WednesDEI

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Apparition
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Re: WednesDEI

Beitrag von Apparition »

NegatroN hat geschrieben:
Thunderforce hat geschrieben:Ist bei mir ähnlich.
Allein das pendeln reißt es komplett rein.
Trotzdem tut sich selber hinterfragen (nicht nur bei dem Thema) immer Not und da hat Rether mir schon des öfteren Denkanstöße für gegeben.

Nicht nur er (Du zum Beispiel auch *g*) aber eben auch er.

Man kann nicht alles richtig machen, aber manches eben schon. Oder um nochmals Rether zu bemühen, was er sagt, wenn er gefragt wird, warum er zB als Veganer trotzdem Auto fährt (allein, sowas zu fragen....):"Ich muss ja nicht Flöhe UND Läuse haben."
Ich stimme allem zu. Pendeln ist bei mir auch mit Abstand der größte Brocken, den ich aber tatsächlich auch nur unter großen Schmerzen ändern könnte. Eigentlich wäre die einzige Alternative dazu, aus dem Großraum München wegzuziehen in eine Stadt, in der der Arbeitsweg kürzer ist. Das wäre beruflich für mich an sich kein allzu großes Problem, für meine Frau schon eher. Aber es würde bedeuten, ein soziales Geflecht zu verlassen, dass uns sehr wichtig ist. Möglicherweise muss man dazu inzwischen einfach bereit sein, das ist ja immer noch nur ein lediglich unbequemer Preis und kein unmöglicher. Würden wir letztlich alle unbequeme Preise zahlen, sähe die Situation vermutlich schon deutlich anders aus.
Und es gibt eine ganze Reihe kleinerer Punkte, bei denen ich deutlich konsequenter sein muss, als ich es bin. Die erfordern auch keinen Umzug.

Was Rether angeht, den schätze ich genau dafür, dass er mir ein schlechtes Gewissen macht. Beim restlichen Kabarett sind immer die anderen die Deppen, bei Rether sind wir es selber. Das ist irre wichtig, egal wie oft er es wiederholt. Sein Programm verschafft mir jedesmal ein flaues Gefühl im Bauch, das in meinem eigenen Alltag bei meinem eigenen Verhalten wieder hochkommt. Das schaffen nur wenige andere.
Ich glaube, dass unsere eigenen Gestaltungsmöglichkeiten sehr enge Grenzen haben. Ich versuche auch, mich möglichst wenig zerstörerisch zu verhalten, aber das klappt hinten und vorne nicht. Arbeitsweg mit Öffis oder Fahrrad? Ja, aber das Auto brauch ich trotzdem. Kleidung kaufen, die fair und vielleicht noch ökologisch verträglich produziert wird? Sehr oft, aber die kriege ich nicht vor Ort, also fällt der Transport an. Fleischverzicht? Kein Thema. Vegan leben? Krieg ich nicht hin (ist IMO aber in dem Zusammenhang auch nicht erforderlich). Zero Waste? Geht, ist aber an ein paar Voraussetzungen gebunden, die ich hier nicht habe (unverpackt einkaufen v.a.). Urlaub? Ja klar braucht man den nicht, aber einmal im Jahr packt es mich einfach. Zumindest werde ich vermutlich nur noch eine echte Fernreise zu Urlaubszwecken machen, aber das sind natürlich alles Tropfen auf den heissen Stein.

Was übrigens das betrifft: Daran glaube ich nicht. Nichts, was Menschen ernsthaft unglücklich macht, kann je nachhaltig sein.
EDIT: Und es macht uns auch alle nicht unbedingt zu besseren Menschen. Ich glaube sehr daran, dass die Mobilität und verbesserten Möglichkeiten zu sozielen Kontakten und neuen eindrücken massiv dazu beitragen, dass die Welt sozialer wird.

