Südamerika, Ostküste
Ich glaube, wir machten noch einen Stop auf Grenada und fuhren dann Richtung Venezuela. Diesesmal waren der Eigner nebst Gattin an Bord. Als ich eben versuchte, den Namen von dem Herren rauszufinden (ich weiß nur noch, dass seine Holde “Bunny” genannt wurde), stieß ich auf das hier
https://www.seereisenmagazin.de/schiffs ... seatic.htm
Ganz interessant und gut zusammengefasst.
Der Name ist nicht zu finden, egal. Mössjöh Eigner und Gattin sind supersuperreich. Und dementsprechend verwöhnt. Er selber ist ein älterer kleiner Herr, eigentlich ganz umgänglich. Madame Bunny ist dann eher ein wandelndes Klischee der stinkreichen Hanseatin. Irre Klunker an allen Fingern, Pelze, Haute Couture-Klamotten. Und das schönste Beispiel, dass viel Geld nicht automatisch viel Stil bedeutet: sie trägt nämlich unglaubliche Perücken. Steife Kreationen mit viel Spray hochgewurschtelt, etwas miefend (das muss heiß darunter sein, riecht man auch) und völlig unpassend. Also viel zu groß und mächtig, als wenn man auf ein Puppenköpfchen eine tote Perserkatze geklebt hätte. Dazu falsche Wimpern der Marke “Cruella de Vil” und pinker Lippenstift, der sich schön auf dem Gebiss und in den Labialfalten verteilt. Eigentlich zum Lachen, aber irgendwie tat mir die Frau leid. Sie wollte so gerne schön sein, aber ihre Schönheit war echt schon einige Jährchen her.
Wir fuhren also aus der Karibik in das Orinocodelta, dampfend, grün und aufregend. Da die Hanseatic ja klein ist, kommt man gut den Fluß hinunter. Irgendwann gingen wir vor Reede und die Zodiacs wurden zu Wasser gelassen, man konnte auf den Nebenarmen per Schlauchboot tief in den Dschungel hinein. Logisch, dass ich natürlich in dem Zodiac mit dem Eignerpaar landete. Madame Bunny war wirklich ängstlich, bei jedem Hoppser vom Zodiac stieß sie kleine spitze Kreischer aus. Ich hatte hingegen mehr Bedenken wegen eventueller Riesenspinnen, die sich aus den Büschen, die fast ins Wasser hingen, herabseilen würden. Visionen vom Düsterwald in sehr warm schossen mir durch den Kopf. Aber ich habe nicht eine einzige gesehen, dafür aber unglaubliche Schmetterlinge. So groß wie eine Hand und knallblau. Bildschöne Tiere. Man musste sich öfters mal wegducken, weil die Lianen und Äste bis in das grüne Wasser hingen und da passierte es: Bunnys toter Fiffi verhedderte sich in einem Ast und Flupsch: hing das Teil im Gebüsch. Und jetzt mal ernst bleiben! NICHT LACHEN! Auf gar keinen Fall, man konnte nämlich leider sehen, warum sie überhaupt Perücken trug: sie war fast kahl.
Einer der Jungs an Bord griff sich geistegegenwärtig den Fiffi und überreichte ihn ihr mit Grandezza. Sie setzte das Ding irgendwie wieder auf und wir tuckerten zurück. Die Leute aus der Crew mit Gesichtern wie die Legionäre im "Das Leben des Brian". Nur unterbrochen von dem einen oder anderen Pruster. Die vom Außenbordmotor übertönt wurden, man gut
Am Ufer auf dem Weg zurück sahen wir Einheimische, die in Pfahlbauten lebten. Sehr freundliche, lachende Menschen, entzückende Kinder. Ich wäre gerne ein wenig dageblieben, indigene Völker faszinieren mich. Und wieder der Clash of Cultures zwischen den Reichen an Bord und den halbnackten Menschen am Ufer. “Uh, Carl-Theodor. Ob die wohl ein WC besitzen? Wie scheußlich…”
Hngh. Allmählich wird es für mich Zeit, mal an die Heimat zu denken. An normale Menschen. Mir selber geht es nicht so gut, ich nehme rasant ab. Wir haben Mitte November und eigentlich geht der Vertrag noch recht lange. Aber ich überlege tatsächlich, ein “early leave” zu beantragen, aus gesundheitlichen Gründen. Die OP in Boston hat Folgen hinterlassen, die Erkältung trug auch noch dazu bei dass ich einfach nicht wieder richtig fit wurde und ich merkte, dass ich immer mehr Energie verlor.
Mein Essen bestand zu der Zeit aus: morgens einen Osaft und ein kleines Brötchen mit Würstchen, falls ich schnell genug war. Mittags einen Apfel. Abends vor dem Dinner einen Wodka. Nach dem Dienst zwei Minibrötchen und ein Stück Pfeffer-Pecorino (aus der Pantry geklaut). Wenn ich rankam, schnell ein paar Stückchen Beef-Jerky. Das war alles. Mir rutschten die Klamotten vom Leib. Aber wow, ich hatte ein Sixpack! So durchtrainiert war ich wohl nie wieder…
Zurück zum Kahn: an der Nordküste von Venezuela entlang Richtung Panama. Und jetzt habt ihr bitte alle den Ohrwum von Van Halen im Kopp!