Rocks (1976)
An sich kann man auf ein Überalbum wie "Toys in the Attic" ja nichts mehr drauflegen. Ganz oft ist es ja so, dass Bands nach einrm krativen Hoch irgendwie ausbrennen und auf hohem Niveau stagnieren. Die Ausnahmen davon sind dann halt die Rushs, Queens, Jethro Tulls, Genesis', Deep Puples dieser Welt, um mal in den Siebzigern zu bleiben. Und selbst die hatten Schwankungen. Mir "Rocks", ihrem vierten Album, reihen sich Aerosmith in genau dieser Riege der Superstars ein, denn sie schafften es tatsächlich, ihrem Durchbruchsalbum einen gleichwertigen Bruder zur Seite zu stellen.
Back in the Saddle:
Auch dieses Album beginnt mit seinem vermutlich bekanntesten Song. Diesmal bekommt das Eröffnungsfeuerwerk ein kurzes Intro spendiert, nur ein Paar Akkorde, die aber wie unter Spannung stehen. Man weiss einfach, dass gleich was großes passiert. Die Band explodiert einem förmlich ins Gesicht, und ja, der Song klingt wie eine Bande Desperados, die quer durch die Prärie reiten. Fehlen nur noch die Kokosnussschalen. *g* Die wussten schon, wie man Hörer gefangen nimmt, alle Alben von damals fangen mit einem schnellen, harten Rocksong an, der einen einfach überrollt. Hier setzt Tyler im Refrain noch ein paar seiner spitzen, heiser klingenden Schreie drauf, die ja auch sowas wie ein Markenzeichen von ihm sind. Stark, aber keine Überhymne wie "Toys..."
Last Child:
Wie auf dem Album davor schaltet die Band danach einen Gang runter. Last Child basiert auf einem schweren, stampfenden ungeraden Rhythmus, auch irgendwie sumpfig und schwül. Wenn Tyler anfängt zu singen, klingt's irgendwie nach Puff. *g* Schön, aber keine der ganz großen Nummern.
Rats in the Cellar:
Vom Dachboden in den Keller, da liegen dann auch keine Spielsachen, sondern die fiesen Sachen. Klingt auch wie der Zwilling zum Toys-Titelsong, vielleicht sogar noch etwas heavier, das ist schon reinrassiger Hardrock, trotz der Mundharmonika. Geiles Duell zwischen Whitford und Perry, sowas kennt man eher von Priest und Maiden, wenn auch in ganz anderem Kontext. Einer der wenigen Songs, wo Tyler eher in der zweiten Reihe steht und mehr für Farbtupfer sorgt als den Laden anführt.
Combination:
Das gilt auch für diese Nummer, auch wenn er da schon eher gegen das Instumentengewitter ankommt. Bemerkenswerte Gesangslinie, gefühlt besteht der Song nur aus Chorus. Die Strophen, wenn man so will, sind rein instrumental. Da passiert auch richtig was, die holzen einen schön in Trance, das hat was von einer sehr harten Pychedelic-Nummer, kommt aber vermutlich eher aus dem Funk. Starker Song aus der zweiten Reihe.
Sick as a Dog:
Die vorherigen drei Songs waren keine vordergründigen Hits, im Sinne von nicht unmittelbar eingängig. Sick as sa Dog bewegt sich schon wieder mehr Richtung Single, die Instrumentierung wirkt aufgeräumter, Steven Tyler übernimmt wieder mehr das Kommando. Ziemlich genau in der Mitte ist aber ein wunderbares, kurzes, zweistimmiges Solo, und so bei 4:00 bremsen sie nochmal sehr hart runter, bis es eigentlich nur Drums und eine Gitarre gibt, bevor wieder die ganze Band einsteigt. Diese rapiden Tempoverschleppungen sind auch ziemlich charakteristisch für Aerosmith, die hab ich jetzt schon ein paar mal gehört. Das so hinzukriegen, dass es nicht zerhackt klingt, sondern flüssig, ist glaub ich schon auch eine Leistung. Toller Song.
Nobody's Fault:
Ein Song von Brad Whitford, bei dem ich sofort an Led Zeppelin denken muss. Die hatten auch oft diese leicht verschleppten, zäh klingenden Rhythmen mit schweren Gitarren drüber. Sehr heavy, passt gut zu "Round and Round" von Vorgängeralbum. Die Band klingt fast wie eine Dampflok, stampfend und schnaufend, während Tyler viel schreit und viel Energie in senen Gesang legt. Cooler Kontrast, klar eins der Albumhighlights, wenn man denn überhaupt Songs hervorheben möchte.
Get The Lead Out:
Einer der Aerosmith-Songs zum schwofen, irgendwo zwischen "Same old Song and Dance" und "Sweet Emotion". Ich kenne wirklich keine andere große Hardrockband, die diese heißen Grooves so drauf hatte. Das kennt man von Jazzrockbads wie Traffic und If, auch aus dem Soul (siehe Rare Earth) und so, vermutlich ist das noch älter. Aber mit dieser Gitarrenpower? Mother's Finest eventuell noch, aber die waren auch nicht so hart und bleischwer. An sich müsste das cuh was für Down- und Stonerfans was sein, Songs wie dieser sind eigentlich die Ursuppe dieser Musik.
Lick and a Promise:
Ganz hinten versteckt sich noch ein vergessener Hit. Eigentlich auf einem simplen Rock'n'Roll-Song aufgebaut, aber mit raffinierten Gitarren und toller Melodie verziert. Tyler singt göttlich, der sollte viel bekannter sein.
Home Tonight:
Die Ballade fehlt noch. Wobei diese fast schon in die Kategorie Halbballade fällt, sie ist nämlich schon etwas rauher als etwa "You See Me Crying" oder "Seasons of Wither". Vor allem hat sie dieses elend lange Gitarrensolo am Ende und ist generell nicht sehr lang, so dass man gar nicht auf die Idee kommt, es könnte zu schmalzig sein oder so. Starker Abschluss, für einen Radiohit ist sie eigentlich perfekt, aber vielleicht sogar etwas zu kurz, um sich richtig zu entfalten.
Das Album ist insgesamt übrigens gerade mal 34 Minuten lang, "Toys" hatte 37, und "Get Your Wings" 38. Heute wäre vermutlich das Geschrei groß, dass das ja viel zu wenig Musik fürs Geld wäre. Schöner Beleg dafür, dass ein Album nicht lang sein muss, um richtig einzuschlagen.
Ob man nun dieses oder "Toys In The Attic" besser findet, ist vermutlich Geschmackssache. "Toys" hat m.E. die noch größeren Hits, "Rocks" klingt dagegen homogener und geschlossener, wobei ich finde, dass die nach hinten raus immer besser wird. Das sind aber Nuancen, kennen sollte man auf jeden Fall beide.
Nobody's Fault:
Sick as a Dog (live):
Home Tonight: