzeitig auch zu merken, dass sie nicht wirklich etwas für die Leute im Osten tun wollen. Wer doch kapiert, dass es Rassisten sind und damit tatsächlich ein Problem hat, sollte doch an diesem (kaum noch vorhandenen) Blendwerk der Parolen vorbeisehen können und fällt nicht plötzlich um und rennt den Rassisten nach, weil Schulen schließen.
Aber wie gesagt, vielleicht bin ich da (geographisch wie politisch) einfach zu weit weg von um das kapieren zu können. Ich finde es nur schwer vorstellbar, dass man kapiert, was das für Leute sind, sie deshalb nicht wählt und es dann in der Zukunft doch tun soll, obwohl einem doch klar sein müsste, dass hinter den hohlen Versprechungen nichts stecken kann.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Porcupine »

NegatroN hat geschrieben:
borsti hat geschrieben:Beim Abgehängtsein haben wir es mittlerweile allerdings in der Tat etwas weniger mit einem wirtschaftlichen als mit einem kulturellen Abgehängtsein zu tun - zumindest mit dem Gefühl davon. Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, in der Gesellschaft nicht stattzufinden.
Definitiv. Und es ist ja auch nach wie vor so, dass fast alle Führungspositionen im Osten sowohl in der Politik wie in der Wirtschaft mit Wessis besetzt sind. Wo hat man da den Leuten ernsthafte Angebote gemacht? Wessis haben überwiegend entschieden, was für die Menschen da gut ist und was ein sinnvolles Angebot ist. Aber wirklich zugehört, wirklich gefragt oder die Leute mit ihren Biographien wirklich gleichberechtigt angenommen? Das war - zumindest nach Aussagen vieler - die große Ausnahme. Für viele war das eben keine gleichberechtigte Vereinigung, sondern ein Anschluss, bei denen wir denen erklärt haben, wie die Welt jetzt funktioniert.
Das stimmt natürlich. Doch der Anwalt des Ostens war eigentlich immer die Linke, die genau das (und viele andere andere Themen rund um soziale Gerechtigkeit) immer wieder thematisiert haben.
Ich bin - vorsichtig formuliert - absolut kein Freund davon, die hohen AFD-Werte damit zu entschuldigen dass sich die Wähler abgehängt fühlen. Das ist keine Entschuldigung. Die Leute wählen nicht rechts weil es ihnen schlecht geht. Sie wählen rechts weil sie Arschlöcher sind. Und ich bin auch nicht mehr bereit das in irgendeiner Form zu verharmlosen und zu relativieren. Der oben verlinkte Artikel ist ein gutes Beispiel dafür.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Hyronimus »

borsti hat geschrieben:
NegatroN hat geschrieben:
Hyronimus hat geschrieben:
borsti hat geschrieben: Also gibt man Leute, die Extremisten wählen grundsätzlich verloren und findet sich damit ab, dass sie weiter Extremisten wählen? Gute Strategie, dann hat man denen bald halb Europa überlassen.
Wie erreicht man den Leute, denen die tatsächliche Politik, Argumente und Fakten am Arsch vorbeigehen? Leute, die noch nie einen Flüchtling gesehen oder sich - Gott bewahre! - mal mit einem unterhalten haben, die aber trotzdem glauben, sie könnten nicht mehr aus dem Haus gehen, weil sie spätestens nach fünf Metern gemessert und vergewaltigt werden? Leute, die trotz Schulbildung und ständiger Beteuerung der Wissenschaft nicht an den menschengemachten Klimawandel glauben und ihren Hass über Schüler ins Netz kotzen, die versuchen, etwas zu verändern und das Maul aufmachen? Leute, die in jeder Veränderung nur - und wirklich ausschließlich NUR - das Schlechte sehen? Die wollen kein Verständnis, die wollen bedingungslos anti sein. Und da hilft IMO nur klare Kante.
So, wie man allen Frustrierten zu helfen versucht: indem man ihnen Angebote macht und eine Perspektive aufzeigt. Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass es im Osten nicht in erster Linie um geschlossen rassistische oder faschistische Weltbilder geht, sondern vor allem um ein Gefühl des Abgehängtseins und des von oben verarscht Werdens. Das muss man adressieren und das tut aktuell vor allem die AfD, nur auf eine besonders ekelhafte Weise. Damit wird man nicht alle erreichen, aber mit Sicherheit einen relevanten Teil davon. Das ist mühsam, das ist langwierig und das hat keine Erfolgsgarantie. Aber dass es grundsätzlich möglich ist, zeigt nicht nur die Ochsentour von Kretzmer, sondern auch solcher Dinge hier: https://krautreporter.de/3041-frau-hofm ... -bezwungen
Ich finde die Analyse grundsätzlich richtig. Beim Abgehängtsein haben wir es mittlerweile allerdings in der Tat etwas weniger mit einem wirtschaftlichen als mit einem kulturellen Abgehängtsein zu tun - zumindest mit dem Gefühl davon. Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, in der Gesellschaft nicht stattzufinden.

