Undo und das Meer

Das gute alte Dark Eye Inn - die Heimat der Stammposter
Rotorhead
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Rotorhead »

Savannah ist für mich die Traumstadt schlechthin. Die zwei Tage da gehören zu den besten aller Zeiten. Schade, dass du das verpasst hast, also quasi :( Aber weißte ja selber.

Von Atalanta aus ist das nicht weit, man kann Savannah wunderbar in eine Südstaaten Autotour einbinden, falls du immer noch hin willst.
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Undo
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Undo »

Storing oder “Wie riecht Fischsauce bei 35°?”

Am Abend bevor wir in Miami sind, verkündet der Maitre, dass am nächsten Morgen Storing ansteht. Er würde einfach vier von uns auswählen. Die Bedauernswerten müssen zwar dann Storing machen, haben dann aber bis Abends frei. Bedauernswert weil: keiner weiß, wann der LKW kommt. Mit Pech arbeitet man also den ganzen Tag durch und darf abends kurz vorm Dinner auch noch in Dreckklamotten in den Bauch des Schiffes, Ananas-Weitwurf machen. Und selbstverständlich bin ich bei den “Auserwählten” dabei. Wir vier gucken uns an und und beginnen, zu dem uns unbekannten Gott des Storings zu beten.

Nächsten Morgen bin ich in der Columbus Lounge zum Frühstück eingeteilt. Ab 7 Uhr hoppel ich zwischen Reeling und Pantry hin und her und zehn Minuten später brüllt der F&B Manager “Stooooring!! Alle antreten die Bescheid wissen!”

So schnell und so grinsend war ich noch nie aus dem 5. Deck in minus 2 gerast, hab meine Klamotten in die Ecke gedonnert (dabei unseren “Boy” fast zu Tode erschreckt, weil er gerade am aufräumen bei mir war), in Schmodderklamotten gesprungen und ab ins Unterdeck.

Man muß sich das so vorstellen: ein Lieferband führt von draußen auf dem Kai mit den LKWs nach drinnen in den Bauch des Schiffes. Damit es möglichst schnell geht, bilden wir alle (also wir vier Stewards plus zahlreiche Philipinos und Köche) eine Schlange. Und dann rattert das Fließband los und man pfeffert alles was einem zugeworfen wird, einfach mehr oder weniger gut gezielt an den nächsten. So bekommt man einen vollen LKW sehr schnell leer. Weiter unten steht der Rest der Küchenmannschaft und verteilt alles in den entsprechenden Lagerräumen.

Was man gut werfen kann: Gemüse, Obst, Fische, Fleisch. Wein nicht so gerne. Flaschen mit Fischsauce auch eher bitte nicht. Macht der eine aber trotzdem und Peng: in der Affenhitze unter Deck zerplatzt natürlich ausgerechnet eine Fischflasche. Buäh. Der Geruch ätzt einem die Nasenhaare weg. Vorteil: man arbeitet NOCH schneller.

Um kurz nach 8 haben wir nassgeschwitzt den LKW leer und: ein freier Tag! Endlich! Ich gehe erstmal duschen, schmeiß mich in meine Shorts, mal mich ein büschen an (Miami, nä?) und will dahin, was immer so schick bei “Miami Vice” aussah. Also der Miami Art Deco District. Das ist auch tatsächlich sehr hübsch da. Aber ich komme mit mit meinen 53 Kilo FETT vor. Eine unfassbare Ansammlung an “Schönheiten” (männlich wie weiblich), die aufgetakelt, gebotoxt, dunkelbraun, angemalt und durchtrainiert sind. Wir gehen in eins der netten Cafés da was essen und: die Kellner sind genauso. Seufz. Wahnsinnig oberflächlich und gleichgeschaltet. Nicht meine Welt. Nach einigen Cocktails sieht alles aber entsprechend rosarot aus und wir bummeln einfach durch die Gegend, lassen die Seele baumeln und kichern über diese seltsamen Menschen. Am Strand liegt übrigens niemand, obwohl der wirklich sehr schön ist und das Wetter ist perfekt.

Abends Ausfahrt an der glitzernden Fassade von Miami vorbei, hier muss ich nicht wieder hin. Hübsch, aber doof.
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Porcupine
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Porcupine »

Von Miami kenne ich nur die Sicht von oben, den Flughafen (furchtbar) und die Straßen vom Flughafen nach draußen. Fand ich alles sehr abschreckend, da muss ich ganz bestimmt nicht nochmal hin.
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Dimebag666
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Dimebag666 »

Ist echt mein Lieblingsthread hier. Wunderschön.
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Undo
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Undo »

Dimebag666 hat geschrieben:Ist echt mein Lieblingsthread hier. Wunderschön.
Danke, du Käsereibe :-*
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Apparition
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Apparition »

:sick: @ Fischsauce.

