Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (neu: "Clockwork Angels")

Hier sammeln sich nur die Perlen an Threads, die niemals im Datennirvana verschwinden dürfen.
VoiceOfTheSoul
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Power Windows")

Beitrag von VoiceOfTheSoul »

Was mir noch zum Thema "herausstechende Textzeilen" eingefallen ist: Auf dieser Scheibe sind das für mich besonders die "Manhattan Project"-Zeilen 'The big bang took and shook the world - Shot down the rising sun'. Ich habe das jahrelang immer in Bezug auf den Lichtblitz der Atombombe gedeutet, der ja durch seine unvorstellbare Helligkeit gewissermaßen das Licht der aufgehenden Sonne verblassen ließ (sowohl der allererste Atomtest in Nevada als auch der Angriff auf Hiroshima fanden ja morgens statt). Erst beim ca. 200sten Hören fiel mir irgendwann auf, dass man diese Stelle ebensogut als Metapher für die Kapitulation Japans verstehen kann: Durch den 'big bang', also die Bombe, wurde das Reich der 'aufgehenden Sonne' (also Japan) nieder geschossen.

Sehr geniale Doppeldeutigkeit und ein weiterer Beleg dafür, welch begnadeter Texter Neil Peart ist!
We are young
Wandering the face of the earth
Wondering what our dreams might be worth
Learning that we`re only immortal for a limited time

- Neil Peart (1952-2020) -
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MetalEschi
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Power Windows")

Beitrag von MetalEschi »

Immer, wenn ich Manhattan Project höre denke ich, dass das wahrscheinlich der beste Refrain überhaupt ist. Und dann kommt Marathon. Und Emotion Detector. Und Mystic Rhythms. Alles auf dem gleichen Album. Eigentlich schon unfassbar, andere Bands freuen sich, wenn sie so was Großes einmal in ihrem Leben auf die Reihe kriegen. Rush machen es innerhalb von ein paar Minuten gleich mehrfach.

Zum Thema Rush-Texte sag ich noch was, wenn wir bei Hold Your Fire angekommen sind. Da hauts mich gleich mehrfach um.
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costa
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Power Windows")

Beitrag von costa »

Es ist gut möglich, dass ich "Hold Your Fire" schon in der kommenden Woche schaffe. Wenn nicht, dauert's jedoch vermutlich ein gutes Stück länger dann.
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Power Windows")

Beitrag von metalbart »

Irgendwann in der Weihnachtspause nehme ich mir den Thread hier noch mal vor.
Bisher hab ich eigentlich nur die 1 € Moving Pictures vom Flohmarkt. >Die ist richtig geil.
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oger
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Power Windows")

Beitrag von oger »

Schönes Review zu makellosesten Rush-Album.
Rotorhead
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Power Windows")

Beitrag von Rotorhead »

oger hat geschrieben:Schönes Review zu makellosesten Rush-Album.

Dein Kommentar zum Moving Pictures Album kommt aber reichlich spät 8) :D
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Power Windows")

Beitrag von oger »

Da waren die guten Ansätze für PW schon zu erahnen. :D
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guitar-fiend
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Power Windows")

Beitrag von guitar-fiend »

costaweidner hat geschrieben:Es ist gut möglich, dass ich "Hold Your Fire" schon in der kommenden Woche schaffe. Wenn nicht, dauert's jedoch vermutlich ein gutes Stück länger dann.
Ein ziemlich gutes Stück... :wink:

Übrigens hab ich zum Frühstück zufällig gelesen, dass "Clockwork Angels" heute vor fünf (!) Jahren erschienen ist. Wie die Zeit vergeht...
Zuletzt geändert von guitar-fiend am 12.06.2017 14:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Power Windows")

Beitrag von costa »

guitar-fiend hat geschrieben:
costaweidner hat geschrieben:Es ist gut möglich, dass ich "Hold Your Fire" schon in der kommenden Woche schaffe. Wenn nicht, dauert's jedoch vermutlich ein gutes Stück länger dann.
Ein ziemlich gutes Stück... :wink:
Ups. *lol*
Ja, der ein oder andere wird gemerkt haben, dass ich nicht mehr so übermäßig aktiv bin hier, aber das sollte sich auch mal wieder ändern.
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Power Windows")

Beitrag von costa »

HOLD YOUR FIRE (1987)

1. Force Ten (4:33)
2. Time Stand Still (5:09)
3. Open Secrets (5:38)
4. Second Nature (4:36)
5. Prime Mover (5:22)
6. Lock and Key (5:10)
7. Mission (5:18)
8. Turn the Page (4:55)
9. Tai Shan (4:17)
10. High Water (5:33)

