...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

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MetalEschi
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Re: ...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

Beitrag von MetalEschi »

Ich würde sie, ganz persönlich, jetzt auch nicht unbedingt als DIE Überscheibe von ihm schlechtin bewerten, sicherlich gibt es da noch einige, die mehr besser gefallen (gilt zB schonmal für Nachfolger und Vorgänger). Aber die Dichte, mit denen er in den 70ern stilistisch völlig unterschiedliche Musik auf höchstem Niveau veröffentlicht hat, ist schon im Grundsatz sehr bemerkenswert.
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Ex pluribus plumbum
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Re: ...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

Beitrag von Ex pluribus plumbum »

Ganz tolle Rezensionen!
Wann wird es damit weiter gehen?
Ich möchte allerdings eine Lanze brechen für Width of a circle, einen meiner absoluten Lieblingssongs (nicht nur von Bowie); in meinen Ohren ist der perfekt so, wie er ist.
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Re: ...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

Beitrag von MetalEschi »

Puh, sollte schon lange weiter gehen. Da kam dann immer irgendwie Arbeit dazwischen und irgendwelche anderen Dinge, die wichtiger erschienenen. Aber vielen Dank für das Kompliment und möglicherweise motiviert mich das, der Sache wieder Leben einzuhauchen.
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Re: ...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

Beitrag von MetalEschi »

Aladdin Sane (1973)

Tracklist:

Seite A:

01 Watch That Man
02 Aladdin Sane
03 Drive-In Saturday
04 Panic in Detroit
05 Cracked Actor

Seite B:

01 Time" – 5:15
02 The Prettiest Star
03 Let's Spend the Night Together
04 "The Jean Genie
05 "Lady Grinning Soul

Besetzung:

David Bowie – lead vocals, guitar, harmonica, saxophone, synthesizer, mellotron
Mick Ronson – guitar, piano, backing vocals
Trevor Bolder – bass guitar
Mick "Woody" Woodmansey – drums
Mike Garson – piano
Ken Fordham – saxophone
Brian "Bux" Wilshaw – saxophone, flutes
Juanita "Honey" Franklin – backing vocals
Linda Lewis – backing vocals
G.A. MacCormack – backing vocals

1973 begibt sich Ziggy Stardust, namensgebender Charakter des Vorgängerwerks, nach Amerika. David Bowies nächstes Album, und das erste, das er als Superstar veröffentlicht, trägt wie so oft autobiographische Züge. Seine neueste Selbstreflexion nennt sich „Aladdin Sane“, ein Wortspiel „für a lad insane“, und beschreibt seine ambivalenten Erfahrungen mit der Tour durch die USA. Die Freude an der Musik und die Dankbarkeit für die Hingabe der Fans einerseits, aber auch die, von Musikern allzu oft beschriebene, Einsamkeit, dem Fremdeln mit der neuen Welt und dessen Menschen und der psychischen Belastung, die mit dem Touren einhergeht. Das Albumcover dürfte alleine schon zu den ikonischsten Darstellungen Bowies gehören, der farbenfrohe Künstler, dessen tatsächliche Emotion nur schwer einzuschätzen ist, da er den Blick abwendet und die Augen schließt. Textlich behandelt er in den Songs des Albums, wie Amerika ihn gleichermaßen fasziniert und einschüchtert, beobachtet und verarbeitet die urbane Umgebung und malt dabei ein Bild, bei dem er sich, kurz zusammengefasst, überfordert davon zeigt, die unbegrenzten Möglichkeiten vor sich liegen zu haben, aber in keiner davon wirkliche Erfüllung zu finden.

Musikalisch ist die Hinwendung zur amerikanischen Kultur gleichermaßen unterschwellig wie genial: Äußerlich und auf den ersten Blick wirkt die Musik wie eine etwas rauere Fortsetzung des Ziggy-Sounds. Das Album, speziell der Opener „Watch That Man“, stellt Mick Ronsons Gitarre so sehr in den Vordergrund, dass Bowies Gesang in dem Soundwall beinahe untergeht, was die von der leicht poppigen Eingängigkeit des Vorgängers verwöhnten Fans seinerzeit teilweise regelrecht abschreckte. Die Basis seiner Musik bleibt also der für diese Zeit so typische Glam im Verbund mit seinem einzigartigen, emotionalen Gesang, eingespielt im Wesentlichen von genau den gleichen Spiders of Mars, die auch auf „Ziggy Stardust“ schon zu hören waren. Einige Background-Sänger*innen und zwei Saxophonisten werden engagiert, und allen voran der Pianist Mike Garson, der diesem Werk wohl wie kein anderer beteiligter Musiker seinen Stempel aufdrückt. Und hier kommt der Bezug zu Amerika ins Spiel: Garson veredelt die Songs der Platte mit seinem jazzigen Spiel, das in einigen Songs beinahe schon wie in Panik schreiend neben die Kompositionen her klimpert, um im nächsten Moment wieder eine Symbiose mit Ronson (und all den anderen) einzugehen. Es war Bowies ausdrücklicher Wunsch an Garson, den uramerikanischen Piano-Jazz als Kontrast zum straighten Rock 'n' Roll einzusetzen. „Ziggy goes America“ wurde also auch musikalisch in sehr beeindruckender Form umgesetzt.

