BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Human Touch)

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Apparition
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Nebraska)

Beitrag von Apparition »

Das größte Kompliment, das ich diesem Album machen kann, ist gleichzeitig wahrscheinlich auch der Grund, warum es selten in meiner Anlage landet: Es ist zu nah, zu unmittelbar. Ähnlich wie viele Sachen von New Model Army durchbricht dieses Album bei mir eine Grenze, die ich eigentlich nicht überschritten sehen will und die das Hören manchmal regelrecht unangenehm macht. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Springsteen meine persönliche Firewall durchbricht oder ob er einfach alles ungefiltert preisgibt. Was auch immer zutrifft, es verhindert, dass ich das Album mit der Aufmerksamkeit hören kann, die es verdient.

"Mansion on the Hill" ist trotzdem ein Megasong.
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MetalEschi
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Nebraska)

Beitrag von MetalEschi »

Apparition hat geschrieben:Das größte Kompliment, das ich diesem Album machen kann, ist gleichzeitig wahrscheinlich auch der Grund, warum es selten in meiner Anlage landet: Es ist zu nah, zu unmittelbar. Ähnlich wie viele Sachen von New Model Army durchbricht dieses Album bei mir eine Grenze, die ich eigentlich nicht überschritten sehen will und die das Hören manchmal regelrecht unangenehm macht. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Springsteen meine persönliche Firewall durchbricht oder ob er einfach alles ungefiltert preisgibt. Was auch immer zutrifft, es verhindert, dass ich das Album mit der Aufmerksamkeit hören kann, die es verdient.
Das kommt schon ziemlich gut hin. Unterhaltungsfaktor gibt es da ja eigentlich absolut gar nicht. War ja auch nicht die Intention der Aufnahmen.
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Thunderforce
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Nebraska)

Beitrag von Thunderforce »

Wieder mal ein tolles Review, Knitter.

Ich höre das ALbum zwar auch selten (vllt. aus den gleichen Gründen wie Apparition), aber es steht bei mir aber nach Darknes und Born to run auf dem Springsteen-Treppchen. Diese trostlose, einsame und höllisch intensive Atmosphäre packt mich völlig und ist genau meine Wellenlänge.
Bis auf die Schreie am Ende von State Trooper, die mir zu laut sind zudem klingen, als hätte Springsteen das Mikro im Mund, ist für mich auch der rohe, unfertige, eben demoartige Sound perfekt.

Meine Highlights neben Atlantic City sind der Titelsonng, Highway Patrolman (beim erste Durchluaf habe ich mitgezittert wie bei einem guten Thriller) und Reason To Believe (das Licht am Ende des Tunnels. Erinnert mich darum ansonsten völlig sinnloser Weise etwas an My Dying Bride und The Light at the End of the World bzw. Sear Me III *g*)
If you twist, you fail. Twisting equals tears.
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Thunderforce
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Nebraska)

Beitrag von Thunderforce »

Ich glaube übrigens, dass ich mir diese "Tracks" Compilation vllt. doch mal ins Haus holen sollte.
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Crypt0rchild
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Nebraska)

Beitrag von Crypt0rchild »

Man sollte nicht unerwähnt lassen, dass einer der Haupteinflüsse auf Springsteen zu Nebraska Zeiten damals das Debütalbum von "Suicide" aus dem Jahr 1977 war.

Speziell "State Trooper" hatte seine Geburt hierdurch (was auch die Schreie erklärt):
Ich segne die Regen unten in Afrika.
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PetePetePete
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Nebraska)

Beitrag von PetePetePete »

Großartiges Review, übergroßes Album. Eigentlich schon seit immer mein Springsteen-Liebling und auch mein meistgehörtes Album von ihm. Mich haut die Stimmung, die Atmosphäre und die Ehrlichkeit, die ich in diesem Album zu sehen meine immer wieder komplett um und da können so großartig komponierte und instrumentierte Alben wie die Vorgänger für mich einfach nicht gegen an.
Wie ich schon so oft gesagt habe, ist für mich bei der meisten Musik, bei den wirklich ganz großen Alben für mich, das wichtigste die Authenzität. Oder das, was ich als ungebildeter und mit dem Künstler unbekannter Hörer als Authenzität interpretiere. Und in dieser Kategorie kommen nicht viele Alben an Nebraska ran und nur ganz wenige drüber.
Knowledge is power, France is bacon.
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Nebraska)

Beitrag von Deornoth »

Erstmal *huld* und Danke für die sensationellen Reviews. Die sind wirklich ein Genuss zu lesen, ich liebe dieses ganze Nerdwissen. Ich hab gerade die Autiobiographie durch und trotzdem kriege ich hier noch jede Menge neue Infos mit. Saugeil das.

Da ich schon ein paar Alben hinterher bin, gleich mal im Zeitraffer:
- Born to Run: hätte ich lange blind als bestes Boss-Album genannt, vor allem da mit Thunder Road einer meiner drei, vier absoluten Lieblingssongs ever drauf ist. Mittlerweile ist mir da aber auch einiges zu pompös, "Jungleland" z.B. ist mir einfach too much.

- Darkness.. : Würde ich aus den genannten Gründen mittlerweile vorziehen. Das raue, erdige liegt mir einfach mehr. Außerdem mit "Badlands" und "Racing..." zwei der unfassbarsten Gottsongs von Welt drauf. "Adam raised a Cain" ging mir dafür schon immer auf den Senkel *g*

- The River: Mag ich total gern, auch wenn es nicht so intensiv ist wie die Alben davor und danach. Für mich als Mensch mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne aber zu lang.

- Nebraska: Geil, aber halt sehr speziell. Geht mir wie vielen hier, dass das Album nur an manchen Tagen geht. Außer Atlantic City, der geht natürlich immer.