TOTAL PLAYING TIME: 50:25


Cover

Nachdem das Review zum Vorgänger ja ein ziemlicher Strudel des Chaos war, insbesondere aufgrund meiner persönlichen Verbindung zu dem Album, sollte es bei "Hold Your Fire" zwar nicht grade objektiv aber zumindest wieder geordneter verlaufen. "Hold Your Fire" war lange auf Platz 2 in meinem RUSH-Ranking und danach auch weiterhin in meiner Top 3, was es inzwischen nicht mehr ist. Das liegt nicht daran, dass das Album auch nur ansatzweise schwach wäre, denn auch das 1987er-Werk enthält eine Reihe von Songs, die in ihrer Brillanz so sehr scheinen, dass ich sie niemals missen möchte. In der Breite jedoch, finde ich inzwischen, haben die Kanadier stärkere Alben gemacht, die einem aber dafür die Hit-Schaufel nicht so über die Rübe zimmern.

Die Produktion bestritt hier zum zweiten von vier Malen Peter Collins. Wie im vorherigen Review bereits angedeutet, spürt man bei den beiden 80er-Alben, die er mit RUSH aufnahm sehr, sehr deutlich, dass er vorher vor allem im Pop-Sektor gearbeitet hatte. Kein Album von RUSH steht dem 80er-Pop so nahe wie das vorliegende. Das liegt an der Produktion genauso sehr wie am Songwriting selbst. Wo "Power Windows" sehr vielschichtig ist ohne Eingängigkeit missen zu lassen, glänzt "Hold Your Fire" mit einer extremen Nahbarkeit und Offenheit, wirklich Düsteres wie es beim Vorgänger beispielsweise bei 'Territories' noch gab, sucht man inzwischen eigentlich vergebens. Umso lustiger ist es, dass "Hold Your Fire" zunächst chart-technisch hinter den Erfolgen anderer Alben der Band zurückblieb. Was ich mir ehrlich gesagt auch nur so medium erklären kann, da diesmal die Single-Auskopplungen deutlich intelligenter gewählt waren als noch beim Vorgänger.

Kaum noch erwähnenswert ist an diesem Punkt der Bandkarriere, dass erneut alle Lyrics von Neil Peart stammen, wobei er beim Opener Unterstützung von Pye DuBois bekam. Ursprünglich sollten sich die Lyrics wohl (mal wieder) von unterschiedlichen Standpunkten um das selbe Thema drehen, diesmal sollte es "Zeit" sein. Während des Schreibprozesses wurde letztlich eher das zentrale Thema "Instinkt" daraus. Wie genau jeder Song dazugehört, weiß ich mal wieder nicht. Auch weiterhin ist mein Standpunkt, dass ich Neils Texte fantastisch finde, besonders einzelne Sequenzen, aber für die Details werde ich wohl kein Experte mehr. Wie viele der Vorgänger enthält auch "Hold Your Fire" keinen Titelsong, allerdings eröffnet der Titel den Song 'Mission'. Gutes Stichwort, auf in die Songs.

Die Songs:

FORCE TEN
Wie schon "Power Windows" beginnt dieses Album quasi hymnisch. Chöre, Synthesizer und so weiter. In die Strophe leitet man beinahe entspannt über bevor diese einen ordentlichen Drive aufnimmt, der aber (man muss es zugeben) schon ein ganzes Stück von Rockmusik entfernt ist. Soundtechnisch stehen Vocals, Bass und Synthies im Vordergrund. Wie so oft in den 80ern setzt Alex vor allem Akzente während Neil die Basis legt. Der erste Aufhorchmoment ist zweifelsohne wenn die Band das Tempo komplett rausnimmt um ihn den Chorus zu gehen. Neil nimmt sich hier bis auf einzelne Akzente völlig heraus, der Fokus könnte kaum mehr auf Melodien statt Rhythmus liegen. Was nicht heißt, dass nicht vor allem die Strophen voller Kabinettstückchen sind und grade die Drums hier ihre großen Momente bekommen, man höre vor allem die Mitte der zweiten Strophe. Nach dem zweiten Chorus wird es sogar regelrecht groovig bevor man wieder in eine treibende Strophe geht, auf die ein leicht abgeänderter Chorus folgt. 'Force Ten' ist für mich ein eigenartiger Fall. Er fiel mir von Anfang an als Hit auf, ist aber kein typischer RUSH-Opener. Wäre er in der Mitte des Albums platziert, hätte er vermutlich sogar einen ganz anderen Status für mich. So ist er für mich klar eins der Albumhighlights.

