Damit kennst du dich ja hervorragend aus.Sambora hat geschrieben: ↑22.04.2020 21:33Richtig schlimm finde ich heutzutage so Zeug wie "Abacab". Das will anspruchsvoll sein, ist aber nur aufgeblasenes Nichts.Apparition hat geschrieben: ↑22.04.2020 20:11Genau so. Interessanterweise funktioniert genau der Klassiker The Lamb... für mich nicht mehr so gut, vielleicht weil dem genau dieses Feeling fehlt. Danach auch nicht mehr so richtig, obwohl ich selbst Invisible Touch ab und zu noch was abgewinnen kann.Maedhros hat geschrieben: ↑22.04.2020 18:21Wobei ich Jethro Tull und Genesis schon fundamental unterschiedlich empfinde, lustigerweise aber beide als typisch britisch. Tull eher so im Sinne von tatsächlicher britischer Realität mit einem gelegentlichen Schuss Monty Python, Genesis eher britisches Märchenbuch aus der Jahrhundertwende à la Alice im Wunderland.MetalEschi hat geschrieben: ↑22.04.2020 17:28 Ich finde die Umschreibung recht passend, würde die so ähnlich auch für zB Jehtro Tull anwenden. Finde das auch nicht schlimm, auf die Band steh ich völlig. Wie early Genesis halt Musik, die mehr nach britischem Landhaus als nach dem großen Highway klingt.
Peter Gabriel - Melt (1980): Hans plays with Lotti, Lotti plays with Jane
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home
Zum Album: Irgendwie ein typisches "Wir versuchen jetzt mal alles mögliche und sehen mal, was übrig bleibt"-Debüt. Insgesamt etwas zerrissen, ohne klare Vision. Aber mit ein paar echt starken Songs. "Solisbury Hill" und "Modern Love" sind die überragenden Dosenöffner, im Windschatten davon "Slowburn" wegen der Achterbahnfahrt, die der Song ist, und natürlich "Here Comes the Flood". Dazwischen auch einiges an Quatsch.
Ich bin gespannt wie das weitergeht, von jetzt an kommt für mich Neuland.
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That is delightful news for someone who cares.
Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home
Ich höre das Album gerade und lese nebenbei nochmal das Review. Ein Hochgenuss!
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home
Ach ja: zu "Moribound": meine erste Assoziation war tatsächlich "wahnsinnig gewordene Beatles"
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home
Hier finde ich mich schon sehr wieder.Apparition hat geschrieben: ↑22.04.2020 22:52 Zum Album: Irgendwie ein typisches "Wir versuchen jetzt mal alles mögliche und sehen mal, was übrig bleibt"-Debüt. Insgesamt etwas zerrissen, ohne klare Vision. Aber mit ein paar echt starken Songs. "Solisbury Hill" und "Modern Love" sind die überragenden Dosenöffner, im Windschatten davon "Slowburn" wegen der Achterbahnfahrt, die der Song ist, und natürlich "Here Comes the Flood". Dazwischen auch einiges an Quatsch.
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home
Das ist der Einfluss von Bon Ezrin. Gibt es überhaupt ein Album, das er nicht mit diesem Stil versaut hat?Sambora hat geschrieben: ↑23.04.2020 07:40Hier finde ich mich schon sehr wieder.Apparition hat geschrieben: ↑22.04.2020 22:52 Zum Album: Irgendwie ein typisches "Wir versuchen jetzt mal alles mögliche und sehen mal, was übrig bleibt"-Debüt. Insgesamt etwas zerrissen, ohne klare Vision. Aber mit ein paar echt starken Songs. "Solisbury Hill" und "Modern Love" sind die überragenden Dosenöffner, im Windschatten davon "Slowburn" wegen der Achterbahnfahrt, die der Song ist, und natürlich "Here Comes the Flood". Dazwischen auch einiges an Quatsch.