Und mein liebstes Boss-Album kommt ja jetzt erst :)
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Rotstift
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von Rotstift »

PetePetePete hat geschrieben:Ha, gestern erst gehört. Eines seiner allerbesten Alben, an manchen Tagen sogar das beste.
Fast richtig. Ganz ohne Frage natürlich das allerbeste.

Edit: Die Reviews sind wirklich fantastisch.
Mille millions de mille sabords!

Music is no good if it can't be sung by the human voice in some way. (John Tavener)

Im übrigen bin ich der Meinung dass die AfD der politische Arm des Rechtsterrorismus ist.
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Alphex
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Nebraska)

Beitrag von Alphex »

Atlantic City finde ich in der Studioversion den Liveaufnahmen, die ich kenne, deutlich überlegen. Dieses lakonische, "so isses halt"-mäßige im Refrain, das trotzdem so unglaublich eingängig ist, dazu der Schrei im Hintergrund - die Gesangslinie greift in keiner mir bekannten anderen Fassung so unglaublich präzise und exakt. Wobei es wie gesagt eben alles andere als hochpräzise wirkt, sondern vielmehr wie einfach in einem Gespräch eingeworfen, so spontan kommt es rüber.
"Wenn man in der Metalszene unterwegs ist, dann bekommt man quasi NIE politische Statements zu hören. Auch deswegen liebe ich diese Szene so. Politik ist dort nunmal kein Thema. Fast schon ein Tabuthema."
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Thomas L
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von Thomas L »

Rotstift hat geschrieben:Fast richtig. Ganz ohne Frage natürlich das allerbeste.
+1
JAYMZZ
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Nebraska)

Beitrag von JAYMZZ »

Nebraska ist für mich eins der besten Alben der Musikgeschichte und ein ganz großes Highlight in der Boss Discografie. Wie immer ein geniales Review, das dem Album gerecht wird.
THE POWER OF THE RIFF COMPELS ME

PÖHLER!
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KnitterRitter
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Nebraska)

Beitrag von KnitterRitter »

Born in the U.S.A. (1984)

A-Seite
1. Born in the U.S.A.
2. Cover Me
3. Darlington County
4. Working on the Highway
5. Downbound Train
6. I’m On Fire

B-Seite
1. No Surrender
2. Bobby Jean
3. I’m Goin’ Down
4. Glory Days
5. Dancing in the Dark
6. My Hometown

Springsteens Alben waren im Grunde seit “Born to Run” immer ein Kampf in ihrer Entstehungsgeschichte, und das sollte bei “Born in the U.S.A.” nicht anders sein – dieses Mal lag es aber weniger an technischen Herausforderungen (was bisher meist das Hauptproblem war), sondern daran, dass Bruce musikalisch nicht so richtig wusste, wo er hinwollte, und sich nie so richtig zu einem Gesamtkonzept durchringen konnte. Dass aus all diesen inneren Konflikten schließlich wie aus dem Nichts das „Nebraska“-Album entstand, ist in diesem Zusammenhang dann gar nicht mehr so überraschend.

Auch wenn „Darkness“ und „The River“ bereits Ausnahmefälle waren was die Menge des Songmaterials anging, so sollte das hier sogar noch einmal getoppt werden. Alles in allem wurden laut den veröffentlichten Studio-Logs (inklusive der „Nebraska“-Songs, die man mit Band umzusetzen versuchte) über 80 Songs nicht nur geschrieben, sondern auch tatsächlich im Studio aufgenommen, was eine vorher nicht dagewesen Größenordnung ist (später mehr dazu in den Outtakes).

Wie auch häufig vorher, kann man diese Aufnahmesessions wieder in einige Phasen einteilen, an deren Ende jedes Mal ein Album hätte stehen können. Die erste Phase begann im Januar 1982, bei der Bruce mit grob 3 Batches an Songs ins Studio kam: Zum einen das Nebraska-Material, wovon er ja sein Demotape in der Jackentasche hatte, dann ein großer Teil „Standard“-Springsteen-Rocksongs, und zuletzt noch ein Paket an Songs mit leichter Soul-Schlagseite, die für das kommende Album von Gary U.S. Bonds bestimmt waren. Bruce hatte bereits für Bonds‘ vorheriges Album „Dedication“ Songs beigesteuert, und für sein kommendes Album „On the Line“ sollten mit E-Street-Band-Begleitung insgesamt 7 Springsteen-Songs und noch eine Nummer von Van Zandt enthalten sein (die Songs, die letztlich auf dem Bonds-Album landen sollten, sind alles bislang nicht veröffentlichte Springsteen-Outtakes und ganz unten aufgelistet).

In dieser ersten Phase wurde bereits ein Großteil des letztlichen „Born in the U.S.A.-Albums geschrieben und aufgenommen. Das Ganze kam dann recht plötzlich zum Stoppen, als Bruce sich im Mai 1982 entschloss, „Nebraska“ in Form des ursprünglichen Demotapes zu veröffentlichen. Bruce hatte zu der Zeit sogar die (schnell wieder verworfene) Idee, „Nebraska“ und das E-Street-Band-Material als Doppelalbum zu veröffentlichen (einmal akustisch, einmal elektrisch). Seine Songauswahl für „Born in the U.S.A.“ sah zu der Zeit folgendermaßen aus:

Born in the USA
Murder Incorporated
Downbound Train
I’m Goin’ Down
Glory Days
My Love Will Not Let You Down

Working on the Highway
Darlington County
Frankie
I’m On Fire
This Hard Land

Wie man sieht, ist hier neben ein paar starken Songs, die letztlich als Outtakes enden sollten, schon ein beachtlicher Anteil des letztlichen Albums zu erkennen. Bruce hat aber noch etwas mit der leichten Pop-Schlagseite mancher Songs gehadert und sich entschlossen, die Aufnahmen fortzusetzen, was im Januar 1983 passieren sollte. Während dieser Pause (in der ja „Nebraska“ veröffentlicht wurde) stieg auch Steve Van Zandt aus der Band aus und gründete „The Disciples of Soul“. Sein Beitrag zu den weiteren Arbeiten an „Born in the U.S.A.“ war, wenn überhaupt, marginal.

