Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Hier sammeln sich nur die Perlen an Threads, die niemals im Datennirvana verschwinden dürfen.
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Hyronimus
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Hyronimus »

MetalEschi hat geschrieben:Was du alles weißt :)
Mir geht's halt immer auf den Zeiger, wenn der einen auf superseriösen Historiker macht :engel:
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Undo
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Undo »

Rotorhead hat geschrieben:Falls es jemanden interessiert, was eure Großväter so ganz allgemein im Krieg gemacht haben, könnt ihr mir gerne Fotos von ihnen in Uniform schicken, ich schaue dann mal über die Orden und welcher Waffengattung und so sie zugehörig waren.
Mein einer Opa war politischer Gefangener und der andere in Russland, keine Ahnung als was. Die beiden Onkel waren 18 und 20 und kamen nie wieder. Die Tante war Krankenschwester an der Front und saß bei Gewitter unterm Tisch. Wir haben noch ein paar Feldbriefe von Klaus. Hoffe ich zumindest...mehr weiß ich nicht. Ach doch. Der Großonkel war sehr früh Mitglied der SS. Das wissen wir auch nur, weil meine Mutter und ich mal ein Foto von ihm in einer Ausstellung entdeckt hatten... :sick:
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waltersobchak
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von waltersobchak »

LadyVader hat geschrieben:
Schnabelrock hat geschrieben:Es gibt keinen Angriffskrieg und es gibt keine Kriegsverbrechen, ohne dass die unschuldigen, jungen Männer da mitmachen. Die Wehrmacht ist nicht in Ketten in halb Europa einmarschiert, die ihnen Hinkefuß Goebbels gegen ihren Willen angelegt hat.
Also für meinen Oppa war das ein Job, und zwar einen den er a) lieber machte als seinen eigentlichen Beruf (den er sich nicht aussuchen durfte) und b) den man selbstverständlich so gut machte wie man konnte. Und ein Hauch von Abenteuer war sicherlich auch dabei; er war auf dem Land großgeworden, wo sich jede Generation vor ihm für den Großgrundbesitzer kaputt geschuftet hat. Dort rief man sich von weitem "Ist das Wetter nicht toll heute...?" zu, weil man das obligate "H... H...." und Armheben als Begrüßung total dämlich und als albernen Blödsinn erfunden von und für Leute aus der Stadt empfand.

Die Zeit wo er um die Maginot Linie drumrum latschen durfte Richtung Paris war wohl eine der schönsten seines Lebens, denn er lernte viele Leute kennen, bekam Anerkennung und war auch in kein größeres Gefecht verwickelt. Als seine erste Tochter (meine Mutter) geboren wurde, war er zwar nicht da aber hey - welches Kind in der Nachbarschaft wuchs schon in französischer Wäsche auf?

Ich habe seine Memoiren aufgearbeitet und auch wenn er seine Empfindungen praktisch immer weggelassen hat: zusammen mit den Fotos die erhalten sind hat das schon einen Touch von "Paris - hin und wieder zurück" und Teil 2: "Russland - halbe Strecke hin, erst später wieder zurück".

Er war einfacher Mann, und für Politik fühlte er sich nicht zuständig. Der einfache Mann war da, zu tun was ihm gesagt wurde.
Das sind die Biographien.

Mein Opa war auch ein einfacher Mann. Er war Christ, Pazifist, Soldat. Er war gegen die Nazis lange vor 33. Er hat alles versucht, nicht eingezogen zu werden, vergeblich. Sie erpressten ihn mit seiner Frau und seinen Kindern.
Er war ein gebrochener, nein zerstörter, Mann nach 45. Er hasste den Job als Soldat, Soldat sein zu müssen war für Ihn die Hölle im wahrsten Sinne des Wortes. Nichts war mehr wie es war.
Er hat uns Enkel abgöttisch geliebt, alles beigebracht (Fahrradreifen flicken etc.) Wir durften alles... Ausser Kriegsspiele, nicht mal im Ansatz und Essen wegwerfen.
" Es ist egal, was ihr einmal macht, aber ohne Frieden ist alles nichts." Ich höre ihn heute noch....
Nach dem Krieg hat er mit ein paar Kumpels die Kirche in seinen Ort wieder aufgebaut, er war Maurer.
Er starb auf seinem geliebten Schrebergarten an einem Herzinfarkt, als er dabei war Birnen aufzulesen für die Gemeinde.
Er war der selbstloseste Mensch, den ich je kennengelernt habe.
Er war Wehrmachts-Soldat.
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Nagrach
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Nagrach »