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home
Die Pink-Floyd-Alben sind schon hörbar. *g*MetalEschi hat geschrieben: ↑23.04.2020 08:39Das ist der Einfluss von Bon Ezrin. Gibt es überhaupt ein Album, das er nicht mit diesem Stil versaut hat?Sambora hat geschrieben: ↑23.04.2020 07:40Hier finde ich mich schon sehr wieder.Apparition hat geschrieben: ↑22.04.2020 22:52 Zum Album: Irgendwie ein typisches "Wir versuchen jetzt mal alles mögliche und sehen mal, was übrig bleibt"-Debüt. Insgesamt etwas zerrissen, ohne klare Vision. Aber mit ein paar echt starken Songs. "Solisbury Hill" und "Modern Love" sind die überragenden Dosenöffner, im Windschatten davon "Slowburn" wegen der Achterbahnfahrt, die der Song ist, und natürlich "Here Comes the Flood". Dazwischen auch einiges an Quatsch.
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home
Nein, sind sie nicht.
Zuletzt geändert von Rotstift am 23.04.2020 11:15, insgesamt 1-mal geändert.
Mille millions de mille sabords!
Music is no good if it can't be sung by the human voice in some way. (John Tavener)
Im übrigen bin ich der Meinung dass die AfD der politische Arm des Rechtsterrorismus ist.
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Re: Peter Gabriel - Car (1977): Grab your things, I've come to take you home
The Wall geht schon, wobei dieses orchestrale Gewemmse mir bei The Trial auch auf den Keks geht. Passt stilistich überhaupt nicht zum Rest. Ist aber ein anderes Thema.Sambora hat geschrieben: ↑23.04.2020 08:42Die Pink-Floyd-Alben sind schon hörbar. *g*MetalEschi hat geschrieben: ↑23.04.2020 08:39Das ist der Einfluss von Bon Ezrin. Gibt es überhaupt ein Album, das er nicht mit diesem Stil versaut hat?Sambora hat geschrieben: ↑23.04.2020 07:40Hier finde ich mich schon sehr wieder.Apparition hat geschrieben: ↑22.04.2020 22:52 Zum Album: Irgendwie ein typisches "Wir versuchen jetzt mal alles mögliche und sehen mal, was übrig bleibt"-Debüt. Insgesamt etwas zerrissen, ohne klare Vision. Aber mit ein paar echt starken Songs. "Solisbury Hill" und "Modern Love" sind die überragenden Dosenöffner, im Windschatten davon "Slowburn" wegen der Achterbahnfahrt, die der Song ist, und natürlich "Here Comes the Flood". Dazwischen auch einiges an Quatsch.
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Re: Peter Gabriel - Scratch (1978): Don't tell me what I will do, 'cause I won't
2 Scratch 1978
Cover: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... r_art).jpg
Produziert von Robert Fripp ist bei dem zweiten Album Peter Gabriels aus dem Jahr 1978 so ungefähr alles anders wie beim Debüt ein Jahr vorher. So sehr Gabriel auf dem Cover sein Konterfei und die Plattenhülle zerkratzt, so kratzt das Album aus auch den Boxen heraus.
Irgendwo in den Zeiten des Punk und aufkommenden New Wave entstanden, siedelt sich das Album mehr dort an als bei dem Glam und Prog vorher. War "Car" die Befreiung und der Neuanfang, ähnlich eines jungen Burschen, der die Welt erleben will und Duplo mit Lego und Playmobil unheilig vermischt, ist Scratch eher das erste Aufflackern eines pubertierenden Jugendlichen, der mit Lederjoppe rauchend an der Straßenecke rumlümmelt.
OK, jemand wie Gabriel in die Punk-Ecke zu schieben ist etwas übertrieben (siehe auch weiter unten, denn so abgefahren "hart" "ist das Album dann eigentlich doch nicht), und die meisten Songs sind auch kein Punk, jedoch zeigt auch der Live-Auftritt im Rockpalast, der aus der Zeit stammt und auf Youtube steht, dass die Band mit kurzgeschnittenen Haaren und Bauarbeiter-Warnwesten eher gehobenes Handwerk als künstlerische Filigran-Arbeit abliefern will. Ein weiterer Schritt und ein konsequenterer Schritt weg von seiner so hoch gelobten und von vielen Fans vermissten Vergangenheit.