Wir hängen einfach alle viel zu tief in einem Geflecht, von dem wir nur einzelne Fäden ziehen können. Das heisst nicht, dass man das nicht tun sollte. Aber anders als Rether glaube ich nicht, dass wir ohne tiefgreifende Änderungen auf politischer Ebene sehr weit kommen werden. Komplettverbot von Plastikverpackungen. Komplettverbot von Inlandsflügen. Verbot von Volleipulver und Milchproduckten in Fertigwaren. Umstellung der konventionellen Landwirtschaft. Das sind alles Dinge, die man machen könnte. Als einzelner en Äquivalent zu schaffen, ist schwer und aufwendig. Aufwand, den ich in meinem Alltag einfach nicht vollständig leisten kann. Das frustriert, aber meine Energie ist auch begrenzt.

Nochmal EDIT: Letzteres ist der Knackpunkt. Keiner von uns hat in seinem Alltag zuviel Zeit. Alles, was weitere Zeit verschlingt, und sei es, um sich einzuarbeiten, wird keinen Erfolg haben. Hat es schon bei mir nicht. Praktisch alle Leute die ich kenne, die mal vegan gelebt haben, haben das früher oder später wieder drangegeben. Das ist kein Zufall.

EDIT 3: Zusammengefasst heisst das folgendes: Wir haben ein auf mehreren Ebenen schädliches Angebot von Waren und Dienstleistungen. Daran wird nichts verändert. Einzige Stellschraube ist der Konsument, an dem es nun ist, dieses Angebot größtenteils zurückzuweisen, in der Hoffnung, dadurch ein neues Angebot zu schaffen. Das läuft auf einen Test hinaus, wer den längeren Atem hat: der Kunde, der immer wieder Zeit und Energie aufwenden muss, zu filtern, auszuwählen, abzuwägen, abzulehnen und Alternativen zu suchen, oder die Industrie, die hofft, dass das niemand auf Dauer durchhält. Die Hoffnung der Welt sind Konsumenten, die Entwicklungen ausgleichen müssen, die sie zum größten Teil selbst nicht angestoßen haben, sondern nur aufnehmen. Ich habe so eine Ahnung, wer das gewinnt.
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NegatroN
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Re: WednesDEI

Beitrag von NegatroN »

Apparition hat geschrieben:Ich glaube, dass unsere eigenen Gestaltungsmöglichkeiten sehr enge Grenzen haben. Ich versuche auch, mich möglichst wenig zerstörerisch zu verhalten, aber das klappt hinten und vorne nicht. Arbeitsweg mit Öffis oder Fahrrad? Ja, aber das Auto brauch ich trotzdem. Kleidung kaufen, die fair und vielleicht noch ökologisch verträglich produziert wird? Sehr oft, aber die kriege ich nicht vor Ort, also fällt der Transport an. Fleischverzicht? Kein Thema. Vegan leben? Krieg ich nicht hin (ist IMO aber in dem Zusammenhang auch nicht erforderlich). Zero Waste? Geht, ist aber an ein paar Voraussetzungen gebunden, die ich hier nicht habe (unverpackt einkaufen v.a.). Urlaub? Ja klar braucht man den nicht, aber einmal im Jahr packt es mich einfach. Zumindest werde ich vermutlich nur noch eine echte Fernreise zu Urlaubszwecken machen, aber das sind natürlich alles Tropfen auf den heissen Stein.

Was übrigens das betrifft: Daran glaube ich nicht. Nichts, was Menschen ernsthaft unglücklich macht, kann je nachhaltig sein.
EDIT: Und es macht uns auch alle nicht unbedingt zu besseren Menschen. Ich glaube sehr daran, dass die Mobilität und verbesserten Möglichkeiten zu sozielen Kontakten und neuen eindrücken massiv dazu beitragen, dass die Welt sozialer wird.

Wir hängen einfach alle viel zu tief in einem Geflecht, von dem wir nur einzelne Fäden ziehen können. Das heisst nicht, dass man das nicht tun sollte. Aber anders als Rether glaube ich nicht, dass wir ohne tiefgreifende Änderungen auf politischer Ebene sehr weit kommen werden. Komplettverbot von Plastikverpackungen. Komplettverbot von Inlandsflügen. Verbot von Volleipulver und Milchproduckten in Fertigwaren. Umstellung der konventionellen Landwirtschaft. Das sind alles Dinge, die man machen könnte. Als einzelner en Äquivalent zu schaffen, ist schwer und aufwendig. Aufwand, den ich in meinem Alltag einfach nicht vollständig leisten kann. Das frustriert, aber meine Energie ist auch begrenzt.