1983 machte Bruce als eine Art Gegenpol zu den bisherigen Aufnahme für ein viertel Jahr mit Aufnahmen in seinem Heim-Studio in L.A. weiter. Zwar wurde das eine oder andere davon (z.B. „Cynthia“ oder „County Fair“) später nochmal mit Band neu aufgenommen, aber alles in allem ist der Sound und der Tonfall dieser Gruppe Songs ein deutlich anderer, als während Phase 1. Zu den Songs dieser Zeit zählten z.B. „Shut Out the Light“, die genannten „Cynthia“ und „County Fair“, „Johnny Bye Bye“ (alles großartige B-Seiten oder nachträglich veröffentlichte Outtakes) sowie die ursprüngliche Rockabilly-Version von „My Hometown“ und auch ein paar der besten bislang nicht offiziell veröffentlichten Outtakes (z.B. „Follow That Dream“ oder „Sugarland“). Springsteen spielte damals sogar mit der Idee, nur Songs aus diesen Heimstudio-Recordings als thematischen „Nebraska“-Nachfolger herauszubringen, was angesichts der Stärke des Materials (neben den bereits genannten Songs waren z.B. Nummern wie „The Klansman“ oder „Richfield Whistle“ starke Kandidaten) ein interessantes Konzept gewesen wäre. Die Idee wurde aber schnell wieder verworfen, und stattdessen wurde wieder eine Auswahl aus allen bisher aufgenommenen Songs für ein „reguläres“ Album (hier mit dem Arbeitstitel „Murder Incorporated“) getroffen, die allerdings nahezu identisch zu der von Phase 1 war, nur dass nun „Johnny Bye Bye“ statt „Darlington County“ enthalten war. Bruce hatte damals auch eine Auswahl für mögliche B-Seiten getroffen, die die Songs „Sugarland“, „Follow That Dream“, „Don’t Back Down“, „One Love“ und „Little Girl“ enthielt – alles bislang nicht offiziell veröffentlichte Outtakes (unten zum Anhören verlinkt).

Doch auch mit dieser Auswahl war Springsteen nicht ganz zufrieden, und so begann er im Mai 1983 wieder mit Studioaufnahmen mit der E-Street-Band (jetzt ohne Van Zandt). Songs, die in dieser dritten Recording-Phase entstanden sind, waren z.B. „Pink Cadillac“, „Car Wash“, „Stand On It“, „Janey, Don’t You Lose Heart“, „None But the Brave“, die Studioversionen von „My Hometown“ und „Cynthia“ sowie eine frühe Version von „Bobby Jean“. Auch eine Nummer namens „Drop On Down and Cover Me“ (ein bislang nicht offiziell veröffentlichtes Outtake) war darunter, die aber nichts mit dem viel früher aufgenommen Song „Cover Me“ zu tun hatte. Im Juli 1983 wäre folgendes Album mit Bruces Songauswahl fertig gewesen:

Born in the USA
Cynthia
None But The Brave
Drop on Down and Cover Me
Shut Out the Light
Johnny Bye Bye

Sugarland
My Love Will Not Let You Down
Follow That Dream
My Hometown
Glory Days
Janey, Don’t You Lose Heart

Wie man sieht, sind hier nur noch einige wenige Nummern aus der ersten Aufnahme-Phase darunter, und Bruce hatte sichtlich Probleme, aus den (abzüglich der Nebraska- und Bonds-Songs) mittlerweile bereits mehr als 50 Songs sein Album zusammenzustellen. Da ihm diese Songauswahl etwas zusammenhangslos erschien (angesichts der unterschiedlichen Recording-Hintergründe – vier der Songs stammen aus Bruces Heimstudio-Aufnahmen – nicht ganz unbegründet), entschied er sich zu weiteren Aufnahmen. Jon Landau bemerkte natürlich, dass sich Bruce nur schwer zu einer Songsequenz durchringen konnte, und hatte zu dieser Zeit eine eigene Auswahl zusammengestellt, die interessanterweise hauptsächlich aus „älteren“ Songs bestand und damit auch mehr mit dem letztlichen Album zu tun hatte. Seine A-Seite enthielt „Born in the USA”, “I’m Goin‘ Down”, “Cover Me”, “My Hometown” und “Bobby Jean” und seine B-Seite “My Love Will Not Let You Down”, “Follow That Dream”, “Glory Days”, “Protection”, “Janey, Don’t You Lose Heart”, “I’m On Fire”. Sehr wahrscheinlich hatte Landau damit recht großen Anteil an der Songauswahl für das letztlich veröffentlichte Album.

Zunächst ging es aber in die vierte und letzte Recording-Phase, die im Sempteber 1983 begann und bis Februar 1984 dauerte, und über die man relativ wenig weiß. Bekannte Songs, die in dieser Zeit enstanden sind, waren „No Surrender“, eine Neuaufnahme von „Bobby Jean“ sowie die Outtakes „Brothers Under the Bridges“, „Man at the Top“ und „Rockaway the Days“. Ganz zuletzt, als das Album im Grunde fertig war, wurde noch das in einer Nacht geschriebene „Dancing in the Dark“ nachgeschoben, das zum kommerziell größten Singlehit von Springsteen werden sollte.