Songhighlights sind neben dem Opener vor Allem der Titelsong, bei dem Garson nicht nur mit seinem ausufernden Solo die auffälligsten Akzente setzt, „Time“, der Opener der B-Seite, bei dem sich Bowie wieder so typisch emotional in den Gesang legt, dass man ihm die authentische Rolle einfach zu 100 % abnehmen muss, die von den Stones beeinflusste Single „The Jean Genie“, „Panic in Detroit“, bei dem die negativen und dunklen Seiten der urbanen USA beleuchtet werden, und die in Stil und Ausführung gar nicht mal zu Unrecht als „Bowies James Bond“-Theme bezeichnete Schlussnummer „Lady Grinning Soul“. Tatsächlich gibt es auf „Aladdin Sane“ allerdings keine einzige schwache Nummer, selbst das Stones-Cover „Let's Spend the Night Together“ stört im Kontext keineswegs. Die erwähnten jazzigen Einflüsse lassen „Aladdin Sane“ deutlich progressiver und tiefsinniger erscheinen als „Ziggy Stardust“, die oberflächlich sehr raue, gitarrenlastige Produktion macht es gleichzeitig direkter, härter und unmittelbarer, weniger Pop, mehr Rock. Diesen Spagat muss man erst einmal so überzeugend hinbekommen. Nachvollziehen konnte das seinerzeit nicht jeder, die Anerkennung für das Album wurde erst im Laufe der Jahre wirklich größer. Dass es heute auch ganz allgemein zu seinen besten Werken zählt ist bezeichnend, diese späte Erhebung in den Klassiker-Status kennt man ja von vielen mutigen, wegweisenden Platten. Für mich ist „Aladdin Sane“ immer mindestens in den Bowie-Top-3. Oft ist es dann tatsächlich auch das beste. Und egal, was ich irgendwann mal vorher geschrieben habe: Ziggy Stardust toppt es für mich in jedem Falle locker.

Bowies persönliche Erfahrungen, die Einbeziehung seiner prominenten Bekanntschaften in sein Songwriting und die Offenlegung seiner Persona führten wenig später zu der Entscheidung, den Ziggy Stardust-Charakter endgültig zu begraben. Die leicht experimentelle Ausrichtung von „Aladdin Sane“ dürfte seinen Teil dazu beigetragen haben, dass Bowie unter keinen Umständen die Wirkung dieses Charakters bis zur Abnutzung überstrapazieren wollte. Auch im weiteren Verlauf seiner Karriere hat er das nicht mehr getan und zeigte sich stets wandelbar, launisch und unberechenbar. „A lad insane“ ist eine deutlich treffendere Selbsteinschätzung, als man zunächst zu denken glaubt.

Aladdin Sane:
Time:
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Apparition
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Re: ...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

Beitrag von Apparition »

Oh cool, es geht weiter. Ich glaube, ich habe das Album nur einmal gehört, aber die steht auf der Liste. Leider als Originalvinyl kaum je zu bekommen.
That is delightful news for someone who cares.
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MetalEschi
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Re: ...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

Beitrag von MetalEschi »

Apparition hat geschrieben: 25.07.2023 20:06 Oh cool, es geht weiter. Ich glaube, ich habe das Album nur einmal gehört, aber die steht auf der Liste. Leider als Originalvinyl kaum je zu bekommen.
Die Erstauflagen sind tatsächlich nicht gerade üppig im Umlauf. Die Remaster von AS gab es aber zumindest mal auf LP bei Amazon und Medimops.
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Re: ...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

Beitrag von MetalEschi »

Diamond Dogs (1974)

Tracklist:

Seite A:

01 Future Legend
02 Diamond Dogs
03 Sweet Thing
04 Candidate
05 Sweet Thing (Reprise)
06 Rebel Rebel

Seite B:

01 Rock 'n' Roll with Me
02 We Are the Dead
03 1984
04 Big Brother
05 Chant of the Ever Circling Skeletal Family

Besetzung:

David Bowie – lead and background vocals, guitars, saxophones, Moog synthesiser, Mellotron
Mike Garson – keyboards
Herbie Flowers – bass guitar
Tony Newman – drums
Aynsley Dunbar – drums
Alan Parker – guitar on "1984"

Anfang Juli 1973 beerdigt David Bowie seinen Ziggy Stardust-Charakter, am Ende des letzten Konzerts der Tour. „It's the last show we'll ever do“ ächzt er am Ende des Konzerts dem überraschten Publikum entgegen, das in großen Teilen mit einem Rücktritt von Bowie selbst rechnet. Die Spiders from Mars werden aufgelöst, und mit neuem Personal begibt sich der Künstler auf eine Art Sinnsuche, die, so viel vorweg, in einem etwas inkonsequenten und qualitativ durchwachsenen aber dennoch interessanten Album resultiert.