Der Sound von Scratch ist trocken, wie in einem (trockenen *g*) Keller aufgenommen. Ein minimalistischer Sound, leider mit scheußlichen Effekten auf der Stimme, teilweise auf dem E-Piano, die unter dem Kopfhörer irgendwann doch nerven. Aber nun gut. Vergleichen wir das Album mit der Nachbarschaft von Peter Gabriel fällt mir beim Debüt noch die Verspieltheit eines David Bowie ein, bei Scratch jedoch eher die Direktheit eines Lou Reed.
Obwohl es anfangs einen derben Eindruck macht, wird aber spätestens ab Lied 3 das Tempo und die "Derbheit" zurückgefahren und das Album erweckt einen völlig anderen Sog. Und es wird genügend in den Genres gewildert. Leicht an Folk erinnernde countryeske Klavierballaden, dahinfließender End-70er Pop mit Prog-Anleihen, Reggae Anleihen.
Trotzdem ist Scratch unglaublich spröde gegenüber dem riesig klingenden Debüt. Mir persönlich gefällt es aber wesentlich besser, v.a. weil die oftmals wesentlich schlichter komponierten Songs viel besser im Vordergrund stehen. Auch wenn Gabriel hier keine Wundertüte an originellen Songs abliefert und einige mit ihrem repetitiven Chorus (DIY, Perspective) einem eher schon auf den Zeiger gehen können: Trotz dieser Punkte wirkt das Album wesentlich runder.
Das Album geht also in eine direktere Richtung als der Vorgänger, eine boden-nähere Attitüde, jetzt nicht besonders bodenständig. Weg von der großen Phantasie eines privaten Landhauses in England. Eher in eine persönliche, menschliche Richtung. Teilweise sehr melancholisch. Lieder über Tod und Rückblicke. Die Verschmitztheit von Genesis und dem Debüt wurde getilgt, aus den Spalten gekratzt und ein kantiger, schmutziger Stein von Album blieb über.
Die beteiligten Personen: Robert Fripp von Ex-King Crimson, der das Album auch produziert hat, Tony Levin wieder am Bass, Larry Fast an den Synthesizern, Jerry Marotta am Schlagzeug. Zusätzlich ist Roy Bittan von der E-Street Band dabei, den Gabriel wohl schonmal gefragt hatte. Er spielt bei einem der schönsten Lieder (Mother of Violence) eine wichtige Rolle.
** On The Air
Mit Baba O Riley Gedenk-Keyboards poltert On The Air ziemlich harsch los und zeigt die gewünschte Richtung: Rockig, ein paar Bruce-Springsteen-artige Klavierakkorde und ein leicht überdreht schreiender Peter Gabriel. Dem spröden Charme vom Sound gesellt sich ein grimmiger Text dazu voller "junk", "trash" und "shacks". Was aber hier schon auffällt: Sowohl die Stimme, als auch das Bass-Solo sind irgendwo im Stereo verteilt, das Schlagzeug klingt hallig verdoppelt. Nicht besonders einfach zu hören.
** D.I.Y.
Während "On The Air" sich in irgendeinem Fade-Out vergisst, platzt D.I.Y rein und hier ist dieser knorpelige Sound viel besser eingesetzt und ein riesen Gewinn. Ein simpler Beat, ein Akustikgitarrenlick, ein paar Klavier-Spritzer und ein chromatischer Lauf. Gabriels Stimme ist so verfremdet, als würde das Band rückwärts laufen. Sein Gesang ist nicht besonders sauber, sein Text vermittelt wieder Unabhängigkeit, aber mit Kampf und Wachsamkeit, so dass das Lied wie die Dunkle Seite von Solsbury Hill wirkt.
