Ich glaube, dass unsere eigenen Gestaltungsmöglichkeiten sehr enge Grenzen haben. Ich versuche auch, mich möglichst wenig zerstörerisch zu verhalten, aber das klappt hinten und vorne nicht. Arbeitsweg mit Öffis oder Fahrrad? Ja, aber das Auto brauch ich trotzdem. Kleidung kaufen, die fair und vielleicht noch ökologisch verträglich produziert wird? Sehr oft, aber die kriege ich nicht vor Ort, also fällt der Transport an. Fleischverzicht? Kein Thema. Vegan leben? Krieg ich nicht hin (ist IMO aber in dem Zusammenhang auch nicht erforderlich). Zero Waste? Geht, ist aber an ein paar Voraussetzungen gebunden, die ich hier nicht habe (unverpackt einkaufen v.a.). Urlaub? Ja klar braucht man den nicht, aber einmal im Jahr packt es mich einfach. Zumindest werde ich vermutlich nur noch eine echte Fernreise zu Urlaubszwecken machen, aber das sind natürlich alles Tropfen auf den heissen Stein.NegatroN hat geschrieben:Ich stimme allem zu. Pendeln ist bei mir auch mit Abstand der größte Brocken, den ich aber tatsächlich auch nur unter großen Schmerzen ändern könnte. Eigentlich wäre die einzige Alternative dazu, aus dem Großraum München wegzuziehen in eine Stadt, in der der Arbeitsweg kürzer ist. Das wäre beruflich für mich an sich kein allzu großes Problem, für meine Frau schon eher. Aber es würde bedeuten, ein soziales Geflecht zu verlassen, dass uns sehr wichtig ist. Möglicherweise muss man dazu inzwischen einfach bereit sein, das ist ja immer noch nur ein lediglich unbequemer Preis und kein unmöglicher. Würden wir letztlich alle unbequeme Preise zahlen, sähe die Situation vermutlich schon deutlich anders aus.Thunderforce hat geschrieben:Ist bei mir ähnlich.
Allein das pendeln reißt es komplett rein.
Trotzdem tut sich selber hinterfragen (nicht nur bei dem Thema) immer Not und da hat Rether mir schon des öfteren Denkanstöße für gegeben.
Nicht nur er (Du zum Beispiel auch *g*) aber eben auch er.
Man kann nicht alles richtig machen, aber manches eben schon. Oder um nochmals Rether zu bemühen, was er sagt, wenn er gefragt wird, warum er zB als Veganer trotzdem Auto fährt (allein, sowas zu fragen....):"Ich muss ja nicht Flöhe UND Läuse haben."
Und es gibt eine ganze Reihe kleinerer Punkte, bei denen ich deutlich konsequenter sein muss, als ich es bin. Die erfordern auch keinen Umzug.
Was Rether angeht, den schätze ich genau dafür, dass er mir ein schlechtes Gewissen macht. Beim restlichen Kabarett sind immer die anderen die Deppen, bei Rether sind wir es selber. Das ist irre wichtig, egal wie oft er es wiederholt. Sein Programm verschafft mir jedesmal ein flaues Gefühl im Bauch, das in meinem eigenen Alltag bei meinem eigenen Verhalten wieder hochkommt. Das schaffen nur wenige andere.
Was übrigens das betrifft: Daran glaube ich nicht. Nichts, was Menschen ernsthaft unglücklich macht, kann je nachhaltig sein.
EDIT: Und es macht uns auch alle nicht unbedingt zu besseren Menschen. Ich glaube sehr daran, dass die Mobilität und verbesserten Möglichkeiten zu sozielen Kontakten und neuen eindrücken massiv dazu beitragen, dass die Welt sozialer wird.
Wir hängen einfach alle viel zu tief in einem Geflecht, von dem wir nur einzelne Fäden ziehen können. Das heisst nicht, dass man das nicht tun sollte. Aber anders als Rether glaube ich nicht, dass wir ohne tiefgreifende Änderungen auf politischer Ebene sehr weit kommen werden. Komplettverbot von Plastikverpackungen. Komplettverbot von Inlandsflügen. Verbot von Volleipulver und Milchproduckten in Fertigwaren. Umstellung der konventionellen Landwirtschaft. Das sind alles Dinge, die man machen könnte. Als einzelner en Äquivalent zu schaffen, ist schwer und aufwendig. Aufwand, den ich in meinem Alltag einfach nicht vollständig leisten kann. Das frustriert, aber meine Energie ist auch begrenzt.
Nochmal EDIT: Letzteres ist der Knackpunkt. Keiner von uns hat in seinem Alltag zuviel Zeit. Alles, was weitere Zeit verschlingt, und sei es, um sich einzuarbeiten, wird keinen Erfolg haben. Hat es schon bei mir nicht. Praktisch alle Leute die ich kenne, die mal vegan gelebt haben, haben das früher oder später wieder drangegeben. Das ist kein Zufall.
EDIT 3: Zusammengefasst heisst das folgendes: Wir haben ein auf mehreren Ebenen schädliches Angebot von Waren und Dienstleistungen. Daran wird nichts verändert. Einzige Stellschraube ist der Konsument, an dem es nun ist, dieses Angebot größtenteils zurückzuweisen, in der Hoffnung, dadurch ein neues Angebot zu schaffen. Das läuft auf einen Test hinaus, wer den längeren Atem hat: der Kunde, der immer wieder Zeit und Energie aufwenden muss, zu filtern, auszuwählen, abzuwägen, abzulehnen und Alternativen zu suchen, oder die Industrie, die hofft, dass das niemand auf Dauer durchhält. Die Hoffnung der Welt sind Konsumenten, die Entwicklungen ausgleichen müssen, die sie zum größten Teil selbst nicht angestoßen haben, sondern nur aufnehmen. Ich habe so eine Ahnung, wer das gewinnt.