Während der Schaffensphase von „Born in the U.S.A.“ wurden damit insgesamt 25 Nummern für mögliche Songsequenzen des Albums in engere Erwägung gezogen, und auf der anderen Seite waren mit dem Titeltrack und Glory Days nur 2 Songs in jeder einzelnen Auswahl vertreten. Ob die letztlich Auswahl unten nun die bestmögliche war oder nicht sei mal dahin gestellt, auf jeden Fall war es die Songauswahl, die Bruce den größten Erfolg seiner Karriere bescheren sollte. „Born in the U.S.A.“ nahm die bekannten Messages aus Springsteens bisherigen Songs – einfache Leute der Arbeiterklasse mit all ihren Problem und Wünschen, gewürzt mit der Leichtigkeit des viel zitierten amerikanischen Traums und romantischen Bildern von „cars and girls“ – fügte diesen ein paar einfachere, positivere Nummern hinzu und kleidete alles in ein moderneres, eingängigeres und, ja, poppigeres Soundgewand. Diese Mischung aus teilweise immer noch ziemlich dunklen Lyrics (z.B. „Downbound Train“), stampfendem, eingängigem Stadionrock und leicht verdaulichen, radiotauglichen Songs mit Popschlagseite ist meines Wissens ziemlich einzigartig und wurde mit über 30 Millionen verkauften Alben (in etwas die Größenordnung von „The Wall“, „Abbey Road“ oder Metallicas Black Album) und sieben Top-10-Hit-Singles eines der erfolgreichsten Alben aller Zeiten. Das ikonische Cover, auf dem Bruce vor der amerikanischen Flagge seinen Allerwertesten in die Kamera hält (nein, er pinkelt nicht drauf, wie damals mal gemutmaßt wurde), tat sein Übriges.

Die folgende Welttournee, die von Juni 1984 bis Oktober 1985 dauerte und in der er erstmals regelmäßig Stadien füllte, war entsprechend erfolgreich und zeigte Bruce in seinem für viele Leute typischen Outfit (auch wenn das im Grunde nur für die diese Tour wirklich stimmte) mit Bandana und gepumpten Muskeln (er selbst schrieb in seiner Biographie den Satz „my muscles got muscles…“). Die E-Street-Band bekam dafür Zuwachs durch Gitarrist Nils Lofgren, der Van Zandt ersetzte (und den Springsteen als „world’s greatest second guitarist“) bezeichnete, und Springsteens späterer Frau Patti Scialfa (Gitarre, Vocals, Percussion), und so begann– wie Bruce selbst schrieb – „the big big time“. Einige Fragmente dieser Tour sind auf dem folgenden Livealbum „Live/1975-85“ dokumentiert, aber dazu später.

Jetzt erstmal zu „Born in the U.S.A.“:

Born in the U.S.A. [anhören]
Vielleicht der bekannteste Springsteen-Song ist natürlich mittlerweile ein bisschen totgespielt und war dabei von Beginn an schon nicht wirklich „abwechslungsreich“, aber trotzdem ist er mit seinem kräftig-aggressiven Gesang und dem stampfenden, fast monotonen Beat sogar recht einzigartig in seinem Songkatalog. Das ursprüngliche „Nebraska“-Outtake, das aus einem noch älteren Demosong namens „Vietnam“ entstanden war, wurde für dieses Album als Stadionrock-Nummer umarrangiert und mit der E-Street-Band in nur wenigen Takes aufgenommen. Springsteen beschrieb den Recordingprozess wie folgt: „We just kinda did it off the cuff… I never taught it to the band. I went in and said, 'Roy, get this riff.' And he just pulled out that sound, played the riff on the synthesizer. We played it two times, and our second take is on the record. That's why the guys are really on the edge… To me, [Max Weinberg] was right up there with the best of them on that song. There was no arrangement. I said, 'When I stop, keep the drums going.' That thing in the end with all the drums, that just kinda happened.” Dass Ronald Reagan diese bittere, Antikriegs- und USA-kritische Hymne wegen ihrer Lyrics im Refrain für seinen nationalistisch geprägten Wahlkampf verwenden wollte (Springsteen lies das letztlich verbieten), ist schon fast realsatirisch lustig - letztlich hat aber auch das zu der Legende dieses Songs beigetragen. Wie oben angedeutet, eine Weile lang konnte ich „Born in the U.S.A.“ fast nicht mehr hören (und Synthi-Riffs halte ich allgemein für ein eigenartiges Konzept), aber ungeachtet dessen ist er natürlich einer der markantesten und unverwechselbarsten Songs von Springsteen überhaupt. Wie für die meisten der Hit-Singles des Albums gibt es auch von dieser Nummer nachträglich veröffentlichte Disco/Dance-Mixes, die ich hier lieber nicht verlinke (Katastrophentouristen können gerne googlen)…
9,5/10

Cover Me [anhören]
Springsteen schrieb den Song eigentlich für Donna Summer, aber Jon Landau konnte Bruce überzeugen, ihn für sich selbst zu behalten (stattdessen wurde das letztliche Outtake „Protection“ an Summer gespendet – kann man unten anhören). Meine Meinung zu dem Song ist leicht zwiespältig. Einerseits ist er mir vom Tonfall und auch teilweise von den Lyrics etwas zu poplastig (in gewisser Weise – und dazu gehört nicht die Instrumentierung – finde ich ihn sogar poppiger als z.B. „Dancing in the Dark“), aber andererseits sind die kreischenden Gitarren und die Melodielinien schon ziemlich großartig. Semiobjektiv gesprochen ist das wohl ein Song, den man so einfach nicht besser machen kann. Wurde ebenfalls durch nachträgliche Remixes verunstaltet, aber das wird dann auch der letzte Song sein, bei dem ich das erwähne.
9,5/10

Darlington County [anhören]
Ein Song, von dem zumindest der Titel bereits zu “Darkness”-Zeiten existierte. Interessante, vermeintliche Gute-Laune-Nummer, die aber im Grunde davon handelt, dass zwei arbeitslose Typen nach Darlington County fahren, um dort irgendwie an einen Tagesjob zu kommen. Nur Springsteen schafft es, so eine existentiell triste Story mit Mädels zu würzen, die die beiden auf der Fahrt sehen, und das alles mit Shalalala-Gesängen zu vertonen. Und erstaunlicherweise funktioniert das sogar. Kein Highlight und eher eine Art „Mitläufer“ auf dem Album, aber trotzdem natürlich eine hervorragende Nummer. Wurde live meistens gepaart mit dem lyrisch-musikalisch ähnlich veranlagten „Working on the Highway“.
9/10