Nochmal EDIT: Letzteres ist der Knackpunkt. Keiner von uns hat in seinem Alltag zuviel Zeit. Alles, was weitere Zeit verschlingt, und sei es, um sich einzuarbeiten, wird keinen Erfolg haben. Hat es schon bei mir nicht. Praktisch alle Leute die ich kenne, die mal vegan gelebt haben, haben das früher oder später wieder drangegeben. Das ist kein zufall.
Da steht sehr viel, dem ich zustimme. Die Lösung muss eine politische Komponente beinhalten, das geht nicht nur individuell. Trotzdem hab ich Einwände (oder vielleicht besser Ergänzungen). Eine politische Lösung in einer Demokratie gegen die Willen der Mehrheit ist zwar nicht unmöglich, aber schwierig. Es braucht eine gesellschaftliche Unterstützung solcher Lösungen und die beruhen wiederum auf persönlichen Haltungen. Diese Haltungen ergeben sich aber im nächsten Schritt aus unserem Verhalten. Deswegen ist es auch für die politischen Lösungen, die wir brauchen, durchaus relevant, wie wir uns als alle als einzelne verhalten. Wenn wir alle uns wirklich Mühe geben, etwas zu verändern, dann wird die politische Lösung dadurch sehr viel wahrscheinlicher als wenn wir das alles von uns abstreifen, weil es ja eh nichts bringt. Aus diesem Klima heraus wird nichts passieren, auf keiner Ebene.

Der Einwand, dass etwas, was uns unglücklich macht, nicht nachhaltig sein kann, ist ein guter. Trotzdem aber auch hier Einwände (oder Ergänzungen). Ich denke erstens nicht, dass das immer stimmt. Je größer das Problem ist und je dramatischer die Konsequenzen, desto mehr verschiebt sich da aus meiner Sicht der Punkt, an dem es trotz unglücklich sein funktionieren kann - wenn wir die Notwendigkeit dazu sehen. Wir sind durchaus bereit, Leid und Unglück auf uns zu nehmen, wenn wir sehen, dass es notwendig ist und dass es ultimativ zu einer Vermeidung von noch größerem Leid führt. Das ist nicht einfach und geht auch oft schief, aber es gibt trotzdem genug Fälle, in denen es funktioniert.

Der zweite Einwand ist aber wahrscheinlich der wichtigere. Viele an sich notwendige Änderungen tun wir nicht deswegen nicht, weil sie uns tatsächlich unglücklich machen würden, sondern weil wir befürchten, dass sie das tun. Bzw. uns einreden, dass sie das tun würden, weil das eine gute Ausrede dafür ist, nichts zu verändern. Wir sind nur in wenigen Dingen so gut wie darin, unser Verhalten mit Ausreden vor uns selber zu rechtfertigen. Tatsächlich würden uns viele Dinge gar nicht wirklich unglücklich machen, sondern sind eben lediglich unbequem. Das gilt nicht nur in dem Bereich, sondern in 1000 Dingen in unserem privaten und beruflichen Alltag.
(Hier ist mir jetzt ganz wichtig, dass das kein konkreter Vorwurf an irgendjemand und ein konkretes Verhalten ist. Das ist völlig individuell und das muss jeder selber für sich entscheiden. Das für andere zu beurteilen, ist in den allermeisten Fällen anmaßend und falsch.)

Ich glaube, dass wir die Kategorien, was für uns machbar ist, was notwendig ist, was wirklich unglücklich macht und was eben nur unbequem ist, ganz dringend sehr sehr kritisch hinterfragen müssen. Es könnte nämlich durchaus sein, dass die Konsequenzen unserer Untätigkeit uns wesentlich unglücklicher machen werden.

Ich habe einen Sohn und mir macht (ähnlich wie in dem Guardian-Artikel gestern oder vorgestern) die Frage, welche Welt ich ihm hinterlasse angesichts der letzten Sommer und Winter inzwischen genau so viele Bauchschmerzen wie die Frage nach meinem sozialen Umfeld. Das mag diejenigen, die keine Kinder haben, nicht so betreffen. Wir nähern uns aber sehr schnell dem Punkt, an dem nicht nur unsere Kinder betroffen sein werden, sondern wir selber. Wir alle hier werden die Konsequenzen noch erleben.