** Mother Of Violence
Grillengezirpe, Bienengesumme, ein paar einfache gebrochene Akkorde auf der Gitarre und das wunderbar dahintupfende Klavier von Bruce Springsteens Pianisten Roy Bittan. In meiner geschlossenen Welt erinnert mich das Lied ein wenig an die Beatles aber mehr an die Frühphase der Post-Barrett Floyds, an die Spröde der frühen John Lennon Solozeit. An die wache Tristheit der Nach-Hippie Zeit. Ohne das Klavier wäre das Lied eigentlich sehr einfach, ohne den brüchigen Gesang Gabriels auch wesentlich wirkungsloser, ohne die versteckte Lap-Steel Gitarre und die leichten Synthesizer Drohungen auch weniger widersprüchlich. Ich liebe das Stück, ich liebe das schwebende Gefühl, die die Inszenierung mir verschafft. Ich liebe die drohende Gefahr des Textes, die Mutter der Gewalt. Ich liebe das brabbelige Gesinge zum Schluss des Songs. Das Stück ist unkompliziert mit seinen zwei Akkorden in den Strophen, dem melodischen Übergang in den Refrain und seinem Akkordlauf im Refrain und einem verschobenen Silben im Gesang. Ein Kleinod. Ein leicht trister Sonnenstrahl am frühen Samstagmorgen.
** A Wonderful Day In A One-Way World
Ein weißer Reggae und ein Gesang wie aus Eric Claptons 70er Alben geklaut. Das Lied könnte sich irgendwo auf dessen lahmen Heroin-Alben verstecken. Die harmlose Verspieltheit trifft ganz gut den Text des harmlosen Samstag mittag Einkäufers, der wohl etwas verwirrt mit seinem Leeren Einkaufskorb in der Gegend rumsteht. Ansonsten ist das Lied ziemlich grausam für mich.
** White Shadow
White Shadow beginnt mit einem herrlich dahinschwebenden Nichts aus Luft und Licht, ehe ein etwas schlecht gealtertes Synthesizer-Riff einsetzt. Auch am fisteligen Gesang könnte man was aussetzen, aber das Lied gewinnt durch seine etwas klaustrophobischer werdende Atmosphäre und seine leicht jazzigen Akkordfolgen, die mich etwas an Rick Wright erinnern.
** Indigo
Hätte Gabriel das Lied 10 Jahre später aufgenommen, würde es sicherlich vom Sound wesentlich populärer klingen. So flötet sich die Inszenierung auf dem wunderbaren Klavierspiel etwas schräg dahin. Interessant ist die Verbindung von diesen englischen Stairway To Heaven Blockflöten mit der amerikanischen Lap-Steel Gitarre. Ein trauriges Lied über die Entfremdung des eigenen Ichs, eigentlich wenig erbaulich und ein stimmungsmäßiger Tiefpunkt. Hatten wir was von Punk geschrieben? Das Album hat sich hier komplett verändert.
** Animal Magic
Der Song beschreibt die Motivation eines enttäuschten Liebhabers in den Militärdienst zu wechseln und ein professioneller Kämpfer zu werden: Ein Mann, der mit seinem Zauberstab wedelt um die Hasen zu vertreiben. Was auch immer... *g* Irgendwo im Honky-Tonk angesiedelt sollte man sich mal Whitesnake zu der Zeit vorstellen, so etwas zu singen. Da werden die Stolpersteine, die Gabriel in diesem halbwegs schlichten Rocksong auslegt schon ziemlich offensichtlich.
** Exposure
Robert Fripp friptt sich mit seinen "Frippertronics", einer Mischung aus Delayeffekten und Verzerrung in diesem düsteren Funk, der mit einem harschen und gleichzeitig fantastischen Basslauf angereichert ist und Gabriel düstere Vocals singen lässt. Fripp hat diese Version später auf seinem gleichnamigen Album nochmal aufbereitet und hysterisch überdrehte Vocals genommen, während Gabriel eine eher ruhigere Interpretation wählt, die sich erst am Ende des Songs steigert. Eher ein Sound-Experiment als ein Song.
Robert Fripp - Exposure: https://www.youtube.com/watch?v=X1NkphFI3oQ
** Flotsam And Jetsam
Ein düster pumpender Anfang der sich, wieder durch die Lap-Steel Gitarre in ein melodischen Pre-Chorus auflöst. Ein gutes Beispiel, wie sehr Gabriel hier wunderschöne Melodien entwirft, die aber so verfranst inszeniert sind, dass kaum ein Song entsteht. Die paar Stärken eines Flotsam And Jetsam hat er später wesentlich besser rausgearbeitet. Die Schwächen dieses Songs, die losen Enden und das fehlen jeglicher Songstruktur dann später eher weggelassen.
