25 - Re(ar)view Mirror

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GoTellSomebody
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Re: 25

Beitrag von GoTellSomebody »

16/1990

MIND OVER FOUR – The Goddess

Das Odeon in Münster, übrigens in direkter Nachbarschaft von Wilsbergs Antiquariat gelegen, war Ende der 80er, Anfang der 90er eines DER Venues für coole Konzerte für mich. So kam es dass ich an einem Abend im Oktober die fantastischen PRONG dort sehen wollte, die ihrerseits die mir bis dahin unbekannten MIND OVER FOUR als Support dabei hatten. MIND OVER FOUR haben mich sowohl mit ihrer Musik als auch der energiegeladenen Show umgeblasen. Da war eine Frische und eine Musikalität spürbar, die mich sofort ansprach und viel von dem hatte, wie ich selbst damals wie heute gerne Musik machen würde: heavy, ohne stereotyp „Metal“ sein zu müssen, smart im Ausdruck, und instrumental versiert, ohne zu verspielt oder verkopft rüberzukommen.

Rückblickend betrachtet kann man MIND OVER FOUR als eine etwas geschliffenere Variante von DEATH ANGEL’s "Frolic Through The Park" betrachten, das seinerzeit ja auch schon das ultra-wilde Thrashen abgelegt und sich dafür mit gewitztem Songwriting und einer offeneren Ausrichtung modifiziert hatte. Soviel ich weiß kamen MIND OVER FOUR nicht vom Thrash, sondern eher aus der Rock/Punk/irgendwas-Ecke, und ich kenne außer The Goddess nur den Nachfolger Half Way Down, der aber schon gemäß dem Titel einen qualitativen Abstieg bedeutete, wonach ich das Interesse an dieser Band verlor.

Die Musik von MIND OVER FOUR klingt wie gesagt sehr originell, offen, und um einen Eindruck zu vermitteln, grob verglichen wie eine Mischung aus DEATH ANGEL, FAITH NO MORE und den etwas verspielteren Kompositionen des ALICE IN CHAINS-Debuts. Sänger Spike Xavier verfügt über eine kraftvolle, klare Stimme, kann aber auch ähnlich entrückt klingen wie ein Mike Patton oder Mark Osegueda damals.

Insgesamt 10 Songs werden auf eine intensive halbe Stunde verteilt und gehen teilweise ineinander über. Straighte und mit einer eingängigen Melodie versehene Rocker wie der klasse Opener 'Prayer For The Dying', dem „Hit“ '12 Days Of Wind', der auch von einer All-Star-Band aus Mitgliedern von D.A.D., THE CULT und DANZIG stammen könnte und dem knackig-kurzen 'Post' offenbaren das songschreiberische Können der Truppe um Gitarrist Mike Jensen, der seinem Instrument satte, anspruchsvolle und angenehm dominante Töne entlockt, jedoch der Rhythmusfraktion mit Drummer Mark Fullerton und Basser Rich Castillo genug Freiraum für die ihrerseits fein ausgearbeiteten Parts läßt, was man aufgrund der schon für damalige Verhältnisse sehr warmen, druckvollen Produktion (der teilweise etwas zu betonte Hall auf Stimme und Snare sei mal als dramaturgisches Mittel gewertet) sehr gut auseinanderhalten und nachvollziehen kann.

Eine Tatsache die vor allem auch bei den etwas verschachtelteren Nummern wichtig ist, besteht der Titelsong doch aus nicht weniger als fünf(!) verschiedenen, miteinander verzahnten Parts. Ebenso überraschend, aber in der Summe stets kompakt auf den Punkt kommen 'Idle Chatter', 'Gemini', das bis auf die letzte Minute, in dem ein energischer Gesangspart den Song zum Ende führt rein instrumental vom Leder zieht, das sich nahtlos anschließende 'Ice, Water, Steam' sowie 'Hell’s Bravest Song'. Hier gehen MIND OVER FOUR an ihre kompositorischen und spielerischen Grenzen, es rockt aber trotzdem und bleibt jederzeit genauso interessant wie nachvollziehbar, kalkulierter Wahnsinn in etwa. Mit 'Autumn’s Here' (leider mit etwas windschiefen Vocals) sowie dem abschließenden 'Airplanes' (Airplaines In Chains) wagt man sich auch an etwas ruhigere Stücke, die die Bandbreite von MIND OVER FOUR emotional abrunden. Für Leute ohne Tellerrand im Ohr.
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Glaurung
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Re: 25

Beitrag von Glaurung »