Working on the Highway [anhören]
Und gleich noch ein Song, bei dem die bitteren Texte so gar nicht zur beschwingten Musik passen, und hier funktioniert das für mich einen Tick schlechter als bei “Darlington County”. Einer der Songs, die aus den „Electric Nebraska“-Sessions überlebt haben, weil die Nummer aus dem letztlichen „Nebraska“-Outtake „Child Bride“ entstanden ist, welchen ich persönlich noch ein ganzes Stück stärker und stimmiger finde (kann man beim „Nebraska“-Artikel anhören). Unabhängig davon aber natürlich für sich ein toller Song mit ein Texten, bei dem einen schon einmal ein Klos im Hals stecken bleiben kann.
9/10

Downbound Train [anhören]
Auch eine Nummer, die ihren Ursprung auf dem Nebraska-Demotape hatte, und das hier ist das einzige Beispiel, bei dem der Song für das Album verlangsamt wurde (das Demo war eher ein hektischer Rockabilly-Song – kann man ebenfalls beim „Nebraska“-Artikel anhören). Herausgekommen ist eines der Highlights, wenn nicht gar DAS Highlight des Albums, in dem die trübselige Geschichte eines jungen Mannes erzählt wird, dessen Leben quasi in sich zusammenfällt, und wie er versucht, sich irgendwie über Wasser zu halten. Was mich bei der Nummer immer etwas gestört hat, war die (für die Zeit) moderne und klinische Produktion, die zwar für einen Großteil des Albums funktioniert, die für mich persönlich diesem Song hier (und das gilt z.B. auch für „My Hometown“) ein ganzes Stück an Seele nimmt (verglichen mit beispielweise „The River“, das eine deutlich organischere Produktion hat). Ungeachtet dessen ein sensationeller Song, der aus irgendeinem Grund nie wirklich völlig ins Rampenlicht getreten ist.
10/10

I’m On Fire [anhören (Musikvideo)]
Hm… das hier ist wohl der Song, bei dem ich mir mit einer Bewertung am schwersten tue, weil das wahrscheinlich tatsächlich eine großartige Nummer ist, die man so kaum besser machen kann, aber es halt auch ein Song, der für mich Radiopop in Reinkultur ist. Auf der anderen Seite muss man auch anerkennen, dass man hier tatsächlich das Schwärmen und die Sehnsucht des Protagonisten mitfühlen kann, denn scheinbar schafft es nur Springsteen, diese ziemlich seichte Story mit derart nahegehenden Lyrics zu versehen. Was ein bisschen eigenartig ist, ist das Ende, das recht unvermittelt kommt, was fast so wirkt, als wäre der Song nicht ganz fertig geworden. Erwähnenswert ist auf jeden Fall noch das Musikvideo, in dem sich Springsteen gar nicht mal so schlecht als Schauspieler versucht. Keine Ahnung, was man hier geben soll… also geb ich halt 9.
9/10

No Surrender [anhören]
Mein persönlicher Lieblingssong des Albums wäre um ein Haar gar nicht drauf gewesen, weil Springsteen die Message zu positive-romantisch erschien. So meinte er „ You don't hold out and triumph all the time in life… You compromise, you suffer defeat.” Erst Van Zandt (der damals schon gar nicht mehr in der Band war) konnte ihn überzeugen, den Song aufs Album zu nehmen. Dieser erinnerte sich an diese Diskussionen folgendermaßen: „It had a little bit of the 'Born to Run' swagger, if you will, and he was concerned he was being a little bit redundant with it. I just said, 'Look, there are certain things, certain themes, certain emotions that it's OK to be redundant with… Rock & roll is redundant by definition, to be honest.'” Und gottseidank hat es der Song geschafft! Ich könnte keine andere Nummer nennen, die bei mir derart spontan gute Laune und ein tolles Gefühl der Freiheit und von unendlichen Möglichkeiten auslöst, ein Gefühl von Erinnerungen an alte Freunde und an Freundschaft an sich. Eine der geilsten Rocknummern des Planeten. Während der Tour wurde er bis auf zwei Ausnahmen nur als Akustikversion mit leicht geändertem Text gespielt. Ach ja, "we learned more from a 3 minute record, baby, than we've ever learned in school" ist eine der größten Rock-"Textzeilen" aller Zeiten.
10/10

Bobby Jean [anhören]
Mit einem ähnlichen Thema geht es auch hier weiter, und so wird dieser Song wahrschinlich nicht unberechtigt als Springsteens Lebwohl an Van Zandt interpretiert („Maybe you'll be out there on that road somewhere, in some bus or train traveling along… In some motel room there’ll be a radio playing, and you'll hear me sing this song… Well, if you do you'll know I'm thinking of you and all the miles in between…”). Ein fantastischer Song, der von einem simplen Piano-“Riff” dominiert wird und ähnlich wie „No Surrender“ ein warmes Gefühl von Freundschaft vermittelt. Unbedingt ist auch noch das abschließende Saxophon-Solo erwähnenswert, in dem Clemons seinen besten Moment des Albums hat.
9,5/10

I’m Goin’ Down [anhören]
Einer der geradlinigsten Rocksongs des Albums behandelt Beziehungsstress und Frustration in Romanzen mit einem kleinen Augenzwinkern (Springsteen nannte ihn mal „one of my more insightful songs about men and women“). Obwohl die Nummer auch ein Top-10-Hit wurde, hat Springsteen sie nach der Tour zum Album nur noch selten live gespielt. Auch aufs Album hätte der Song es fast nicht geschafft, da stattdessen beinahe „Pink Cadillac“ ausgewählt worden wäre (hätte meiner Meinung nach keinen großen Unterschied gemacht). Recht cooler Song mit einem vielleicht etwas zu simpel-monotonen Refrain.
9/10

