VENGEANCE – THE INDEPENDENT STORY (1984)
„Vegeance – The Indepedent Story“ erschien im Jahre 1984. Es beinhaltet diverse Songs aus der Anfangszeit von NEW MODEL ARMY, die 1980 begann. So erstreckt „Vengenace“ sich rein schaffenstechnisch über einen Zeitraum von fünf Jahren (1980-1984), in dem NEW MODEL ARMY durchaus schon einigen bemerkenswerten Stilentwicklungen unterlagen.
Die ganz frühen Sachen sind relativ klar beeinflußt von der britischen Punkbewegung und Bands wie THE CLASH. Mit zunehmender Spieldauer (die Songs sind größtenteils chronologisch angeordnet) ist der typische NEW MODEL ARMY Stil schon immer deutlicher auf „Vengeance“ zu erkennen. Insbesondere bei den ganz frühen Sachen ist meiner Meinung nach noch lange nicht alles Gold, was da glänzt. Die Band in der Phase ihrer Stilfindung, natürlich mit jeder Menge Wut im Bauch, und obwohl schon so manche Songperle und der ein oder andere Rohdiamant dabei ist, gibt es in meinen Augen auch einiges an Ausschußware.
NEW MODEL ARMY bestanden zu jener Zeit aus drei Mitgliedern:
Justin Sullivan – Vocals, Guitar (Justin nennt sich auf diesem Album allerdings Slade, The Leveller)
Stuart Morrow – Bass, Vocals
Rob Heaton – Drums
Meiner Meinung nach ist dies auch nach wie vor die „klassische“ NMA-Besetzung. Anders als zum Beispiel bei IRON MAIDEN, wo viele die „klassische“ Besetzung als Dickinson / Smith / Murray / Harris / McBrain bezeichnen würden, die immerhin erst auf dem vierten Album zustande kam, ist die „klassische“ NMA-Besetzung eben die aus den frühen Tagen. Jedenfalls für mich.
Kommen wir zu den Songs:
01. Bittersweet (1981)
Der Opener hat eigentlich schon eine Menge von dem, was NEW MODEL ARMY später ausmachen sollte. Justin Sulivan ist hier ca. 25 Jahre alt, was man ihm schon anhört. Später sollte er in seiner Stimme noch deutlich an Dreck und Wut dazugewinnen, auf „Vengeance“ kingt er insgesamt ziemlich „lieb“. „Bittersweet“ ist dennoch ein guter Song, mit schönen unverzerrten Gitarren und einem simplen, aber effektiven Chorus.
02. Betcha (1980)
Eingeleitet von einem Drumintro ist „Betcha“ wohl der punkigste NMA-Song überhaupt. Schnell, die Strophen immer leicht neben der Spur gesungen und der Chorus ist geradezu schon primitiv. „Betcha Betcha Betcha Betcha Uaaaah Uaaaaah Uaaaaah!“ *lol* - Klar ein Ohrwurm, aber objektiv betrachtet nicht wirklich ein guter Song.
03. Tension (1980)
Langsamer, der Sound ist mies, fast demomäßig und ziemlich dünn und drucklos. Der Song an sich ist aber gar nicht mal so verkehrt. In einem recht langsamen, irgendwie seltsamen Rhythmus schleppt er sich dahin und könnte fast schon bedrohlich wirken, wenn er nicht so scheiße klingen würde.
04. Great Expectations (1982)
Da haben wir zum ersten Mal einen dieser typischen ARMY-Bassläufe. Der Song wird von Morrows Bass völlig dominiert, in den Strophen gibt’s kaum Gitarren, nur den Bass, der die Melodieführung vorgibt. Dieser Bass ist ein typisches Markenzeichen der (früheren) ARMY-Sachen. Der Song ist nicht schlecht, wobei die Strophen-Gesangsmelodien schon reichlich uninspiriert sind. Der Chorus lässt aber das Talent dieser Band erstmals sehr deutlich aufblitzen.
05. Waiting (1981)
Ruhig beginnend mit Gitarren, über die sich eine Mundharmonika legt und schönes Western-Feeling verbreitet. Danach wird’s schneller, die Atmosphäre bleibt aber betont relaxt und geradezu auf langweilig getrimmt, passend zum Text über den langweiligen, frustrierenden Alltag, in dem nie etwas passiert und sich nie etwas ändert. Im Hintergrund klackert der Bass hektisch herum. Guter Song.
06. Christian Militia (1982)
Der Songtitel lässt es bereits erahnen: NEW MODEL ARMY waren schon immer auch eine Band, die sich um ihr Umfeld Gedanken gemacht hat und zu politischen, religiösen oder Umwelt-Themen bewusst Stellung bezogen hat. Logischerweise sind die Ansichten der Band dabei immer eher linksgerichtet ausgefallen, jedoch nie in irgendwelche Extreme abgedriftet. Eher leicht romantisch-verklärt, was die Band teilweise noch so von sich geben sollte, quasi dem einfachen Mann aus der Seele sprechend *g* - „Christian Militia“ ist jetzt allerdings eher ein Filler. Schade, wegen des mächtig aussehenden Titels würde ich ihn eigentlich gerne auf jeden Sampler packen *g*
07. Notice Me (1981)
Ein Song übers Forum? *g* - Nein, natürlich nicht. Ein recht flotter Song, der wieder auf einem dieser simpel-effektiven Bassläufe aufbaut. Erstmals bleibt der Chorus beim ersten Durchlauf im Gehirn haften, ein richtiger, kleiner Ohrwurm, dieser Song. Quasi der erste von unzähligen ARMY-Hits, die noch folgen sollten. Klasse.