Ich hab da leider so gar keine Kenntnisse aus der eigenen Familie. Das wäre bei mir zeitlich die Urgroßeltern-Generation gewesen und zu dem Zeitpunkt, an dem ich mich dafür interessiert hätte, gabs die bis auf eine Urgroßmutter schon nicht mehr. Die Großeltern waren alle zu jung, die waren bei Kriegsende teilweise erst 10. Schade eigentlich.
Ich hatte einen Traum und dieser Traum war wundervoll.
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LadyVader
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von LadyVader »

Nagrach hat geschrieben:Ich hab da leider so gar keine Kenntnisse aus der eigenen Familie. Das wäre bei mir zeitlich die Urgroßeltern-Generation gewesen und zu dem Zeitpunkt, an dem ich mich dafür interessiert hätte, gabs die bis auf eine Urgroßmutter schon nicht mehr. Die Großeltern waren alle zu jung, die waren bei Kriegsende teilweise erst 10. Schade eigentlich.

Urgroßelterngeneration ist natürlich elend weit weg.

Von meinen Urgroßeltern habe ich genau eine Uroma kennengelernt, die wurde 92, für ihre Generation ein sagenhaftes Alter.
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Wenn ich so schreibe, wirds ernst. <== so schreibe ich als Mod
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Rotstift »

Mein Großvater (Jahrgang 1897) war schon im 1. WK Soldat gewesen (1916 eingezogen), das hat ihn für's Leben von allem militärischen kuriert. Ich erinnere mich noch an seine Aussage als er erfuhr, dass eine seiner Enkelinnen einen Berufssoldaten zum Freund hatte: "Soldat ist kein Beruf für einen anständigen Menschen."
Anders sein älterer Bruder Henry, der war im 1. Weltkrieg Flieger gewesen und ließ sich 1936 oder 37 reaktivieren, als Oberst im Reichsluftfahrtministerium. Während des Krieges leitete er dann eine Fabrik für Flugzeugteile in Polen, war also mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit ein Kriegsverbrecher. Über diese Reaktivierung haben sich die Brüder so überworfen, dass sie bis zu Henrys Tod 1961 kein Wort mehr gewechselt haben.
Der jüngste, Bruno, war bei der Waffen-SS und ist an der Ostfront vermisst gemeldet. Seinen Sohn hat er nur einmal beim Heimaturlaub, seine Tochter nie kennengelernt.
Mille millions de mille sabords!

Music is no good if it can't be sung by the human voice in some way. (John Tavener)

Im übrigen bin ich der Meinung dass die AfD der politische Arm des Rechtsterrorismus ist.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Rotorhead »

waltersobchak hat geschrieben:
LadyVader hat geschrieben:
Schnabelrock hat geschrieben:Es gibt keinen Angriffskrieg und es gibt keine Kriegsverbrechen, ohne dass die unschuldigen, jungen Männer da mitmachen. Die Wehrmacht ist nicht in Ketten in halb Europa einmarschiert, die ihnen Hinkefuß Goebbels gegen ihren Willen angelegt hat.
Also für meinen Oppa war das ein Job, und zwar einen den er a) lieber machte als seinen eigentlichen Beruf (den er sich nicht aussuchen durfte) und b) den man selbstverständlich so gut machte wie man konnte. Und ein Hauch von Abenteuer war sicherlich auch dabei; er war auf dem Land großgeworden, wo sich jede Generation vor ihm für den Großgrundbesitzer kaputt geschuftet hat. Dort rief man sich von weitem "Ist das Wetter nicht toll heute...?" zu, weil man das obligate "H... H...." und Armheben als Begrüßung total dämlich und als albernen Blödsinn erfunden von und für Leute aus der Stadt empfand.

Die Zeit wo er um die Maginot Linie drumrum latschen durfte Richtung Paris war wohl eine der schönsten seines Lebens, denn er lernte viele Leute kennen, bekam Anerkennung und war auch in kein größeres Gefecht verwickelt. Als seine erste Tochter (meine Mutter) geboren wurde, war er zwar nicht da aber hey - welches Kind in der Nachbarschaft wuchs schon in französischer Wäsche auf?

Ich habe seine Memoiren aufgearbeitet und auch wenn er seine Empfindungen praktisch immer weggelassen hat: zusammen mit den Fotos die erhalten sind hat das schon einen Touch von "Paris - hin und wieder zurück" und Teil 2: "Russland - halbe Strecke hin, erst später wieder zurück".