TIME STAND STILL
Und Highlights gibt es auf "Hold Your Fire" einige, doch bei den ersten paar Hördurchläufen (so ging es jedenfalls mir) werden sie ausnahmslos von diesem Song überschattet. Ja, 'Time Stand Still' ist ein lupenreiner Pop-Song mit Rock-Anleihen...aber das ist mir so scheißegal, ich meine, wo um alles in der Welt soll man solche Melodien sonst hören? Das beginnt mit Alex' Arpeggien im Intro, es geht weiter mit der leicht melancholischen Strophe (Gänsehaut, selbst bei diesem Wetter). Auch hier ist Geddys Bass wieder sehr dominant, während Alex die Harmonie-Arbeit liefert. Aber um Himmels Willen dieser Chorus. Ausgestattet mit Gastvocals von Aimee Mann, die den Titel singt, fahren RUSH hier schon wieder alle Register auf. Nur hören andere Bands halt nach einer Chorus-Melodie auf. RUSH liefern in 'Time Stand Still' derer drei und die beste ist folgende:"Freeze this moment a little bit longer..." Ich glaube, ich könnte diese Worte irgendwo geschrieben sehen und würde gedanklich schon ausflippen. Der Songaufbau bleibt danach für's erste gleich. Dennoch ändert Geddy hier und da mal eine Gesangslinie ab. Wie schon im Opener wird aber zum Refrain erstmal das Gas runtergedreht. Den besten Part haben sie sich aber aufgehoben. Am Ende des zweiten Refrains ruft Geddy nochmal "Time stand still!", darauf folgt ein etwas treibender Part mit zum Heulen schönen Arpeggien von Alex, daraus geht man wieder in den Chorus, danach völlig natürlich wieder zurück, Neil packt die ungewöhnlich straighte Viertel-Snare aus und da zerreißt es mir dann komplett alles. Außerdem hab ich keinen Dunst wie ich das erklären soll. Natürlich ist das Kunst, aber die liegt eben nicht in irgendwelchen völlig abgefahrenen, nie da gewesenen Sachen, sondern in einem Melodieverständnis wie es gewöhnlichen Menschen abgeht. *g*

OPEN SECRETS
'Open Secrets' wurde mir zu Beginn immer als totales Highlight angepriesen, aber nach den beiden Hämmern davor ging er bei mir eigentlich immer etwas unter. Also, anfangs. Das Intro mutet etwas "Power Windows"-mäßig an, spannender ist aber der schleppende Teil mit dem kurzen Solo von Alex, der später auch in den herrlichen Chorus überleitet. Was spätestens jetzt auffällt, ist, dass RUSH komplexe Songaufbauten größtenteils abgelegt haben. Natürlich kommt auch hier mal eine plötzliche Änderung im Ablauf, aber grundsätzlich läuft zumindest die erste Songhälfte stets "Intro-Strophe-Chorus-Strophe-Chorus" ab. Was bei den meisten Bands halt logisch ist, hatte RUSH auf einigen der Vorgängeralben nicht so recht gekümmert. Alleine deshalb hätte "Hold Your Fire" eigentlich schon mehr kommerziellen Appeal haben müssen. Sah die breite Masse aber offensichtlich anders. Nach einem kurzen Break darf Alex dann erstmals auf dem Album ein richtiges Solo spielen und es ist wie schon in 'Between the Wheels' zum Beispiel, dass er regelrecht entfesselt klingt, weil er sich endlich austoben darf. Entsprechend erinnerungswürdig ist der entsprechende Songpart. (Das Solo in 'Between the Wheels' ist aber besser. *g*) Achso, andere Leute denken bei "Let it go" vermutlich an diesen Disney-Schandsong (den ich nicht mal im Ohr habe grade), bessere Leute halt an 'Open Secrets'.

SECOND NATURE
Hier steigt man mit Keyboardintro ein und es klingt beinahe balladesk, nur halt in keinster Weise introvertiert oder düster. So ernst das Thema mancher Lyrics auch ist, es gibt kaum ein RUSH-Album, das ich eher bei Sonnenschein auflegen würde. Erneut regieren die Gesangsmelodien supreme, aber den besten Songmoment liefern ein ca. zweisekündiger Instrumentalpart mitten in einer Gesangslinie. "We fight the fire" - drei Schläge "while we're feeding the flame." Erhabenheit! Überhaupt ist der Chorus wieder ewig lang und glänzt mit Momenten, aus denen andere Bands drei Songs gemacht hätten. Wer jetzt meint, dass sich das doch mal wieder arg unkritisch liest im Vergleich dazu, was ich im Anleser andeutete - abwarten, Gedöhnsvolk. :D Zumal ich auch hier schon sagen muss: 'Second Nature' ist extrem stark, aber fällt im Vergleich zu den drei Songs vorher ab.