Glory Days [anhören (Musikvideo)]
Ein weiterer Song mit einer positiven Grundstimmung, eine Nummer über Erinnerungen an die besten Zeiten im Leben, wofür ich als alternder mittlerweile Mitt-/Enddreißiger wahrscheinlich immer eine Schwäche haben werde. Die ursprüngliche Version des Songs hatte noch eine zusätzlcihe Strophe über Bruces Vater, mit der Aussage dass er „never had glory days“, die zugunsten der leicht verklärten Nostalgie wieder gestrichen wurde. Das coole Mondolinensolo, das ebenfalls zu dieser positiven Stimmung beiträgt, hat Van Zandt interessanterweise über sein Gesangsmikro eingespielt. Toller Song.
9,5/10

Dancing in the Dark [anhören (Musikvideo)]
Als das Album quasi komplett fertig war, kam Jon Landau zu Bruce und meinte, er hätte das Album angehört und „suggested we didn’t have a single“. Springsteen war zu der Zeit schon ziemlich ausgelaugt und maulte zurück: „Look, I’ve written seventy songs. You want another one, you write it.“ Nichtsdestotrotz hat sich Bruce noch am gleichen Abend seinen Frust von der Seele geschrieben, und herausgekommen ist „Dancing in the Dark“, laut seinen eigenen Worten „one of my most well-crafted and heartfelt pop songs“. Und tatsächlich ist es laut allgemeingültiger Meinung der poppigste Song der Scheibe, über den Springsteen selbst meinte, sie sei die Nummer „that’d take me my farthest into the pop mainstream“. In gewisser Weise ist das natürlich richtig, vor allem wegen der stark synthilastigen Instrumentierung, aber ich hatte immer das Gefühl, das das Songwriting selbst weniger Pop ist als z.B. „I’m On Fire“ oder auch „Cover Me“, und dass man den Song durchaus auch rockiger hätte interpretieren können. Sei’s drum, für das was er ist, ist das eine ganz großartige Nummer mit einer der vielleicht stärksten Melodielinien des Albums. Interessant ist auch die Entstehung des Musikvideos. Der Clip wurde zwar zum Teil im Studio aufgenommen, große Teile davon kommen aber von der ersten Show der Tour in St. Paul, wo der Song wegen der Videoaufnahmen sogar zwei Mal gespielt wurde. Der Moment, als eine junge Courtney Cox auf die Bühne springt und mit Bruce tanzt, war zwar gestellt (Cox hat angeblich 350 USD dafür bekommen), hat auf diesem Konzert tatsächlich live stattgefunden. Für mich ziemlich unvorstellbar, so einen Stunt bei einer echten Liveshow durchzuziehen.
9,5/10

My Hometown [anhören (Musikvideo) / Rockabilly-Version]
Den Abschluss der Scheibe bildet dieser nachdenklich-melancholische Song über die sozialen und wirtschaftlichen Probleme in Amerika zu der Zeit, sehr wahrscheinlich stark inspiriert durch Bruces Erinnerungen an das Leben in Freehold, New Jersey. Er selbst sagte einmal über seine Heimatstadt: „I used to think that once I got out of town, I was never going to come back, I realized I would always carry a part of that town with me no matter where I went or what I did.” Fantastischer Song, der ursprünglich als Rockabilly-Song geschrieben wurde (oben auch verlinkt) und einen perfektes Ende zu einem fast perfekten Album darstellt. Hier kann man wenig besser machen.
9,5/10

FAZIT:
Nach dem Vorgänger „Nebraska“ kam „Born in the U.S.A.“ vielleicht für einige als Überraschung, aber im Grunde war das Album der logische Schritt nach „The River“. Die Songs wurden kommerzieller, geradliniger und kompakter, und vor allem der Sound wurde deutlich aufpoliert und in ein fast klinisch-sauberes moderneres Kleid gepackt. Und wahrscheinlich ist dieser Sound auch das, was mich am meisten an diesem ansonsten ziemlich großartigen Album stört, denn nach all den vorherigen Veröffentlichungen, bei denen der Klang immer ein definierendes Element für die Ausstrahlung und die Message des Albums war, wirkt das hier einfach wie ein professioneller Standard-Sound von der Stange, bei dem darüber hinaus (zumindest für meine Laien-Ohren) der Dynamikumfang deutlich runtergeschraubt wurde. Das machte die Songs zwar radiotauglicher, aber eben auch ein ganzes Stück uninteressanter, und gerade „tiefere“ Nummern, wie „Downbound Train“ oder „My Hometown“ leiden darunter ein wenig. Abgesehen davon ist „Born in the U.S.A.“ ein fantastisches Album, bei dem nicht zufällig mehr als die Hälfte der Songs Top-10-Hits geworden sind. Vielleicht hätte es mit einer klein wenig anderen Songauswahl (die Outtakes unten bieten eine Menge Material, das mindestens gleichwertig mit einigen Songs des Albums ist) noch ein wenig toller werden können, aber vielleicht wäre es dann nicht das geworden, was es ist: Eines der erfolgreichsten Rockalben aller Zeiten.
9,5/10


Outtakes

Wie oben bereits kurz geschrieben, wurden je nachdem, wen man fragt, irgendwas zwischen 70 und 90 Songs für das Album aufgenommen. Dazu gehörten auch die so genannten "Electric Nebraska"-Sessions, d.h. die Band-Aufnahmen der Nebraska-Songs sowie 5 Songs, die letztlich auf dem nächsten Gary US Bonds Album landen sollten. Von all diesen Songs ist ein Großteil noch immer unveröffentlicht. Auf "Tracks" wurde zwar ein ganzer Schwung im Jahr 1998 herausgebracht, und auf "Greatest Hits" und "Essentials" gibt es auch noch den einen oder anderen Song, aber alleine die Anzahl der Songs, die zwar bekannt sind, aber nur inoffiziell (in dafür bemerkenswert guter Qualität) im Internet und auf Bootlegs kursieren, ist ungefähr nochmal genauso groß, und noch mehr Songs sind bislang völlig überhaupt noch nicht veröffentlicht. Einige dieser Album-Outtakes sind natürlich schon länger bekannt, weil sie entweder irgendwelche B-Seiten waren oder einfach Live regelmäßig gespielt wurden.