** Perspective
Als würde das Album gerne an On The Air und D.I.Y. erinnern wollen ist Perspective ein - mit Tenor-Saxophon unterstrichener - Rocker, der live (im Rockpalast) tatsächlich mit Mikrofon-Dialog gesungen wurde: Gabriel singt rein, streckt das Mikrofon Bassist und Gitarrist hin, so dass sie ihren Teil singen können, zieht es wieder zu sich zurück und das wird dann paarmal wiederholt. Ein sehr schönes, leicht nervendes Nichts von Song, dummer Ohrwurm, nicht gut.
** Home Sweet Home
Irgendwo zwischen Country (Lap-Steel mal wieder) und Klavierballade (Roy Bittan mal wieder) angesiedelt ist Home Sweet Home die vielleicht passende Abschlußballade eines Albums, dass größtmögliche Freiheit und Unabhängigkeit und Ehrlichkeit vermitteln wollte und doch so unverwandt in einem erwartbaren Schunkler endet. Auch hier erinnert mich das ein wenig an Whitesnake, diesmal "We Wish You Well", schaut man jedoch auf den grausamen Text ist der Song doch ein schaurig bodenloses, deprimierendes Ende eines dann doch nicht sehr erheiterndem Albums.
Ich erlaube mir ein Fazit: Wesentlich aufreibender als das Debüt, mit einer höheren Anzahl guter Lieder und weniger Ausfällen.
Cover: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... r_art).jpg
Produziert von Robert Fripp ist bei dem zweiten Album Peter Gabriels aus dem Jahr 1978 so ungefähr alles anders wie beim Debüt ein Jahr vorher. So sehr Gabriel auf dem Cover sein Konterfei und die Plattenhülle zerkratzt, so kratzt das Album aus auch den Boxen heraus.
Irgendwo in den Zeiten des Punk und aufkommenden New Wave entstanden, siedelt sich das Album mehr dort an als bei dem Glam und Prog vorher. War "Car" die Befreiung und der Neuanfang, ähnlich eines jungen Burschen, der die Welt erleben will und Duplo mit Lego und Playmobil unheilig vermischt, ist Scratch eher das erste Aufflackern eines pubertierenden Jugendlichen, der mit Lederjoppe rauchend an der Straßenecke rumlümmelt.
OK, jemand wie Gabriel in die Punk-Ecke zu schieben ist etwas übertrieben (siehe auch weiter unten, denn so abgefahren "hart" "ist das Album dann eigentlich doch nicht), und die meisten Songs sind auch kein Punk, jedoch zeigt auch der Live-Auftritt im Rockpalast, der aus der Zeit stammt und auf Youtube steht, dass die Band mit kurzgeschnittenen Haaren und Bauarbeiter-Warnwesten eher gehobenes Handwerk als künstlerische Filigran-Arbeit abliefern will. Ein weiterer Schritt und ein konsequenterer Schritt weg von seiner so hoch gelobten und von vielen Fans vermissten Vergangenheit.
Der Sound von Scratch ist trocken, wie in einem (trockenen *g*) Keller aufgenommen. Ein minimalistischer Sound, leider mit scheußlichen Effekten auf der Stimme, teilweise auf dem E-Piano, die unter dem Kopfhörer irgendwann doch nerven. Aber nun gut. Vergleichen wir das Album mit der Nachbarschaft von Peter Gabriel fällt mir beim Debüt noch die Verspieltheit eines David Bowie ein, bei Scratch jedoch eher die Direktheit eines Lou Reed.
Obwohl es anfangs einen derben Eindruck macht, wird aber spätestens ab Lied 3 das Tempo und die "Derbheit" zurückgefahren und das Album erweckt einen völlig anderen Sog. Und es wird genügend in den Genres gewildert. Leicht an Folk erinnernde countryeske Klavierballaden, dahinfließender End-70er Pop mit Prog-Anleihen, Reggae Anleihen.