PRIME MOVER
Das ändert sich dann mit dem für mich klaren Albumhighligt. Jeder Synthesizer-Ton, jeder abgefahrene Basslauf, der wundervoll formulierte Text, das simpel wie originelle Drumming, die ruhige Strophe, die sich immer weiter zum überlebensgroßen Refrain steigert...wo bei den ersten Songs der Eindruck war, dass manche Elemente des Bandsounds im Vordergrund stehen, drängt sich dieser Gedanke hier genau gar nicht auf. Wobei sich am Sound natürlich nichts geändert hat, aber es arbeitet alles so exzellent zusammen als hätten RUSH den Song mal eben spontan geschrieben und direkt eingespielt - so viel Freude steckt da drin, gepaart mit so viel Erfahrung und zudem einer Menge an Vorplanung, die einem klar ist, die man aber nicht hört. Spontaneität, die keine ist. Ich fasele mir deshalb schon wieder die Tasten fusslig, weil 'Prime Mover' zusammen mit 'Middletown Dreams' für mich zu den absoluten Band-Highlights gehört und ich auch nur ansatzweise versuche zu vermitteln, was da in mir vorgeht. Nach etwa dreieinhalb Minuten setzt Geddy am Bass gerade aus und wenn er dann mit zwei einzelnen Tönen wieder einsteigt, fliegt mir der Hut weg obwohl ich keinen aufhabe, weil es so perfekt an der Stelle sitzt, wo es sein muss. Immer. Egal in welchem Gemütszustand ich den Song höre, er hat sowas unheimlich Aufbauendes. Und ich bin ja beileibe nicht der größte Optimist hier. Und in welchen RAUSCH (pun not intended), die sich hier auch spielen in der letzten Minute. Und wenn nach "the point of surrender" die Grund-Synthesizerlinie wieder einsetzt. Hüte, die fliegen. Ernsthaft.

LOCK AND KEY
Hier macht mich seit jeher fertig, dass die ersten 10 Sekunden ungelogen wie ein Game- oder Talk-Show-Intro klingen und ich glaube, ich habe es auch mal in einem Schul-Sketch oder solch einem Schabernack als solchen verwendet. *g* Ansonsten gewinne ich den Eindruck, dass 'Lock and Key' immer etwas untergeht bei den Albumhighlights. Zu Unrecht, wie ich finde. Ich stehe völlig auf die Rhythmik im Refrain, die vor allem durch Neils wahnsinnig lässiges Drumming kommt (ich liebe den Übergang von Bridge zu Chorus). Über diese Basis dann die schön gemeinsam verlaufenden Synthie- und Gesangslinien und Alex' Arpeggienorgie (sowie sein Solo nach dem zweiten Chorus) und man hat einen Song, der es in meinen Ohren astrein mit 'Open Secrets' und 'Second Nature' aufnimmt. Wie hymnisch Refrains regieren können.

MISSION
Hier wohl das absolute Albumhighlight vieler. Ich unterschreibe das zwar nicht ganz, muss aber sagen, dass Song 1-7 von "Hold Your Fire" generell ein bescheuert hohes Niveau aufweisen. Diesen ist es auch zu verdanken, wie hoch das Album bei mir lange im Kurs stand. 'Mission' fasst "Hold Your Fire" als Konzept sehr gut zusammen. Ruhiges Intro, flotte Strophe, hymnischer, getragener Refrain mit riesiger Gesangslinie. Diese ist auch wirklich unumstößlich gut, aber ein 'Time Stand Still' oder ein 'Prime Mover' haben da halt ganz andere Sachen auf dem Platz sozusagen. Ändert nichts dran, dass sich andere Bands für die Melodien die Beine (beide) ausreißen würden und das Ding auf einigen späteren RUSH-Alben unumstößlich der Regent wäre. Im Instrumentalteil zieht die Band dann nochmal deutlich mehr vom Leder als auf dem Rest des Albums. Nicht wirklich, was Härte betrifft aber schon was das entfesselte Drauflos angeht.