So Fischfonds riecht ja kalt schon nicht besonders appetitlich. Ich glaub, ich hätte das Deck vollgereihert.
That is delightful news for someone who cares.
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M.o.D.
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von M.o.D. »

Apparition hat geschrieben::sick: @ Fischsauce.

So Fischfonds riecht ja kalt schon nicht besonders appetitlich. Ich glaub, ich hätte das Deck vollgereihert.
Und anschliessend wieder sauber geschruppt.....
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Undo
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Undo »

Apparition hat geschrieben::sick: @ Fischsauce.

So Fischfonds riecht ja kalt schon nicht besonders appetitlich. Ich glaub, ich hätte das Deck vollgereihert.
Och, was meinst Du wie das auf dem Kahn bei Sturm gerochen hat *g*
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Undo
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Undo »

M.o.D. hat geschrieben:
Apparition hat geschrieben::sick: @ Fischsauce.

So Fischfonds riecht ja kalt schon nicht besonders appetitlich. Ich glaub, ich hätte das Deck vollgereihert.
Und anschliessend wieder sauber geschruppt.....
Nein. Das klingt jetzt fürchterlich, aber dafür wären die Matrosen zuständig gewesen. Also Philippinos.
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Disbe
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Disbe »

Bitte, bitte mach da ein Buch draus. Ich kauf's sofort!
Und wenn's nur so ein DinA6-100-Seiten-Dingens wird... Ich. Will. Das.
Mögest du in interessanten Zeiten leben.
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Undo »

Oh wie schön ist Panama.

Panama-Kanal. Oder auch die längste Wartebucht der Welt. Der Kanal ist nicht so breit und so ziemlich jeder will hindurch. Die Beamten sind bestechlich, wir warten und warten in der dampfenden Hitze. So richtig spannend finde ich das alles nicht. Obwohl die Technik schon interessant aussieht. Aber das könnt ihr bitte selber nachlesen https://de.wikipedia.org/wiki/Panamakanal

Wir standen jedenfalls recht lange etwas unmotiviert an Deck herum. Außerhalb der Sichtweite der Passagiere, die saßen oben in den Deckchairs und waren wir immer am essen und trinken. Unser Deck ist das Mooring Deck ganz hinten und eines hinter dem Funnel. Immer schön rein mit dem Feinstaub in die Lungen. Ich versuchte jedenfalls, Allilgatoren zu entdecken. Die Offiziere gucken mit, weil irgendwie keiner so richtig was zu tun hat. Die Durchfahrt dauert Stunden, der Kanal ist ja auch um die 80 Kilometer lang. Plötzlich stupst mich der 2. Offizier an, da schwimmt doch ein Alligator im Wasser? Ich werde ganz aufgeregt und starre ebenfalls hin. Offizier 2 stupst Offizier 1 an, der boxt den Purser, die Köche gucken, die Weindüsen. Alles starrt auf den langen, braunen Schatten im Wasser. Sehr langer Schatten. Wo ist eigentlich vorne und hinten? Blödarsch. Der 2. Offizier wird nach allen Regeln der Kunst verhauen, weil das ein Baumstamm war. Wir sehen jedenfalls überhaupt nichts spannendes, bekommen aber eine Vorwarnung durch den Flurfunk, dass der Hotelmanager irgendwas diese Nacht vorhat.

Der Rest des Tages läuft ab wie immer, wir arbeiten, gucken ab und an mal raus und wissen immer noch nicht, was der HotMan vorhat. Nachts nach Feierabend noch ein Bier an Deck und wie immer schnell schlafen, es ist ca. Mitternacht. Um 1 Uhr nachts brüllt es aus den Lautsprechern in den Crewkabinen :”Reise, Reise!! Alle Stewards an Deck! Storing!!!”

Bitte was? Jetzt? Um 5 klingelt der Wecker, hat er sie noch alle? Schlaftrunken steht die Horde halb angezogen auf dem Deck. HotMan kommt daher wie ein Ausbilder im US-Army Bootcamp und erteilt den strengsten Befehl, auf GAR keinen Fall das Schiff zu verlassen. Wir liegen im Hafen von Balboa und dort werde man für einen US-Dollar gerne mal einfach so gekillt. Also auf dem Schiff bleiben, keiner darf an Land. Ein leises “Wir möchten auch eigentlich lieber ins Bett….” ertönt, woraufhin er jedem von uns eine kleine Palette mit Cola und ähnlichem in die Arme drückt. Und da stehen wir dann. Wir bringen die nicht runter in das Lager, wir stehen einfach so da in der tropischen Nacht, in Schlafshirts und Boxershorts und wundern uns. Nach 20 Minuten wird es einfach zu doof und einer von uns wagt zu fragen, ob man die Paletten jetzt vielleicht verstauen könne, es sei 2 Uhr und überhaupt. HotMan: “Ja, legt die einfach auf Deck, die Matrosen machen dann weiter. “ Und dann sind wir entlassen und dürfen gehen.