Ich stamme aus Sachsen, bin immer noch jedes Jahr mehrere Wochen dort und weiß, dass die Zahl der Unzufriedenen deutlich größer ist, als die 27 Prozent AFD-Wähler. Viele wählen nochzähneknirschend CDU und Co. Weil sie keine Rassisten an der Macht wollen. Wenigstens um die lohnt es sich zu kämpfen. Wenn man es nicht macht, droht man auch die zu verlieren.

Ich weiß, dass es Manchen gibt, der sagt: Dann gebt den Scheiß Nazis halt Sachsen und lass diese Idioten, die so wählen das ausbaden. Das Problem ist nur, wenn die Extremisten merken, dass man vor ihnen zurückweicht, werden die weitermachen. Die werden sich nicht mit Sachsen, dem Osten oder dem ländlichen Raum zufriedengeben.

Und überhaupt international. Ja, es gibt ziemlich sicher in fast allen Ländern einen Bodensatz von 10 bis 15 Prozent Rassisten. Aber keine 40 Prozent, wie es momentan in Italien aussieht oder in Österreich, in Polen, Ungarn, Frankreich. Das passiert, wenn die politische Klasse die Menschen aufgibt und sich in Sicherheit wiegt. Das darf man so nicht um sich greifen lassen, sonst wird es schlimmer.

Sprich: Sogar für Leute, die tendentiell eher gegen Einwanderung sind, muss es noch ein demokratisches Angebot geben, dass sie vielleicht nicht 100-prozentig Happy macht, sie aber zumindest in großer Zahl von Extremisten fernhält.
Wie schafft man es eigentlich, Leuten, die noch nie einem Flüchtling begegnet sind - siehe Artikel aus dem Tagesspiegel - einzureden, dass Migration unser größtes Problem wäre? Und wo repräsentiert denn die AfD mit aus dem Westen importierten Nazis die Sachsen besser als die demokratischen Parteien? Und wieso scheinen einige nicht zu kapieren, dass Freiheit auch mit einem großen Maß an Eigenverantwortung einhergeht? Immer auf die Politiker zu zeigen, wenn im eigenen Leben etwas schief läuft, ist halt echt ziemlich kurz gedacht. Wobei: Wer bei der AfD sein Kreuz macht, denkt halt de fakto gar nicht. Und schadet am Ende des Tages der gewünschten Wahrnehmung und Repräsentation um einiges mehr, als es nützt.

BTW: Als ob wir in Sachen Migration noch auf dem Stand von 2015 wären. Da liegt halt mindestens ein Türkei-Deal und der bayerische Grenzschutz dazwischen. Aber solange man jedes Rettungsschiff vor Lampedusa zum Politikum machen kann und sich wochenlang an seiner eigenen Unmenschlichkeit aufgeilt, wirkt es natürlich so, als ob hier täglich zigtausend Flüchtlinge aufschlagen. Und wenn man fieberhaft jedes Lokalblatt der Republik nach der neusten Messerstecherei absucht und sich das anschließend noch für die Filterblase zurechtbiegt, wird man natürlich täglich fündig und fühlt sich in seinem Rassismus schön bestätigt. Blöderweise kann das halt dazu führen, dass man die wirklich wichtigen Themen übersieht und man sich in Sachen Digitalisierung, Klimaschutz, Mobilität, demographischer Wandel etc. pp. mal richtig schön abhängen lässt. Es ist alles so schlimm zum Haareraufen, ey.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Schnabelrock »

Hyronimus hat geschrieben:Wie schafft man es eigentlich, Leuten, die noch nie einem Flüchtling begegnet sind - siehe Artikel aus dem Tagesspiegel - einzureden, dass Migration unser größtes Problem wäre? Und wo repräsentiert denn die AfD mit aus dem Westen importierten Nazis die Sachsen besser als die demokratischen Parteien? Und wieso scheinen einige nicht zu kapieren, dass Freiheit auch mit einem großen Maß an Eigenverantwortung einhergeht? Immer auf die Politiker zu zeigen, wenn im eigenen Leben etwas schief läuft, ist halt echt ziemlich kurz gedacht. Wobei: Wer bei der AfD sein Kreuz macht, denkt halt de fakto gar nicht. Und schadet am Ende des Tages der gewünschten Wahrnehmung und Repräsentation um einiges mehr, als es nützt.