Er war einfacher Mann, und für Politik fühlte er sich nicht zuständig. Der einfache Mann war da, zu tun was ihm gesagt wurde.
Das sind die Biographien.

Mein Opa war auch ein einfacher Mann. Er war Christ, Pazifist, Soldat. Er war gegen die Nazis lange vor 33. Er hat alles versucht, nicht eingezogen zu werden, vergeblich. Sie erpressten ihn mit seiner Frau und seinen Kindern.
Er war ein gebrochener, nein zerstörter, Mann nach 45. Er hasste den Job als Soldat, Soldat sein zu müssen war für Ihn die Hölle im wahrsten Sinne des Wortes. Nichts war mehr wie es war.
Er hat uns Enkel abgöttisch geliebt, alles beigebracht (Fahrradreifen flicken etc.) Wir durften alles... Ausser Kriegsspiele, nicht mal im Ansatz und Essen wegwerfen.
" Es ist egal, was ihr einmal macht, aber ohne Frieden ist alles nichts." Ich höre ihn heute noch....
Nach dem Krieg hat er mit ein paar Kumpels die Kirche in seinen Ort wieder aufgebaut, er war Maurer.
Er starb auf seinem geliebten Schrebergarten an einem Herzinfarkt, als er dabei war Birnen aufzulesen für die Gemeinde.
Er war der selbstloseste Mensch, den ich je kennengelernt habe.
Er war Wehrmachts-Soldat.

Schöne Beiträge, danke euch.
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Schnabelrock
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Schnabelrock »

Mein Großvater Robert Borsch war Nachfahre der Deutschen, die unter Katharina der Großen in Russland angesiedelt wurden. Zeitloses Thema: die Volksgruppe war über Jahrzehnte kaum integriert und begriff den Einmarsch der Wehrmacht als Befreiung. Mein Großvater schloss sich den deutschen Truppen an und starb 1942 in Stalingrad. Aus welchen Gründen auch immer. Er hat etwas Falsches getan.

Mein Großvater Willy Berendsohn überlebte den Krieg im KZ Bergen Belsen.
In dubio contra googlio.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Kaleun Thomsen »

Mein Opa mütterlicherseits war ab 41 dabei, direkt bis kurz vor Moskau. Dort hat er sich zum Jahreswechsel 41/42 3 Zehen abgefroren und war lange Zeit im Lazarett. Danach ging es nach Nordafrika, wo er Anfang 1943 in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet und der Krieg für ihn aus war. Da er vor dem Krieg als Englischlehrer gearbeitet hat, war er bei den Amerikanern und später Engländern noch bis 1946 als Dolmetscher tätig bis er dann Ende 46 wieder nach Hause kam.

Der Opa väterlicherseits war von 42 bis 45 an der Ostfront, geriet dort im Februar 45 in sowjetische Gefangenschaft und war im Frühjar 46 wieder daheim. Außer diesen groben Eckdaten weiß ich nix von ihm, er hat da nur selten, wenig und auch erst nach dem 3. Bier drüber gesprochen.
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MetallusMaximus
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von MetallusMaximus »

Meine beiden Großväter hatte ich nie kennengelernt. Sie kämpften als Wehrmachtssoldaten im Osten.

Meine mütterliche Linie waren Sudetendeutsche. Die Sudetendeutsche Minderheit in der Tschechoslowakei sahen die Nationalsozialisten als Befreier an, so war der Zuspruch für die Nazis dort recht hoch. Mein Großvater war gegen Kriegsende im Osten stationiert und geriet dort in russische Gefangenschaft. Sein Verbleib war Jahrzehnte ungewiss. Meine Großmutter musste später mit zwei kleinen Kindern (Mutter u. Onkel) nach Bayern fliehen. Sie stammten aus Aussig und hatte dort das Massaker an den Sudetendeutschen überlebt. Nach der Vertreibung, in der neuen Heimat wo man nicht wirklich willkommen war, wartete meine Großmutter all die Jahre vergebens auf ihren Mann. Erst 1978 kam durch einen Brief des DRK-Suchdienst die Gewissheit, dass er schon kurz nach Kriegsende in Gefangenschaft verstarb. Unter welchen Umständen ist bis heute unbekannt.