Alles in allem war das aber damals eine unfassbare Menge an mindestens gutem Songmaterial, das in recht kurzer Zeit aufgenommen wurde. Hört euch einfach mal ein bisschen durch und bildet euch selbst eine Meinung. Hier hätten noch mindestens zwei vollwertige Alben veröffentlicht werden können.


Outtakes (offiziell veröffentlicht):

Pink Cadillac [anhören]
Ziemlich coole Nummer und tolle Weiterentwicklung des ursprünglichen Nebraska-Outtakes. Wäre, wie oben geschrieben, fast anstelle von „I’m Goin‘ Down“ auf dem Album gelandet, war am Ende aber nur B-Seite von „Dancing in the Dark“. 9/10

Shut Out the Light [anhören]
Meiner Meinung nach einer der stärksten Songs, die es nicht aufs Album geschafft haben, aber andererseits passt die Nummer thematisch als B-Seite zu „Born in the U.S.A.“ eigentlich ziemlich perfekt. Inspiriert von dem Buch „Born on the Fourth of July“ des Vietnam-Veteranen Ron Kovic, ist das hier ein unglaublich bewegender Song über die Probleme von Kriegsheimkehrern. Springsteen sagte live zu der Nummer: „This song is about leaving home and not being able to find your way back.” 9,5/10

Johnny Bye Bye [anhören / Alternative Version]
Eine Hommage an “Bye Bye Johnny” von Chuck Berry und gleichzeitig ein Song über Elvis Presley, dessen Tod im Jahr 1977 Springsteen wohl ziemlich mitgenommen hat. Toller Song, der letztlich auf als B-Seite von „I’m On Fire“ veröffentlicht wurde, von dem ich ein alternatives Take, das letztlich nicht verwendet wurde, aber noch besser finde (ebenfalls verlinkt). 9/10

Stand On It [anhören]
Arschoole Rock’n’Roll-Nummer, die ganz im Stil der alten Größen keine Gefangenen macht. Als B-Seite von „Glory Days“ wurde eine Strophe entfernt und ein Fadeout hinzugefügt. Das hier ist die komplette Version von „Tracks“. 9/10

Janey, Don’t You Lose Heart [anhören]
Eigentlich ein sehr schöner Song, aber schon eine kleine Ecke zu sehr Pop-Schlager im Howard Carpendale-Stil. Ok, das war vielleicht ein bisschen hart. Ein Ohrwurm ist es jedenfalls. 8,5/10

Lion’s Den [anhören]
War eigentlich für das Gary Bonds Album vorgesehen, dafür dann aber nicht verwendet. Ursprünglich noch ohne die ikonischen Bläser, die erst 1998 für “Tracks” hinzugefügt wurden. Interessante Nummer. 9/10

A Good Man is Hard to Find (Pittsburgh) [anhören]
Zwar könnte ich mir auch den Song, in der deutschen Hitparade vorstellen, aber insgesamt ist das deutlich stimmiger und tiefgehender geraten, als meiner Meinung nach bei “Janey”. Schöner Song. 9/10

My Love Will Not Let You Down [anhören]
Ein Song, von dem Bruce selbst gesagt hat, dass er aufs Album hätte kommen sollen, und tatsächlich auch eine Nummer, die sehr häufig live gespielt wurde. Ziemlich großartiger Song, aber was zum Geier ist denn mit Bruces Stimme hier passiert? Vor allem gegen Ende klingt er fast wie Lemmy… Noch eine lustige Randnotiz: Maryl Streep hat den Song im Film „Ricki and the Flash“ live gesungen, was eigentlich ziemlich cool ist (anschauen). 9,5/10

Wages of Sin [anhören]
Sensationelle Nummer, die ihren Ursprung noch in den Demosessions 1981 hatte. Auf „Born in the USA“ hätte der Song vielleicht nicht ganz gepasst, aber unabhängig davon für mich sogar einer der besten Outtakes des Albums. 9,5/10

This Hard Land [anhören]
Max Weinberg’s Lieblingssong der gesamten Sessions, und auch Springsteen sagte 1998, nachdem das Original auf “Tracks” veröffentlicht wurde: “I don’t understand how I could let it be unreleased for so long.” Und ja, ich bin völlig einverstanden: Für mich ist “This Hard Land” einer der stärksten Songs überhaupt, der nicht nur gut aufs Album gepasst hätte, er hätte ihm ein ganzes Stück Tiefe und Gravitas geben können, was dem Album hier und da vielleicht ein klein wenig fehlt. Live wurde die Nummer dafür regelmäßig gespielt. 1995 wurde für „Greatest Hits“ eine Neuaufnahme davon gemacht, die aber zu keiner Sekunde mit dem etwas folkigeren und deutlich stärker gesungenen Original mithalten kann. 10/10

Frankie [anhören]
Ein Song mit einer langen Geschichte, denn live wurde er bereits 1976 während der „Born to Run“-Tour das erste Mal gespielt, und das hört man teilweise auch. Eine sehr abwechslungsreiche, interessante und leicht progressive Nummer, die vielleicht nur einen Hauch zu lang geraten ist. Trotzdem großartig. 9,5/10

Cynthia [anhören / Solo-Akustik-Version]
Starke Rock-Pop-Nummer, wieder mal mit „Synthie-Riff“, die zwar während “Phase 3” mit der Band im Studio aufgenommen wurde (die “Tracks”-Version), aber ihren Ursprung ein paar Monate früher in den Heim-Studio-Aufnahmen hatte. Die Solo-Version ist oben ebenfalls verlinkt. 9/10