Wenn wir in 15 Jahren nicht mehr von einer Million Flüchtlinge sprechen sollten, sondern von 500 Millionen oder 1 Milliarde, die wegen ausfallender Ernten, zusammengebrochenen Wirtschaftssystemen und daraus resultierenden Kriegen auf der Flucht sind, dann könnten die Folgen davon uns alle SEHR viel unglücklicher machen als alles, was wir hier gerade diskutieren.
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costa
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Re: WednesDEI

Beitrag von costa »

NegatroN hat geschrieben: Der zweite Einwand ist aber wahrscheinlich der wichtigere. Viele an sich notwendige Änderungen tun wir nicht deswegen nicht, weil sie uns tatsächlich unglücklich machen würden, sondern weil wir befürchten, dass sie das tun. Bzw. uns einreden, dass sie das tun würden, weil das eine gute Ausrede dafür ist, nichts zu verändern. Wir sind nur in wenigen Dingen so gut wie darin, unser Verhalten mit Ausreden vor uns selber zu rechtfertigen. Tatsächlich würden uns viele Dinge gar nicht wirklich unglücklich machen, sondern sind eben lediglich unbequem. Das gilt nicht nur in dem Bereich, sondern in 1000 Dingen in unserem privaten und beruflichen Alltag.
(Hier ist mir jetzt ganz wichtig, dass das kein konkreter Vorwurf an irgendjemand und ein konkretes Verhalten ist. Das ist völlig individuell und das muss jeder selber für sich entscheiden. Das für andere zu beurteilen, ist in den allermeisten Fällen anmaßend und falsch.)
Generell standen in euren beiden Postings ganz viele interessante und schlaue Dinge, über die ich nachdenken will, aber das hier stimmt schon ziemlich genau und ich glaube, da muss ich mir tatsächlich genau so Gedanken zu machen. Danke für den Anstoß.
Spannende Diskussion natürlich sowieso.
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Apparition
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Re: WednesDEI

Beitrag von Apparition »

NegatroN hat geschrieben:
Apparition hat geschrieben:Ich glaube, dass unsere eigenen Gestaltungsmöglichkeiten sehr enge Grenzen haben. Ich versuche auch, mich möglichst wenig zerstörerisch zu verhalten, aber das klappt hinten und vorne nicht. Arbeitsweg mit Öffis oder Fahrrad? Ja, aber das Auto brauch ich trotzdem. Kleidung kaufen, die fair und vielleicht noch ökologisch verträglich produziert wird? Sehr oft, aber die kriege ich nicht vor Ort, also fällt der Transport an. Fleischverzicht? Kein Thema. Vegan leben? Krieg ich nicht hin (ist IMO aber in dem Zusammenhang auch nicht erforderlich). Zero Waste? Geht, ist aber an ein paar Voraussetzungen gebunden, die ich hier nicht habe (unverpackt einkaufen v.a.). Urlaub? Ja klar braucht man den nicht, aber einmal im Jahr packt es mich einfach. Zumindest werde ich vermutlich nur noch eine echte Fernreise zu Urlaubszwecken machen, aber das sind natürlich alles Tropfen auf den heissen Stein.

Was übrigens das betrifft: Daran glaube ich nicht. Nichts, was Menschen ernsthaft unglücklich macht, kann je nachhaltig sein.
EDIT: Und es macht uns auch alle nicht unbedingt zu besseren Menschen. Ich glaube sehr daran, dass die Mobilität und verbesserten Möglichkeiten zu sozielen Kontakten und neuen eindrücken massiv dazu beitragen, dass die Welt sozialer wird.

Wir hängen einfach alle viel zu tief in einem Geflecht, von dem wir nur einzelne Fäden ziehen können. Das heisst nicht, dass man das nicht tun sollte. Aber anders als Rether glaube ich nicht, dass wir ohne tiefgreifende Änderungen auf politischer Ebene sehr weit kommen werden. Komplettverbot von Plastikverpackungen. Komplettverbot von Inlandsflügen. Verbot von Volleipulver und Milchproduckten in Fertigwaren. Umstellung der konventionellen Landwirtschaft. Das sind alles Dinge, die man machen könnte. Als einzelner en Äquivalent zu schaffen, ist schwer und aufwendig. Aufwand, den ich in meinem Alltag einfach nicht vollständig leisten kann. Das frustriert, aber meine Energie ist auch begrenzt.