TURN THE PAGE
Und ab hier fällt die Qualität für mich ab. Damit mag ich mich jetzt unbeliebt machen, aber ich hab immer so ein bisschen den Eindruck, dass die Band in den Songs davor so dermaßen aus dem Vollen geschöpft hat, dass einfach nichts mehr von diesem Niveau übrig war. Keiner der folgenden drei Songs ist schlecht, aber der Abfall im Vergleich zu den Highlights ist schon sehr auffällig. 'Turn the Page' glänzt mit einem schön flotten Beginn und einem durchdachten, aber wie ich finde, dennoch etwas flachen Refrain. Und das wäre an sich gar kein Problem, hätte man nicht vor zwanzig Minuten oder so sich selbst gezeigt wie sowas eigentlich geht. Cool an dem Song finde ich aber wie vor das Bassriff, das im Intro ertönt und immer wieder aufgegriffen wird. Ist auch das erste, was mir zu dem Song grundsätzlich einfällt, weit bevor ich an den Chorus denke oder so.

TAI SHAN
Wie der Titel auch dem unbedarften Leser gegenüber bereits andeutet, landen wir nur in asiatischem Territorium. Für RUSH ist das in dem Sinne kein Neuland, gab es ja bereits 'A Passage to Bangkok' und 'Territories'. Von den drei abschließenden "Hold Your Fire"-Songs ist das für mich sicherlich der stärkste und ich weiß, dass grade 'Tai Shan' auch seine solide Fanbasis hat. Da gehöre ich nicht dazu. *g* Grundsätzlich polarisiert er wohl auch etwas, soll heißen, dass manche Fans den Song total unausstehlich finde. So weit gehe ich, wie gesagt, nicht. Ich mag die ruhige Atmosphäre, dieses Erhabene, Getragene sehr. Im Gegensatz zum Beginn des Albums wo die Synthesizer vor allem dominante Melodielinien produziert haben, sind sie hier eher flächig eingesetzt. Das trägt zur erwähnten Atmosphäre bei, aber um in die Nähe der Höhepunkte zu kommen, fehlt mir hier trotzdem irgendetwas.

HIGH WATER
So, hier bin jetzt einfach ich überfragt. Ich bin aus dem Song nie wirklich schlau geworden, dabei ist er in keinster Weise ungewöhnlich. Aber ich hab hier wieder so ein völlig sinnloses Phänomen wie bei 'Countdown' (wenn auch weniger extrem), dass ich mir den Song einfach nicht merken kann. Selbst wenn ich ihn dann höre, packt er mich aber als Song nicht übermäßig. Durch das sehr dominante Drumming erinnert er etwas an 'Mystic Rhythms' aber eben doch im "Hold Your Fire"-Mantel. Mir mangelt es aber auch hier wieder an den ganz großen Momenten und gleichzeitig dem großen Ganzen wie es die ersten zwei Drittel des Albums aufweisen, so toll die "Water takes you home"-Zeile auch ist. Aber der Song hat etwas irgendwie Abschließendes, Versöhnliches, Verabschiedendes und auf sowas am Albumende stehe ich ja eh immer. Zudem endet hier eigentlich eine Phase in der Bandkarriere, die mit "Signals" begann. Obwohl manche Nachfolgealben noch vereinzelt mit Keyboards und Synthesizern gefüllt wurden, endet hier die ganze große Synth-Phase von RUSH. Somit ist der Song für mich doch deutlich relevanter als die Summe seiner Teile.

Wie bewertet man (also ich) nun ein solches Album? Wie gesagt, anfangs haben die Hits das Albumende so überschattet, dass "Hold Your Fire" für mich eine astreine 10 und eins der Band-Highlights war. Das sehe ich inzwischen etwas anders. Momentan haben RUSH drei 10er-Alben und davon waren zwei schon. "Hold Your Fire" bekommt von mir 9,5, weil es atmosphärisch als Album zu 100% stimmig ist, auch die letzten drei Songs unendlich weit von schwach entfernt sind und das Songmaterial von 1-7 ein Niveau aufweist, bei dem ich mir am liebsten selbst auf's Dach steigen würde.