Trotzdem ist Scratch unglaublich spröde gegenüber dem riesig klingenden Debüt. Mir persönlich gefällt es aber wesentlich besser, v.a. weil die oftmals wesentlich schlichter komponierten Songs viel besser im Vordergrund stehen. Auch wenn Gabriel hier keine Wundertüte an originellen Songs abliefert und einige mit ihrem repetitiven Chorus (DIY, Perspective) einem eher schon auf den Zeiger gehen können: Trotz dieser Punkte wirkt das Album wesentlich runder.
Das Album geht also in eine direktere Richtung als der Vorgänger, eine boden-nähere Attitüde, jetzt nicht besonders bodenständig. Weg von der großen Phantasie eines privaten Landhauses in England. Eher in eine persönliche, menschliche Richtung. Teilweise sehr melancholisch. Lieder über Tod und Rückblicke. Die Verschmitztheit von Genesis und dem Debüt wurde getilgt, aus den Spalten gekratzt und ein kantiger, schmutziger Stein von Album blieb über.
Die beteiligten Personen: Robert Fripp von Ex-King Crimson, der das Album auch produziert hat, Tony Levin wieder am Bass, Larry Fast an den Synthesizern, Jerry Marotta am Schlagzeug. Zusätzlich ist Roy Bittan von der E-Street Band dabei, den Gabriel wohl schonmal gefragt hatte. Er spielt bei einem der schönsten Lieder (Mother of Violence) eine wichtige Rolle.
** On The Air
Mit Baba O Riley Gedenk-Keyboards poltert On The Air ziemlich harsch los und zeigt die gewünschte Richtung: Rockig, ein paar Bruce-Springsteen-artige Klavierakkorde und ein leicht überdreht schreiender Peter Gabriel. Dem spröden Charme vom Sound gesellt sich ein grimmiger Text dazu voller "junk", "trash" und "shacks". Was aber hier schon auffällt: Sowohl die Stimme, als auch das Bass-Solo sind irgendwo im Stereo verteilt, das Schlagzeug klingt hallig verdoppelt. Nicht besonders einfach zu hören.
** D.I.Y.
Während "On The Air" sich in irgendeinem Fade-Out vergisst, platzt D.I.Y rein und hier ist dieser knorpelige Sound viel besser eingesetzt und ein riesen Gewinn. Ein simpler Beat, ein Akustikgitarrenlick, ein paar Klavier-Spritzer und ein chromatischer Lauf. Gabriels Stimme ist so verfremdet, als würde das Band rückwärts laufen. Sein Gesang ist nicht besonders sauber, sein Text vermittelt wieder Unabhängigkeit, aber mit Kampf und Wachsamkeit, so dass das Lied wie die Dunkle Seite von Solsbury Hill wirkt.
** Mother Of Violence
Grillengezirpe, Bienengesumme, ein paar einfache gebrochene Akkorde auf der Gitarre und das wunderbar dahintupfende Klavier von Bruce Springsteens Pianisten Roy Bittan. In meiner geschlossenen Welt erinnert mich das Lied ein wenig an die Beatles aber mehr an die Frühphase der Post-Barrett Floyds, an die Spröde der frühen John Lennon Solozeit. An die wache Tristheit der Nach-Hippie Zeit. Ohne das Klavier wäre das Lied eigentlich sehr einfach, ohne den brüchigen Gesang Gabriels auch wesentlich wirkungsloser, ohne die versteckte Lap-Steel Gitarre und die leichten Synthesizer Drohungen auch weniger widersprüchlich. Ich liebe das Stück, ich liebe das schwebende Gefühl, die die Inszenierung mir verschafft. Ich liebe die drohende Gefahr des Textes, die Mutter der Gewalt. Ich liebe das brabbelige Gesinge zum Schluss des Songs. Das Stück ist unkompliziert mit seinen zwei Akkorden in den Strophen, dem melodischen Übergang in den Refrain und seinem Akkordlauf im Refrain und einem verschobenen Silben im Gesang. Ein Kleinod. Ein leicht trister Sonnenstrahl am frühen Samstagmorgen.
** A Wonderful Day In A One-Way World
Ein weißer Reggae und ein Gesang wie aus Eric Claptons 70er Alben geklaut. Das Lied könnte sich irgendwo auf dessen lahmen Heroin-Alben verstecken. Die harmlose Verspieltheit trifft ganz gut den Text des harmlosen Samstag mittag Einkäufers, der wohl etwas verwirrt mit seinem Leeren Einkaufskorb in der Gegend rumsteht. Ansonsten ist das Lied ziemlich grausam für mich.