Kenn ich überhaupt nicht, klingt aber ziemlich klasse. Merke ich mir definitiv, auf sowas steh ich ja total.
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GoTellSomebody
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Re: 25

Beitrag von GoTellSomebody »

Glaurung hat geschrieben:Kenn ich überhaupt nicht, klingt aber ziemlich klasse. Merke ich mir definitiv, auf sowas steh ich ja total.
Cool! Was will man mehr?
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Apparition
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Re: 25

Beitrag von Apparition »

Ist mir auch völlig unbekannt, liest sich aber so, als ob ich es hören wollte.
That is delightful news for someone who cares.
Chris777
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Re: 25

Beitrag von Chris777 »

Dito.
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Porcupine
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Re: 25

Beitrag von Porcupine »

Den Bandnamen hab ich komplett vergessen, das Cover kenn ich aber. Ich glaube, die hatte ich sogar mal. Ist ewig lang her, hat aber nie so recht gezündet und ist relativ schnell zum Second Hand Dealer gewandert. Ich glaube, dass ich es gutfinden wollte, aber keinen rechten Zugang dazu gefunden habe. Die Erinnerung ist aber wirklich sehr diffus. Ich muss da später mal reinhören, vielleicht klingelt's ja dann. :)
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Porcupine
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Re: 25

Beitrag von Porcupine »

Nein, es klingt nicht vertraut. Bin halt doch etwas vergesslicher als früher. *g*
Die Beschreibung von GTS passt: Im Thrash verwurzelter 90er Freistil, der einfach grundsympathisch ist. Von den Songs her zwar nicht so dass ich es unbedingt (wieder) kaufen müsste, aber ich kann jeden verstehen, der darauf steil geht.
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GoTellSomebody
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Re: 25

Beitrag von GoTellSomebody »

Porcupine hat geschrieben:...Im Thrash verwurzelter 90er Freistil...
Danke, das ist der Begriff der sehr gut passt und mir nicht einfiel. Ich hatte daran gedacht den damals ja fast überstrapazierten Ausdruck "Crossover" zu bemühen, aber dafür ist die Musik von MIND OVER FOUR in sich zu stimmig und fließend.
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Sternhagl
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Re: 25

Beitrag von Sternhagl »

Und erwischt die Zweite. Hab jetzt ein paar mal mit etwas zeitlichem Abstand wild reingehört und leider ist nichts passiert. Der Sänger ist für meine Ohren grenzwertig, die Musik ganz nett. Auch hier keine Ambitionen auf ein Jahrehighlight, sorry.
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GoTellSomebody
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Re: 25

Beitrag von GoTellSomebody »

Sternhagl hat geschrieben:Und erwischt die Zweite. Hab jetzt ein paar mal mit etwas zeitlichem Abstand wild reingehört und leider ist nichts passiert. Der Sänger ist für meine Ohren grenzwertig, die Musik ganz nett. Auch hier keine Ambitionen auf ein Jahrehighlight, sorry.
Aber Du hast es versucht!

Vielleicht nochmal zum Ansatz von 25: ich habe mir ja vorher den Stapel CDs und LPS aus 1990 zurechtgelegt und mir daraus die 25 Scheiben rausgesucht, die ich wirklich in dem Jahr entdeckt und/oder gekauft habe, und die mir bis heute am meisten bedeuten. Sicherlich sind auch da unvermeidliche Klassiker dabei, aber wenn ich mit Album Nr. 25 aus 1990 fertig bin werde ich noch eine Liste mit "honorable mentions" und je einem Satz dazu hinterherschicken, die annähernd so lang ist wie die Liste der 25 Reviews. In der Liste sind sicherlich Alben die objektiv eher als Klassiker gelten, aber die habe ich halt entweder erst (viel) später kennengelernt oder sind mir persönlich nicht ganz so wichtig, wobei da auch ein paar Härtefälle dabei sind, bei denen ich etwas länger überlegt habe. Aber darin besteht zumindest für mich der Reiz, und nachdem was ich bislang gesichtet habe gilt das auch für die weiteren Jahre.
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acore
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Re: 25

Beitrag von acore »

Ich habe mir gerade deine Rezi von DAs Act III durchgelesen. Also deiner Meinung kann ich zu fast 100 % zustimmen. Lediglich die Pole Position nimmt das Album bei mir nicht ein. Aber bei einer Auswahl der 10 Platten für die Insel wäre Act III definitiv dabei. Bei jedem Konzert der Band war ich hinterher enttäuscht, wie stiefmütterlich dieses Götterwerk behandelt wird.
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GoTellSomebody
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Re: 25

Beitrag von GoTellSomebody »