3 Tips zum Antesten:
Time Stand Still Prime Mover Mission
Zuletzt geändert von costa am 26.02.2019 17:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Hold Your Fire")

Beitrag von MetalEschi »

So, da haben wirs. Insgesamt wahrscheinlich schon mein Liebings-Rush-Album, wobei ich mich da schwer mit tue, weil ich mich eigentlich gar nicht festlegen will. Muss ich ja auch nicht.
Was es auf jeden Fall ist, ist das Album der Band, das mich textlich am meisten anspricht. Es ist tatsächlich so: Einzelne Zitate aus den Songs treffen schon ziemlich auf mein Leben zu, zumindest nach meiner Intepretation, und wahrscheinlich ist dann auch genau das der Grund, warum "Hold Your Fire" dann doch noch das klitzekleine Prozentfitzelchen über den anderen großen Alben steht.

Der absolute Wahn ist ein Auszug aus Mission:

If their lives were exotic and strange
They would likely have gladly exchanged them
For soemthing a little more plain
Maybe something a little more sane
We each pay a fabulous price
For our visions of paradise
But a spirit with a vision
Is a dream with a mission

Ein geh ich da.

Time Stands Still hingegen ist das Lied, das mir immer sofort in den Sinn kommt, wenn ich gerade einen Augenblick, zum Beispiel mit Freunden, erlebe. Der Moment ist magisch, aber er geht unheimlich schnell vorbei, und tatsächlich ist es dann so, dass ich den Augenblick dann noch ein klein wenig mehr genießen kann, weil ich mir der Vergänglichkeit bewusst bin. Und ganz ehrlich: Blickt mal mit fünf Jahren Abstand auf etwas, was euch damals selbstverständlich erschien und macht euch bewusst, wie sehr es sich verändert hat und wie wenig genau das wiederkommt. Eben.

Und ja, auch da hat Costa Recht: Die Melodien in Prime Mover sind übermenschlich, und der Song ist so vollkommen ohne jede Lücke arrangiert, dass man es nicht begreifen kann, wie es geht. Ich weiß nicht, wie Geddy Lee es macht, bei den Konzerten aufgrund der eigenen Hooklines nicht selbst zu krepieren. Ob er selbst begreift, WIE großartig es is alles ist?

Im Grunde ist es ja ziemlich egal, ob Farewell To Kings, Signals, Power Windows oder eben Hold Your Fire, die Dichte an vollkommener Großartigkeit ist zeimlich sicher bei keiner anderen Band so hoch.
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Hold Your Fire")

Beitrag von costa »

MetalEschi hat geschrieben:Ob er selbst begreift, WIE großartig es is alles ist?
Das zweifle ich bei der Band generell an. Sonst kann das doch alles nicht mit rechten Dingen zugehen. *g*

Danke für die leidenschaftliche Rückmeldung auf jeden Fall.
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Hold Your Fire")

Beitrag von Porcupine »

Ich glaube, ich könnte diese Worte irgendwo geschrieben sehen und würde gedanklich schon ausflippen.
Ging mir gerade beim Lesen auch so.

Tolles Review!
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Apparition
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Hold Your Fire")

Beitrag von Apparition »

Sehr, sehr geil geschrieben und auch alles komplett richtig. Das Album kriegt von mir aber trotzdem 10 Punkte, weil es einfach nur egal ist, ob man nach dem Melodienfeuerwerk vorher bei den letzten drei Songs noch aufnahmefähig ist. Zudem ist "Tai Shan" einer meiner liebsten Songs zum in die Ferne gucken und träumen.

Und "Time Stand Still", ey... Ich schwöre, ich hab geheult, als sich den Song zum ersten Mal gehört habe. Der Refrain zieht einem ja eh schon die Schuhe aus, aber wenn dann der Part mit "Make each impression/A little bit stronger/Freeze this motion/A little bit longer..." kommt, ist einfach alles zu spät. Mir geht das auch so, ich muss nur dran denken und fange an zu zittern. Ganz sicher einer meiner Top 5-Musikmomente.

Der andere große Moment ist der Anfang von "Lock and Key". Was für eine Erhabenheit, Ernsthaftigkeit und Unantastbarkeit. Ich hab das jetzt schon so oft gehört, aber ich gehe trotzdem immer noch jedesmal daran kaputt.

Wahrscheinlich schon mein Lieblingsalbum von Rush. Einzig "Presto" kann da noch dran kratzen.
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Frank2
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Re: Living on a lighted stage... - Rush für die Massen (aktuell "Hold Your Fire")

Beitrag von Frank2 »

Wieder mal ein tolles, leidenschaftliches Review.
Zur Scheibe: Wie bereits der Vorgänger, dessen Vorgänger usw.
ein absolutes Götterwerk.
Rush in ihrer absoluten Hochphase, unfassbar das sowas von Menschen
stammen kann :D
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