** White Shadow
White Shadow beginnt mit einem herrlich dahinschwebenden Nichts aus Luft und Licht, ehe ein etwas schlecht gealtertes Synthesizer-Riff einsetzt. Auch am fisteligen Gesang könnte man was aussetzen, aber das Lied gewinnt durch seine etwas klaustrophobischer werdende Atmosphäre und seine leicht jazzigen Akkordfolgen, die mich etwas an Rick Wright erinnern.
** Indigo
Hätte Gabriel das Lied 10 Jahre später aufgenommen, würde es sicherlich vom Sound wesentlich populärer klingen. So flötet sich die Inszenierung auf dem wunderbaren Klavierspiel etwas schräg dahin. Interessant ist die Verbindung von diesen englischen Stairway To Heaven Blockflöten mit der amerikanischen Lap-Steel Gitarre. Ein trauriges Lied über die Entfremdung des eigenen Ichs, eigentlich wenig erbaulich und ein stimmungsmäßiger Tiefpunkt. Hatten wir was von Punk geschrieben? Das Album hat sich hier komplett verändert.
** Animal Magic
Der Song beschreibt die Motivation eines enttäuschten Liebhabers in den Militärdienst zu wechseln und ein professioneller Kämpfer zu werden: Ein Mann, der mit seinem Zauberstab wedelt um die Hasen zu vertreiben. Was auch immer... *g* Irgendwo im Honky-Tonk angesiedelt sollte man sich mal Whitesnake zu der Zeit vorstellen, so etwas zu singen. Da werden die Stolpersteine, die Gabriel in diesem halbwegs schlichten Rocksong auslegt schon ziemlich offensichtlich.
** Exposure
Robert Fripp friptt sich mit seinen "Frippertronics", einer Mischung aus Delayeffekten und Verzerrung in diesem düsteren Funk, der mit einem harschen und gleichzeitig fantastischen Basslauf angereichert ist und Gabriel düstere Vocals singen lässt. Fripp hat diese Version später auf seinem gleichnamigen Album nochmal aufbereitet und hysterisch überdrehte Vocals genommen, während Gabriel eine eher ruhigere Interpretation wählt, die sich erst am Ende des Songs steigert. Eher ein Sound-Experiment als ein Song.
Robert Fripp - Exposure: https://www.youtube.com/watch?v=X1NkphFI3oQ
** Flotsam And Jetsam
Ein düster pumpender Anfang der sich, wieder durch die Lap-Steel Gitarre in ein melodischen Pre-Chorus auflöst. Ein gutes Beispiel, wie sehr Gabriel hier wunderschöne Melodien entwirft, die aber so verfranst inszeniert sind, dass kaum ein Song entsteht. Die paar Stärken eines Flotsam And Jetsam hat er später wesentlich besser rausgearbeitet. Die Schwächen dieses Songs, die losen Enden und das fehlen jeglicher Songstruktur dann später eher weggelassen.
** Perspective
Als würde das Album gerne an On The Air und D.I.Y. erinnern wollen ist Perspective ein - mit Tenor-Saxophon unterstrichener - Rocker, der live (im Rockpalast) tatsächlich mit Mikrofon-Dialog gesungen wurde: Gabriel singt rein, streckt das Mikrofon Bassist und Gitarrist hin, so dass sie ihren Teil singen können, zieht es wieder zu sich zurück und das wird dann paarmal wiederholt. Ein sehr schönes, leicht nervendes Nichts von Song, dummer Ohrwurm, nicht gut.
** Home Sweet Home
Irgendwo zwischen Country (Lap-Steel mal wieder) und Klavierballade (Roy Bittan mal wieder) angesiedelt ist Home Sweet Home die vielleicht passende Abschlußballade eines Albums, dass größtmögliche Freiheit und Unabhängigkeit und Ehrlichkeit vermitteln wollte und doch so unverwandt in einem erwartbaren Schunkler endet. Auch hier erinnert mich das ein wenig an Whitesnake, diesmal "We Wish You Well", schaut man jedoch auf den grausamen Text ist der Song doch ein schaurig bodenloses, deprimierendes Ende eines dann doch nicht sehr erheiterndem Albums.