Nochmal EDIT: Letzteres ist der Knackpunkt. Keiner von uns hat in seinem Alltag zuviel Zeit. Alles, was weitere Zeit verschlingt, und sei es, um sich einzuarbeiten, wird keinen Erfolg haben. Hat es schon bei mir nicht. Praktisch alle Leute die ich kenne, die mal vegan gelebt haben, haben das früher oder später wieder drangegeben. Das ist kein zufall.
Da steht sehr viel, dem ich zustimme. Die Lösung muss eine politische Komponente beinhalten, das geht nicht nur individuell. Trotzdem hab ich Einwände (oder vielleicht besser Ergänzungen). Eine politische Lösung in einer Demokratie gegen die Willen der Mehrheit ist zwar nicht unmöglich, aber schwierig. Es braucht eine gesellschaftliche Unterstützung solcher Lösungen und die beruhen wiederum auf persönlichen Haltungen. Diese Haltungen ergeben sich aber im nächsten Schritt aus unserem Verhalten. Deswegen ist es auch für die politischen Lösungen, die wir brauchen, durchaus relevant, wie wir uns als alle als einzelne verhalten. Wenn wir alle uns wirklich Mühe geben, etwas zu verändern, dann wird die politische Lösung dadurch sehr viel wahrscheinlicher als wenn wir das alles von uns abstreifen, weil es ja eh nichts bringt. Aus diesem Klima heraus wird nichts passieren, auf keiner Ebene.

Der Einwand, dass etwas, was uns unglücklich macht, nicht nachhaltig sein kann, ist ein guter. Trotzdem aber auch hier Einwände (oder Ergänzungen). Ich denke erstens nicht, dass das immer stimmt. Je größer das Problem ist und je dramatischer die Konsequenzen, desto mehr verschiebt sich da aus meiner Sicht der Punkt, an dem es trotz unglücklich sein funktionieren kann - wenn wir die Notwendigkeit dazu sehen. Wir sind durchaus bereit, Leid und Unglück auf uns zu nehmen, wenn wir sehen, dass es notwendig ist und dass es ultimativ zu einer Vermeidung von noch größerem Leid führt. Das ist nicht einfach und geht auch oft schief, aber es gibt trotzdem genug Fälle, in denen es funktioniert.

Der zweite Einwand ist aber wahrscheinlich der wichtigere. Viele an sich notwendige Änderungen tun wir nicht deswegen nicht, weil sie uns tatsächlich unglücklich machen würden, sondern weil wir befürchten, dass sie das tun. Bzw. uns einreden, dass sie das tun würden, weil das eine gute Ausrede dafür ist, nichts zu verändern. Wir sind nur in wenigen Dingen so gut wie darin, unser Verhalten mit Ausreden vor uns selber zu rechtfertigen. Tatsächlich würden uns viele Dinge gar nicht wirklich unglücklich machen, sondern sind eben lediglich unbequem. Das gilt nicht nur in dem Bereich, sondern in 1000 Dingen in unserem privaten und beruflichen Alltag.
(Hier ist mir jetzt ganz wichtig, dass das kein konkreter Vorwurf an irgendjemand und ein konkretes Verhalten ist. Das ist völlig individuell und das muss jeder selber für sich entscheiden. Das für andere zu beurteilen, ist in den allermeisten Fällen anmaßend und falsch.)

Ich glaube, dass wir die Kategorien, was für uns machbar ist, was notwendig ist, was wirklich unglücklich macht und was eben nur unbequem ist, ganz dringend sehr sehr kritisch hinterfragen müssen. Es könnte nämlich durchaus sein, dass die Konsequenzen unserer Untätigkeit uns wesentlich unglücklicher machen werden.