So, ab nächste Woche jeweils montags ein Review, um hier mal ein bisschen Struktur reinzukriegen!
Zuletzt geändert von GoTellSomebody am 11.04.2017 11:37, insgesamt 1-mal geändert.
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BlackMassReverend
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Re: 25

Beitrag von BlackMassReverend »

GoTellSomebody hat geschrieben:So, ab Montag jede Woche ein Review, um hier mal ein bisschen Struktur reinzukriegen!
Genau - im Overkillthread auch....
1989 haben wir komplett durchgesoffen !
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Glaurung
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Re: 25

Beitrag von Glaurung »

GoTellSomebody hat geschrieben:So, ab Montag jede Woche ein Review, um hier mal ein bisschen Struktur reinzukriegen!
Sehr schön.
In my dreams i was drowning my sorrows... but my sorrows they learned to swim.
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GoTellSomebody
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Re: 25

Beitrag von GoTellSomebody »

17/1990

NAPALM – Zero To Black

Album Nummer zwei des New Yorker Thrash Outfits hat mit dem soundtechnisch dumpfen, songschreiberisch eintönigen Debut "Cruel Tranquility" nicht mehr viel gemeinsam. Für das Coverartwork zeichnet zwar erneut Ed Repka verantwortlich, die billig-bunte 70er Jahre-drogig-spacige Covertapete hätte ich aufgrund seiner ansonsten genialen comicartigen Zeichnungen allerdings nicht unbedingt mit ihm in Verbindung gebracht. Glücklicherweise gestaltet sich das Verhältnis Coverartwork zur Qualität der Musik umgekehrt proportional, sprich "Zero To Black", wenn auch gleichzeitig schon der Schwanengesang von NAPALM, die soviel ich weiß auch live kaum wahrnehmbar waren, punktet gleich in mehreren Kategorien und klingt auch nach mehr als einem Vierteljahrhundert noch ziemlich cool.

Woran liegt das? Für den Sound zeichnet Harris Johns verantwortlich, der einen angenehm breiten Rhythmusgitarrenteppich ausrollt, mit dem für damalige Verhältnisse üblichen Einsatz von Hall das Schlagzeug kompakt-griffige, exakte Beats darüber legen lässt, und in dessen Zwischenräumen sich Leadgitarrist Kult hier und da, viel prominenter jedoch Neuzugang Brett Roth am Bass sehr effektiv in Szene setzt. Speziell der Tieftöner versteht es den Nummern (allen voran dem Titelsong) eine funkige Note zu verleihen, die perfekt zu den simpel-effektiven Stakkatoklampfen passt, weshalb sie von mir stilistisch irgendwo zwischen Prong und Mordred verortet und aufgrund dieses Prädikats auch Teil der Top 25 dieses Jahrgangs wurden.

Vielleicht mußte man in dieser Zeit dabei gewesen sein um eine Band wie NAPALM wirklich zu mögen, als alles was nicht streng durchthrashte oder der „reinen Lehre des Heavy Metal“ entsprach (ich habe bis heute nicht verstanden was damit gemeint ist) gerne in die große, damals sehr populäre Schublade "Crossover" gelegt wurde. Viele der Bands aus dieser Zeit klangen sehr frei und offen nach mehreren Stilrichtungen, durchgesetzt hat sich davon keine mir bekannte, und NAPALM erging es nicht anders.

Die große Stärke von "Zero To Black" ist die Bandbreite in Kombination zu den spieltechnisch zwar kompakt und songdienlich gehalten aber auffälligen spieltechnischen "sweet spots" der auf dem Album enthaltenen zehn Songs, die auch durch den angenehm angerauhten Gesang von Stig Liggio gewinnen.

Auf jeden Fall sollte man einem fetten Groover wie 'Alternative Life Of Style', dem coolen Opener 'Teenage Illusion', dem teils sehr straight thrashenden 'Time And Time Again', den verspielteren Songs in der zweiten Albumhälfte und auf jeden Fall dem Titelsong ein paar Umdrehungen gönnen und sie wirken lassen. Einzig die wohl damals obligatorische Halbballade wollten NAPALM aus Mainstreamgründen wohl nicht schuldig bleiben. 'The Other Side Feels Grey' kann man natürlich mögen, es wirkt auf mich allerdings wie ein Fremdkörper, wenngleich der Song für sich genommen keine "graue Maus" ist.

Nichts an der Platte klingt gewollt aggro oder künstlich heavy, 'Zero To Black' ist ein Album im Wortsinn, gefüllt mit Songs voller cool und gekonnt umgesetzter Ideen von Musikern ohne stilistische Scheuklappen.
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