Vor Allem das Fehlen von Mick Ronson hört man „Diamond Dogs“ durchaus an. Bowie lernt im Eiltempo, Gitarrenriffs zu spielen und macht die Arbeit zum Großteil selbst, begibt sich bei etwa der Hälfte der Nummern aber auch recht deutlich vom Glam Rock weg und antizipiert schon einmal die soulige Ausrichtung der Folgejahre. Textlich lässt er sich von seiner Angst vor der Zukunft beeinflussen, zitiert Orwells 1984 mehr als einmal und bastelt um diese apokalyptische Szenerie herum eine Art theatralisches Musical, das er aber aus verschiedenen Projektideen zusammensetzt, ohne eine durchgehende Geschichte zu erzählen. Die titelgebenden Diamond Dogs sind Rollerskates fahrende Jugendliche, die mit ihrem rebellenhaften Auftreten die Nachbarschaft auf Trab halten, und damit verbindet er schon Jahre vor deren Entstehung die Ästhetik das Starlight Express mit der des Punk. Das Cover präsentiert Bowie als utopisches Mensch-Hund-Geschöpf und zeigt erneut seine künstlerisch immer irgendwie undurchschaubar bleibende Persönlichkeit.

„Diamond Dogs“ und die Single „Rebel Rebel“ sind die auffälligsten Rocksongs, bei denen Bowie zwar recht lässige Riffs auf die Kette bekommt, die aber, wahrscheinlich bewusst, im Vergleich zur klaren Glam-Attitüde der Vorgängeralben ohne das Spiders-Feuer auskommen müssen. Bei vielen Songs zeigt sich hingegen schon der Hang zum Soul und ein wenig zum Funk. Das kunstvolle „Sweet Thing“, bei dem sich noch das von Saxophon untermalte „Candidate“ dazwischen mogelt, gehört in dieser Hinsicht zu den Highlights, ebenso wie „Rock 'n' Roll With Me“, das das Verhältnis eines Schauspielers zu seinem Publikum beschreibt und als leidenschaftlich gesungene Ballade schon beinahe traditionell-emotional die zweite Seite eröffnet. „1984“ nimmt die künstlerische Ausrichtung Bowies der Zukunft dann am konsequentesten Vorweg, und am Ende klingt die Platte ein wenig unspektakulär und repetitiv aus. „Diamond Dogs“ wichtigster Charakter ist gleichzeitig seine größte Stärke und Schwäche: Bowies Unentschlossenheit über seine künstlerische Vision wirkt mitunter zerfahren und ein wenig ziellos. In seiner Vita trägt es Punk und Soul, leidenschaft für Rockmusik und eine gleichzeitige Abwendung davon.

Bowies Weg zum Unberechenbaren setzt sich also fort, und die stilistische und persönliche Neuausrichtung, mit der er in den Folgejahren überrascht, nimmt mit „Diamond Dogs“ ihren Anfang. Das ist, auch wenn die leichte qualitative Delle nicht zu verleugnen ist, Meilenstein und Übergang zugleich. Kein ganz großer Klassiker für die Ewigkeit also, aber zweifellos wichtig für die Metamorphose, mit der sich Bowie sozusagen selbst vor der Irrelevanz bewahrt.

Rebel Rebel
Rock 'n' Roll With Me
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Re: ...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

Beitrag von Ex pluribus plumbum »

Ganz tolle Artikel hast du da verfasst, ich danke.
"Rock 'n' roll means well, but it can't help tellin' young boys lies." (Drive-by Truckers)

"Don't you listen to a single word against rock 'n' roll, the new religion, the electric church, the only way to go." (Motörhead)

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Re: ...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

Beitrag von MetalEschi »

Besten Dank. Wird wohl auch in nächster Zeit weiter gehen, will das schon zum Abschluss bringen.
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Re: ...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

Beitrag von Schnabelrock »

MetalEschi hat geschrieben: 27.07.2023 16:07 Besetzung:
David Bowie – lead and background vocals, guitars, saxophones, Moog synthesiser, Mellotron
Mike Garson – keyboards
Herbie Flowers – bass guitar
Tony Newman – drums
Aynsley Dunbar – drums on "1987"
Alan Parker – guitar on "1984"
:D
In dubio contra googlio.
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Re: ...and Ziggy played guitar - Der David Bowie-Reviewthread

Beitrag von MetalEschi »

Ja, die Welt ist klein. *g*
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