Der Großvater väterlicherseits kämpfte an der Ostfront. In Stalingrad erhielt er einen Heimatschuss und entkam somit noch der Einkesselung der Sowjets. Viel Glück hatte ihn der Heimatschuss nicht gebracht. Mein Vater erzählte mir von Weihnachten im Nachkriegsdeutschland, wenn sein Vater eine Flasche Schnaps geschenkt bekam und im Suff unterm Tannenbaum Trauma-Flashbacks bekam. Dann war Kriegsstimmung an Heilig Abend. "Werner, duck dich, pass auf, die Russen, dein Helm sitzt nicht richtig". Einige Jahre nach Kriegsende begang er Suizid. Meine Großmutter, die mit meinen Vater zu Kriegszeiten in Essen wohnte, erlebte die Bombardierungen Essens und das nächtliche Überleben im Luftschutzkeller. Auch sie schied später auf die gleiche Art wie einst ihr Mann aus dem Leben.
Zuletzt geändert von MetallusMaximus am 17.09.2017 06:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Tolpan
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Tolpan »

Gut, wo wir bei Thema sind: Beide Opas waren in der Wehrmacht, beide mit komplett unterschiedlichen Hintergründen:

Opa Robert (Baujahr 1918), Bauerssohn aus Ostpreußen, bei der Machtübernahme also 15 und damit letztendlich voll NS-indoktriniert. Und er sagte, dass alle den Krieg wollten: Rache für Versailles, Rache für die Knechtschaft und das internationale An-den-Pranger-stellen. Er hat sich nicht freiwillig gemeldet, sondern wurde gezogen, war aber mit Feuereifer dabei. Einsatz im Westfeldzug ("solange es gut lief, war ich dabei"), dann nach Afrika und dort in Gefangenschaft. Von dort nach Amerika wo er Kriegsgefangener, Feldarbeiter und im Lager dann Amateur-Boxer wurde. Als Boxer kam er zurück nach Deutschland (nach Gießen, obwohl er eigentlich aus Ostpreußen stammte) und lernte meine Oma kennen. Der Rest geht euch nix an...*g*

Opa Walter (Baujahr 1915?), entstammte einer Eisenbahner-Familie in Essen, die immer obrigkeitstreu war. War wegen der Eisenbahn (Beamter der Reichsbahn) lange Zeit kriegswichtig und kam erst spät zur Wehrmacht, wurde im Osten eingesetzt und kam letztendlich im Kurlandkessel in russische Kriegsgefangenschaft. Aus der kam er erst in den 50iger Jahren frei, hat über Krieg und über die Gefangenschaft ("Manchmal war der Mensch neben einem beim Aufwachen einfach nur noch kalt und tot") sehr wenig geredet, er war also einer von den Spätrückkehrern und hatte zu meinem Vater (Baujahr 1944) immer ein sehr schwieriges Verhältnis.

Beide wurden nicht gezwungen, in den Krieg zu gehen, aber sie waren zu Kriegsbeginn zumindest nicht abgeneigt, sondern unterstützten die Ziele (Revision) aktiv oder zumindest passiv. Der eine (Robert) sagte hinterher, dass alles ein einziges großes Verbrechen war (er selbst gab auch ohne weiteres zu, komplett von den Nazis indoktriniert gewesen zu sein), der andere (Walter), konnte bis zuletzt (er starb Mitte der 80iger, bevor ich selbst richtig hätte nachfragen können) nicht deutlich äußern, was er damals dachte. Die Grauen des Krieges und der Gefangenschaft waren bei ihm aber immer allgegenwärtig.

Bei der aktuellen Rumlaventiererei würden sich beide IMHO im Grabe umdrehen. Einem Gauland würden sie (hoffentlich) die Fresse polieren.
Ante: "Brrruda, schlag de Ball lang!"
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LadyVader
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von LadyVader »

Tolpan hat geschrieben:
Bei der aktuellen Rumlaventiererei würden sich beide IMHO im Grabe umdrehen. Einem Gauland würden sie (hoffentlich) die Fresse polieren.
So nämlich.