Ich erlaube mir ein Fazit: Wesentlich aufreibender als das Debüt, mit einer höheren Anzahl guter Lieder und weniger Ausfällen.
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Re: Peter Gabriel - Scratch (1978): Don't tell me what I will do, 'cause I won't
Das Album, bei dem Gabriel völlig übergeschnappt ist ob der vielen technischen Möglichkeiten, die er plötzlich nutzen konnte, ohne, sich anderen Menschen rechtfertigen zu müssen. Ein sehr spannendes Experiment, das aber mehr davon lebt, einem Musiker bei der etwas unbehlolfenen Umsetzung seiner Visionen zuzusehen, als dass es bis auf wenige Ausnahmen wirklich herausragendes Songmaterial bereit hält. DIY gewinnt zB in der Live-Version deutlich, da ist dieses etwas sterile Klanggebilde plötzlich eine echt gute New Wave-Nummer. Macht Spaß, aber eher aus Sicht des Bastlers denn des Genießers.
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Re: Peter Gabriel - Scratch (1978): Don't tell me what I will do, 'cause I won't
Von diesem Album kenne ich noch gar nichts, aber das Review ist ein guter Anlass, da endlich mal reinzuhören.
*notier*
*notier*
Re: Peter Gabriel - Scratch (1978): Don't tell me what I will do, 'cause I won't
Ich kenne von PG nur Sledge Hammer (HAMMER!), und einen Song vom Debut, der hier verlinkt war. Für mich als maximal Außenstehender liest es sich etwas seltsam, dass hier bei gefühlt der Hälfte der Songs "komischer Song", "ziemlich nervig", "ist halt ein Experiment" steht, am Ende das Album aber doch super sein soll, und jemand ja offensichtlich so sehr Fan ist, dass ein ganzer Thread für das Schaffen des Herren gebastelt wird Keine Kritik, finde das nur interessant.
"Wenn man in der Metalszene unterwegs ist, dann bekommt man quasi NIE politische Statements zu hören. Auch deswegen liebe ich diese Szene so. Politik ist dort nunmal kein Thema. Fast schon ein Tabuthema."
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Re: Peter Gabriel - Scratch (1978): Don't tell me what I will do, 'cause I won't
Für mich schon recht klar sein schwächstes Album.
Bis auf das Cover, das ist sein bestes *g*
Ansonsten halt viel ausprobieren aber nur ab und an mal einen Treffer landen.
Höre ich im Grunde nie.
Tolles Review aber wieder.
Bis auf das Cover, das ist sein bestes *g*
Ansonsten halt viel ausprobieren aber nur ab und an mal einen Treffer landen.
Höre ich im Grunde nie.
Tolles Review aber wieder.
Re: Peter Gabriel - Scratch (1978): Don't tell me what I will do, 'cause I won't
Ja, ist mir auch aufgefallen. Das Album ist nicht angenehm und etwas aufreibend, und das kostet Gabriel aus. Bei seinen weiteren Alben ist das etwas ruhiger und professioneller. Aber das Album ist durch diese Aufgerauhtheit und diese vielen Nervigkeiten doch auch gut.Alphex hat geschrieben: ↑04.05.2020 10:44 Ich kenne von PG nur Sledge Hammer (HAMMER!), und einen Song vom Debut, der hier verlinkt war. Für mich als maximal Außenstehender liest es sich etwas seltsam, dass hier bei gefühlt der Hälfte der Songs "komischer Song", "ziemlich nervig", "ist halt ein Experiment" steht, am Ende das Album aber doch super sein soll, und jemand ja offensichtlich so sehr Fan ist, dass ein ganzer Thread für das Schaffen des Herren gebastelt wird Keine Kritik, finde das nur interessant.
Ich finde es nicht so schwach wie Eschi und Ploppi es ansehen, ich finde es insgesamt sogar besser als das Debüt. Es ist das Mob Rules von Gabriel: schmutzig und doch auch himmlisch.