Ich habe einen Sohn und mir macht (ähnlich wie in dem Guardian-Artikel gestern oder vorgestern) die Frage, welche Welt ich ihm hinterlasse angesichts der letzten Sommer und Winter inzwischen genau so viele Bauchschmerzen wie die Frage nach meinem sozialen Umfeld. Das mag diejenigen, die keine Kinder haben, nicht so betreffen. Wir nähern uns aber sehr schnell dem Punkt, an dem nicht nur unsere Kinder betroffen sein werden, sondern wir selber. Wir alle hier werden die Konsequenzen noch erleben.

Wenn wir in 15 Jahren nicht mehr von einer Million Flüchtlinge sprechen sollten, sondern von 500 Millionen oder 1 Milliarde, die wegen ausfallender Ernten, zusammengebrochenen Wirtschaftssystemen und daraus resultierenden Kriegen auf der Flucht sind, dann könnten die Folgen davon uns alle SEHR viel unglücklicher machen als alles, was wir hier gerade diskutieren.
Alles richtig, wenn ich auch die Chancen auf Veränderung von oben optimisticher einschätze. Ich glaube und hoffe, dass wir inzwischen ein Bewusstsein für diese Dinge in einer Breite haben, die das erlaubt. Wichtig ist, dass die Last nicht allein auf den Verbrauchern liegt. Wir brauchen Hilfe, nicht Gängelung, während die Spitze der Nahrungskette einfach so weiterwurschteln kann.
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Re: WednesDEI

Beitrag von NegatroN »

Apparition hat geschrieben:Alles richtig, wenn ich auch die Chancen auf Veränderung von oben optimisticher einschätze. Ich glaube und hoffe, dass wir inzwischen ein Bewusstsein für diese Dinge in einer Breite haben, die das erlaubt. Wichtig ist, dass die Last nicht allein auf den Verbrauchern liegt. Wir brauchen Hilfe, nicht Gängelung, während die Spitze der Nahrungskette einfach so weiterwurschteln kann.
Wir sind da glaub ich nicht weit auseinander. Der Konsument wird es nicht lösen, auf gar keinen Fall. Lösen können wir das nur politisch durch entsprechende Regelungen. Das ist der wichtigste Punkt und darauf muss der Fokus liegen. Das andere ist nur Unterstützung, wenn auch IMO keine unwichtige.
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Re: WednesDEI

Beitrag von Schnabelrock »

Krawatte eingebüßt, wir haben zu viele Rheinländer im Büro!
In dubio contra googlio.
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Re: WednesDEI

Beitrag von NegatroN »

Schnabelrock hat geschrieben:Krawatte eingebüßt, wir haben zu viele Rheinländer im Büro!
Im DEI vom Mittwoch? Was klappt denn bei euch nicht?
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Re: WednesDEI

Beitrag von Schnabelrock »

Upps. Neben mir stand eine Münchnerin. Moment, ich frage mal eben nach.
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Re: WednesDEI

Beitrag von tafkasc »

Apparition hat geschrieben:Alles richtig, wenn ich auch die Chancen auf Veränderung von oben optimisticher einschätze. Ich glaube und hoffe, dass wir inzwischen ein Bewusstsein für diese Dinge in einer Breite haben, die das erlaubt. Wichtig ist, dass die Last nicht allein auf den Verbrauchern liegt. Wir brauchen Hilfe, nicht Gängelung, während die Spitze der Nahrungskette einfach so weiterwurschteln kann.
Es gibt ja den Ansatz über fee and dividend. Treibhausgasemission werden (ansteigend) bepreist, komplett über alle Sektoren, ausnahmslos. Die Einnahmen werden wieder gleichmäßig pro Kopf verteilt. D.h. es profitieren tendenziell in Relation diejenigen, die nachhaltiger konsumieren, weil die Fee sie weniger stark trifft. Und es profitieren auch diejenigen, die generell weniger konsumieren (wollen oder können), weil ihre Ausgaben in besserem Verhältnis zur dividend stehen. Die generell resultierenden Preisanpassungen führen zu nachhaltigem Strukturwandel. Wenn man das komplette Thema nochmal mit einer Grundsatzumverteilungsdebatte verknüpft, ist das imo das perfekte Rezept für einen Deadlock; erst recht wenn man internationale Reziprozität möchte.
One night as he sat at his table head on hands he saw himself rise and go.

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