BTW: Als ob wir in Sachen Migration noch auf dem Stand von 2015 wären. Da liegt halt mindestens ein Türkei-Deal und der bayerische Grenzschutz dazwischen. Aber solange man jedes Rettungsschiff vor Lampedusa zum Politikum machen kann und sich wochenlang an seiner eigenen Unmenschlichkeit aufgeilt, wirkt es natürlich so, als ob hier täglich zigtausend Flüchtlinge aufschlagen. Und wenn man fieberhaft jedes Lokalblatt der Republik nach der neusten Messerstecherei absucht und sich das anschließend noch für die Filterblase zurechtbiegt, wird man natürlich täglich fündig und fühlt sich in seinem Rassismus schön bestätigt. Blöderweise kann das halt dazu führen, dass man die wirklich wichtigen Themen übersieht und man sich in Sachen Digitalisierung, Klimaschutz, Mobilität, demographischer Wandel etc. pp. mal richtig schön abhängen lässt. Es ist alles so schlimm zum Haareraufen, ey.

Das ist alles gefühlt. Wie die Temperatur. Seitdem "gefühlt" zählt, hat man Angst, in der Strassenbahn von Dessau oder Mösepitz überfremdet und abgestochen zu werden und darf das auch.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Rorschach »

Ich weiß nicht wie man die AfD-Wähler noch einfangen kann. Einen Teil sicher nie, weil die einfach, wie schon von anderen beschrieben, Rassisten sind die endlich mal eine Alternative zur NPD haben.

Es wäre sich mal ein Anfang wenn die Regierungen, von Kommunal- bis Bundesebene, ein wenig deutlicher machen würden warum sie bestimmte politische Entscheidungen treffen. Hier liegt m. E. der Hase im Pfeffer. Viel Politikverdrossenheit kommt doch daher, dass die Regierung(en), gleich welcher Couleur, Politik am Wähler vorbei machen. Der Wähler wird alle paar Jahre gebraucht um Posten zu sichern (also, gefühlt) und sonst nicht. Ich würde mir wünschen, dass die Wähler politische Entscheidungen auch nachvollziehen können. Dass verdeutlicht wird, was bestimmte Maßnahmen konkret für Ursachen haben und welche Ziele mit bestimmten Entscheidungen verfolgt werden. Das findet viel zu wenig statt. Digitalisierung, neue Medien, soziale Netzwerke - da wird unendlich viel Potential seitens der "Volksparteien" verschleudert.

Dann kommt noch dazu, dass es den beiden (ehemals) Großen an Profil fehlt. Das kommt nicht zuletzt daher, dass Angela Merkel sich schnell mal grüne oder sozialdemokratische Themen zu eigen gemacht hat um dem politischen Gegner das Wasser abzugraben. Hat funktioniert, es weiß doch keiner mehr für was die SPD eigentlich noch steht. Nicht mal die SPD selbst. Ich würde mir hier von allen Seiten mal eine Profilverschärfung wünschen. Klare Kante zeigen, gegeneinander und vor allem gegen die Rassisten der AfD.

Wenn ich mir das jetzt nochmal so durchlese scheint mir das etwas einfach gestrickt und plakativ zu sein, aber besser kriege ichs auf die Schnelle nicht hin.

Jedenfalls hat Greta Thunberg es geschafft dass Markus Söder einen Baum umarmt. Es ist noch nicht alles verloren.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Tolpan »

borsti hat geschrieben:Ich finde die Analyse grundsätzlich richtig. Beim Abgehängtsein haben wir es mittlerweile allerdings in der Tat etwas weniger mit einem wirtschaftlichen als mit einem kulturellen Abgehängtsein zu tun - zumindest mit dem Gefühl davon. Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, in der Gesellschaft nicht stattzufinden.
Und warum wählt man dann nicht die Linken?

Es ist ja nicht so, als ob es keine Alternative zu den GroKo-Parteien oder den bösen Grünen gäbe.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von costa »

Tolpan hat geschrieben:
borsti hat geschrieben:Ich finde die Analyse grundsätzlich richtig. Beim Abgehängtsein haben wir es mittlerweile allerdings in der Tat etwas weniger mit einem wirtschaftlichen als mit einem kulturellen Abgehängtsein zu tun - zumindest mit dem Gefühl davon. Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, in der Gesellschaft nicht stattzufinden.
Und warum wählt man dann nicht die Linken?

Es ist ja nicht so, als ob es keine Alternative zu den GroKo-Parteien oder den bösen Grünen gäbe.
Ja, aber das sind ja dann wieder die bösen Linken.
Und die sind ja bekanntlich genauso schlimm.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Schnabelrock »

Tolpan hat geschrieben:Und warum wählt man dann nicht die Linken?

DIE WOLLEN UNS DOCH ÜBERFREMDEN!!!!!!!11!!!!
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