Bis heute hat niemand herausgefunden, was das für eine Schikane war und vor allem, warum. Wir waren ja in Kolumbien, vielleicht war der HotMan vorher an Land und hat zu gutes Kokain erwischt? Man weiß es nicht…
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Porcupine »

Klingt nach einem Ablenkungsmnöver. Wahrscheinlich haben seine Schergen in der Zwischenzeit kolumbianische Drogen in den Kajüten der Stewards versteckt?
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Undo »

Porcupine hat geschrieben:Klingt nach einem Ablenkungsmnöver. Wahrscheinlich haben seine Schergen in der Zwischenzeit kolumbianische Drogen in den Kajüten der Stewards versteckt?
Wohl eher nicht. Die hätten wir ja weggesnüffelt.
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Undo »

Die Äquatortaufe

Ja, natürlich wird man getauft, wenn man das erste Mal den Äquator überquert. Auf einem kleinen Kreuzfahrtschiff ist das immer eine Riesengaudi für die Passagiere. Für die Crew eher nicht so.

Drei Tage vor dem Termin zog mich eine der Reiseleiterinnen beiseite und meinte, ich solle mir in der Kleiderkammer doch besser alte Serviceklamotten holen, sie sei sich sicher dass ich auf der Liste stehen würde von der Besatzung. Ich, völlig ahnungslos :”Welche Liste? Wofür, was, wie?”
Sie kicherte nur und meinte, dass ich mir eine alte weiße Shorts und ein ausgewaschenes Poloshirt holen solle, wäre besser.
Mein Freund der Purser grinste auch nur wie ein Breitmaulfrosch und als ich bei in der Kostümkammer vorbeilatschte und sah, wie einer der Offiziere mit Dreizack rauskam, dämmerte mir was da abgehen sollte. Äquatortaufe. Fuck.
In den nächsten Tagen gackerten Köche um die Wette, weil sie grauenvolle Sachen zusammenmixten. Was sonst über Bord als organischer Abfall geworfen wurde, landete in einer Sammeltonne. Angefeuchtet mit Tauwasser aus der Fischkühlung. Gefärbt mit Lebensmittelfarbe.

Am Abend vorher kam dann die Durchsage des Käpt´n, dass er von einer vorbeischwimmenden Nixe gehört hätte, dass Neptun plus Gefolge auf dem Weg zu unserem Schiff sei, den Tribut für die Querung einfordern.
Ich also zum Lunchdienst mal lieber tatsächlich eine alte Schlabbershorts angezogen und ein viel zu großes Poloshirt. Kurz danach wuselte alles draußen am Pool herum, eine Champagnerbar wurde aufgebaut und ein Thron, aufgeregte Gäste wuselten durcheinander. Mit Törööö und Tandaradei betraten dann Neptun und so einige andere Fischköppe das Deck und damit began die Taufe. Was bedeutet: die Passagiere bekamen einen Spritzer Meerwasser auf´s ondulierte Haupt und dann gab es Schnaps und eine Urkunde. Achso, mehr ist das nicht? Das ist ja harmlos.

Dachte ich. Die Gesellen änderten nämlich plötzlich ihr Gebahren und jagten Crewmitglieder über das Deck. Ich hatte noch versucht, mich zwischen den Zodiacs zu verstecken, aber irgendwie hatte ich auch Bock drauf. Das ist nun mal Tradition und ich mag sowas. Also ein wenig Kreischen für die feixenden Gäste und sich dann von grün bemalten Halbnackten vor Neptun schleifen lassen. Es gab eine wirre Rede (Neptun war mit Sicherheit nicht mehr so ganz nüchtern) und dann packten sie mich und ich bekam Fisch in fast jede Körperöffnung. FAST jede. Und das war kein frischer Fisch, der war alt, verdorben und gut matschig. Alles übergossen mit sauer gewordener Milch, die auch noch blau und grün eingefärbt war. Am Ende schmissen sie mich in den Pool und ich bekam dann meine Urkunde. Mein neuer Name lautet also eigentlich anstatt Katja “Angelfish”. Was Neptun sagt, bleibt. :D (Kollegin Susi, die ein bisserl rund war vom Gesamtbild, hieß fortan “Blauwal”).

Drei Tage habe ich den Gestank nicht mehr aus den Haaren bekommen. Soviel habe ich nie wieder geduscht und Haare gewaschen, aber irgendwann war das auch vorbei und wir steuerten die Westküste von Südamerika weiter gen Süden, Richtung Chile.
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Re: Undo und das Meer

Beitrag von Apparition »

Darf ich sagen, dass ich solche "Rituale" für asozialen Kack halte, egal ob auf See, bei der Bundeswehr oder sonstwo? Ich glaub, ich hätte dem erstbesten, der mit vergammeltem Fisch kommt, eine Rücksendung verpasst.
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