Eine der Geschichten, die mein Opa erst kurz vor seinem Tod ausgepackt hat war, dass er sich damals mit einem Trick vor dem ersten Russlandfeldzug gedrückt hat. Als der Marschbefehl kam fiel ihm sein Kamerad vom Reichsarbeitsdienst ein, der bei kaltem Wetter immer so komisch humpelte - er hat also sehr überzeugend ein Ischiasleiden vorgeschützt und entkam so auch dem Kessel in Stalingrad. Da war er überhaupt nicht stolz drauf, es hat ihn sogar sehr belastet an die Kameraden zu denken die dort umgekommen sind.
1944 musste er doch noch hin, wurde aber mit seiner Einheit schon in Polen von den Russsen gefangen genommen. Er bestach einen Wächter mit einem Hunderter, den er sich in den Hosensaum hatte einnähen lassen und türmte quer durch Polen bis nach Hause.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Heiko-S- »

Schnabelrock hat geschrieben:Es gibt keinen Angriffskrieg und es gibt keine Kriegsverbrechen, ohne dass die unschuldigen, jungen Männer da mitmachen. Die Wehrmacht ist nicht in Ketten in halb Europa einmarschiert, die ihnen Hinkefuß Goebbels gegen ihren Willen angelegt hat.
Wobei es DIE Wehrmacht als ideologisches Ganzes in diesem Sinne nicht gab.
Es gab die freiwilligen jungen Männer,welche verblendet von ihrer Propaganda bis zu einem bestimmten Punkt enthusiastisch mitmarschierten,gar der Waffen-SS angehörten.
Es gab deren Befehlshaber,Berufsoffiziere aus Tradition,welche diese anführten.
Und es gab den großen Teil,der zähneknirschend mitmarschierte,weil er musste.
Weil er wusste,was ihm im Weigerungsfalle blühte.
Weil ihm keine x-Instanzen Berrufung bevorstanden,sondern das erste Urteil unwiderrruflich und endlich gewesen wären.
Tote legen keinen Widerspruch ein.

Das Dritte Reich war eine blutige Diktatur und keine Demokratie.
Für die gab es keine Menschenrechte,bei Widerspruch nur KZ und Tod.

Und zu dem Teil,der zähneknirschend die Stiefel schnürte,hätten wir auch alle gehört,beträfe uns nicht die Gnade der späten Geburt.
Denn keiner von uns hätte sein Leben einfach so vor den Läufen eines Erschießungskommandos weggeworfen.
Wohl uns,denen uns dies erspart geblieben ist und uns solches hoffentlich auch in Zukunft erspart bleibt.

Stolz darauf ,was er tat,was er tun musste,wird wohl außer ein paar Unbelehrbaren hinterher keiner gewesen sein.
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Heiko-S- »

Interessante Biographien.

Die meiner Verwandten sind ähnlich.

Ein Opa Ostfront bis zum Schluss...einfacher Infanterist,3 Jahre sowjetische Kriegsgefangenschaft an den Folgen der dort erlittenen Misshandlungen kurz nach seiner Freilassung verstorben.
Praktisch jahrelang zu Tode geprügelt.

Zweiter Opa Gefreiter,bis 44 Ostfront,dann Westfront,erst ein halbes Jahr amerikanische,dann ein Jahr englische Gefangenschaft.
Von ihm habe ich viel über die damalige Zeit erfahren.
Allerdings hat er erst nach 1989 darüber geredet...aus Angst vor dem Regime in der DDR.

Ein Großonkel bei der SA,einer von denen,welche der als junger Mensch der Propaganda verfallen waren,Ostfront bis zum Schluss.Infolgedessen,was er dort erlebte ist ihm der ganze Kronleuchter über seinen Führer und die ganzen armseligen Gestalten,welche seine Generation verheizten,aufgegangen.Er hat sich zeitlebens für seine Jugend geschämt.

Der zweite Großonkel ,in der Jugend Kommunist,hat 1944 die Chance genutzt sich davon zu machen und freiwillig in sowjetische Kriegsgefangenschaft zu gehen.
War auch keine gute Idee,zwar ist er mit dem Leben davongekommen aber von Kommunismus und Sozialismus war er sein Leben lang geheilt.
Rotorhead
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Re: Allgemeiner Politik/Zeitgeschehen-Thread, Teil 2

Beitrag von Rotorhead »

Es wurde und wird in den allerseltesten Fällen auch über wirklich Gefühle geredet von dieser Generation.

Mein Vater ist zum Teil bei seiner Tante aufgewachsen. Da gab es Weihnachten keinen Tannenbaum. Die Erklärung war "Onkel Reinhard war im KZ, weil er Plakate geklebt hat für die Kommunisten. Und die SS hat die Leute immer an einem Tannenbaum aufgehängt. Onkel Reinhard kann das nicht haben, wenn irgendwo ein Tannenbaum steht."

Das war und ist das einzige, was da jemals erzählt wurde aus Onkel Reinhards Leidenszeit im Konzentrationslager. Wahnsinn eigentlich.
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