08. Smalltown England (1982)
Wieder einer dieser Bassläufe, der diesen Song dominiert, wie gesagt,in den frühen Tagen spielte der Bass eine viel tragendere Rolle bei der ARMY, als es die Gitarren taten. Die Strophen sind jetzt eher so lala, der Chorus erstrahlt aber schon wieder als Hitmelodie. Ein Song über das Spießertum in den englischen Kleinstädten, wo jeder jeden kennt und man quasi von Gerüchten lebt.
Groß:
„The world outside the pint in hand is all so hard to understand.“
09. A Liberal Education (1982)
Der erste ARMY-Song, der die 5 Minuten sprengt. Justins Akzent ist einfach zu herrlich, besonders am Anfang. „Take away“ klingt wie „Taik owai“ usw..Gibt es etwas schöneres als (nord)englische Aussprache? Ich denke nicht. Der Song ist eher ruhig und langsam gehalten, ohne jedoch eine Ballade zu sein, eher brodelt es die ganze Zeit im Hintergrund, was hauptsächlich durch die wummernden Drums kommt. Gute Nummer, aber etwas lang.
10. Vengeance (1983)
Der Titelsong, textlich wird’s auch hier wieder heftig und todernst. Beschrieben werden in den drei Strophen ein KZ-Kriegsverbrecher, ein Typ, der Drogen an Kinder verkauft und ein „geistiger Brandstifter“ bzw. „Kinderfänger“ einer rechtsextremen Partei, mit denen im Chorus dann jeweils lecker abgerechnet wird.
I believe in justice. I believe in vengeance. I believe in getting the bastard. Die NMA-Wut ist da, Justin klingt erstmals schön rauh und sauer. „Vengenace“ ist somit einer der ersten richtig typischen ARMY-Tracks. Geil.
11. Sex (The Dark Angel) (1984)
Wiederum eher untypischer, eher konfuser Song. Sehr düster, wirkt teilweise zerfahren. Der Song hat auf jeden Fall seine Momente, aber so richtig gefallen tut er mir bis heute nicht.
12. Running In The Rain (1983)
Basslauf-Intro, über das sich Akustik-Klampfen legen. Totaler Füllersong, der leider nahezu fast gar nichts kann. Dabei ist das Riff nichtmal schlecht. Aber dennoch ein Füller. Einer der Songs, die man 200 Mal hören kann und trotzdem nicht weiß, wie sie gehen.
13. Spirit Of The Falklands (1982)
Ein Song, der überraschenderweise von den Falklands und dem gleichnamigen Krieg handelt. Wieder einer der Songs, die stellenweise (
I never believed it....) die Genialität dieser Band aufblitzen lassen. Auch die Bridge von Strophen zu Chorus kann mehr als viel. Man ahnt einfach, was da später alles noch kommen kann. Und sie haben die Erwartungen dann später halt um Längen geschlagen.
14. The Price (1984)
Basslauf (wie so oft...), düstere, hallende Gitarren. Hall auf auf der Stimme, mehrstimmiger Gesang im Chorus. Zwar nicht besonders eingängig oder hitverdächtig das ganze, aber durch die erzeugte und gehaltene düstere Stimmung ein richtig guter Song.
15. 1984 (1984)
Das ist er: Der Höhepunkt dieser Scheibe. Auch wieder sehr düster, textlich wie musikalisch.
Der Chorus ist dann der Hit in Tüten, mit voller Wucht schlägt hier das Talent dieser Band durch, unfassbare Melodien mit unfassbarer Eingängigkeit und unfassbarer Langzeitwirkung zu komponieren. Beinahe schon fröhliche Melodie, die aber durch den finsteren und sarkastischen Text kontrastiert wird. Nach meinem Dafürhalten geht es hier um den Nordirland-Konflikt. „1984“ ist klar das Highlight der Scheibe. Oder?
16. No Man's Land (1984)
Eventuell ist es auch dieser Song hier. Justins Stimme ist (wie in allen 1984er Songs) nun endlich klar als er selbst zu erkennen, man hört ihm an, dass er inzwischen auf die 30 zugeht, die Stimme ist tiefer geworden und deutlich gereift. Jeder, der in sich irgendwie auch nur die kleinste Antenne hat für geile Melodien, wird den kurzen, simplen aber unfassbaren Chorus
“In No Man's Land the days are long, in No Man's Land the days are long nach einmaligem Hören für Tage nicht vergessen können. Wenn alle Songs auf „Vengenace“ das Niveau dieses Tracks und dem davor hätten, wäre dies ein lupenreines 100-Punkte-Debüt.
Doch so war noch Raum nach oben, den die ARMY in den Folgejahren mehr als nutzen sollte.
Es folgen noch 2 Versionen der Songs „Great Expectations“ und „Notice Me“ aus den sogenannten „Peel-Sessions“ (Auftritte beim BBC in der Radiosendung des legendären Moderators und DJs John Peel. Insbesondere „Great Expectations“ schlägt das Original schon recht deutlich. Dann endet „Vengeance“ nach ca. einer Stunde.
Es ist halt ein Debütalbum. Einige Hochkaräter sind schon dabei, einiges wäre noch ausbaufähig gewesen, einiges wenige ist auch halt einfach gar nichts.
Als Einstieg würde ich „Vengeance“ niemandem empfehlen. Man hört halt auch, dass die Songs über einen recht langen Zeitraum entstanden sind und so entsteht für mich auch nie ein Albumfeeling, sondern eher das einer „Early Years“-Compilation.
Haben muss man die Scheibe aber natürlich dennoch, allein wegen „1984“ und „No Man's Land“
Spirit Of The Falklands
Vengenance (Live 1998)
Waiting (Live irgendwann Ende der 80er)
Smalltown England / Christian Militia (Live irgendwann in den 80ern)