Car Wash [anhören]
Kurze Country/Rock’n’Roll-Nummer, die ursprünglich noch unter dem Arbeitstitel „Small Town Girl“ aufgenommen wurde, später aber bei einer nicht veröffentlichten Neuaufnahme umgetauft wurde. 9/10

TV Movie [anhören]
Ganz witzige Rockabilly-Nummer mit starkem Rock’n’Roll-Piano und etwas albernen Texten. Kann man mal machen. 8,5/10

Brothers Under the Bridges [anhören]
Starke, treibende Rock-Nummer, die wohl auch deswegen fallen gelassen wurde, weil sie (zumindest für meine Ohren) einige Ähnlichkeit mit “No Surrender” hat (inklusive Lai-lai-lai-Gesängen). Ist auch ungefähr zur gleichen Zeit entstanden.9/10

Man at the Top [anhören]
Nette Ballade, der aber vielleicht so ein wenig das gewisse Etwas fehlt. 8,5/10

Rockaway the Days [anhören]
Netter Midtempo-Song, dem aber vielleicht so ein wenig das gewisse Etwas fehlt… 8,5/10

Murder Incorporated [anhören]
Saustarker Rocksong, der dem Album eine gute Note Aggressivität verliehen hätte und für mich neben “This Hard Land” das alles noch ein wenig aufgewertet hätte. Wurde auch auf „Greatest Hits“ veröffentlicht, in diesem Fall aber in der Originalversion.
9,5/10

County Fair [anhören]
Superschöne Ballade, die noch so ein wenig nach Nebraska klingt. Wurde auf der Special Edition von „Essential“ veröffentlicht.
9/10

None But the Brave [anhören]
Auch von „Essentials“ und eine gute Midtempo-Nummer, die auf dem Album auch nicht negativ aufgefallen wäre. 8,5/10


Outtakes (kursieren inoffiziell):

Protection [anhören]
Bockstarke, treibende Rocknummer, die Springsteen an Donna Summer gegeben hat, auf deren Version er auch Gitarre spielt (anhören). Springsteens Gesang passt meiner Meinung nach deutlich besser zu der Nummer, weswegen ich seine Version bevorzuge. Schon ziemlich gut. 9/10

The Klansman [anhören]
Aufnahme aus Heimstudio mit unverkennbarem Drum-Computer, aber unabhängig davon ein ziemlich guter Song mit einer Menge Potential. 9/10

Seven Tears [anhören]
Auch ein Outtake aus der Solo-Heimrecording-Session, und auch diese Nummer ist vielleicht nicht völlig fertig, aber trotzdem ein guter Song, aus dem was hätte werden können. 8/10

Fugitive’s Dream [anhören]
Starke Ballade, die so ähnlich auch auf Nebraska hätte stehen können. Stammt aus seinen Heimstudio-Aufnahmen, weswegen man über das Drumming mal hinwegsehen sollte.
9/10

One Love [anhören]
Auch hier sollte man den Drumcomputer ignorieren. Der Song dahinter ist ziemlich stark und wurde auch als mögliche B-Seite in Erwägung gezogen. 9/10

Betty Jean [anhören]
Ordentlicher Midtempo-Rocker mit Country-Einschlag, ansonsten aber nichts Besonderes. 8,5/10

Unsatisfied Heart [anhören]
Starke Ballade, die mit einer ordentlichen Aufnahme sicherlich auch auf dem Album nicht abgefallen wäre. Klingt fast wie ein Jahrzehnte alter Klassiker. 9/10

Richfield Whistle [anhören]
Großartige Ballade mit Country-Schlagseite, die auch auf Nebraska gepasst hätte. Unfassbar, wie viele tolle Songs Bruce damals geschrieben und nie veröffentlicht hat! 9,5/10

Little Girl (Like You) [anhören]
Kurzer, netter Pop/Rock-Song, der aufgrund seiner Kürze eher wie eine Idee klingt, als nach einem echten Song. 8/10

Delivery Man [anhören]
Wieder ein Song aus seinen Garagen-Demos. Der hier reißt mich nicht vom Hocker, aber schlecht geht natürlich anders. 8/10

Follow That Dream [anhören]
Tolle Ballade, die mehrfach ernsthaft für das Album in Erwägung gezogen wurde. Auch aus den Heimstudio-Aufnahmen der 2. Recording-Phase. 9/10

Sugarland [anhören]
Von dem Song gibt es verschiedenste Version – neben dieser Akustik-Ballade, die wohl die definitive Version war, gab es auch noch eine Rock- und eine Rockabilly-Version. Wahrscheinlich eine der stärksten Nummern aus seinen Heimstudio-Aufnahmen. 9/10

Don’t Back Down [Akustik-Version, Rock-Version, “Klansman“-Version, Andere Musik
Wieder mal ein Song, von dem aus insgesamt 10 Aufnahmen verschiedene Versionen existieren, von denen man nicht wirklich weiß, was nun die letztendlich definitive Version sein soll. Oben verlinkt ist eine rockigere Version, eine Akustikversion, eine langsamere Version mit der Begleitmusik von „The Klansman“ sowie ein völlig anderer Song, der vermutlich nur den gleichen Namen hatte. Strange stuff… aber alles gut. 9/10

Drop On Down and Cover Me [anhören]
Starke Rocknummer, von der leider nur eine Aufnahme mit schlechter Qualität im Umlauf ist. 9/10


“Electric Nebraska”-Outtakes (unveröffentlicht)
  • Nebraska
  • Atlantic City
  • Mansion on the Hill
  • Johnny 99
  • Highway Patrolman
  • Used Cars
  • Open All Night
  • Reason to Believe
  • Losin’ Kind
Outtakes (unveröffentlicht), für U.S. Bonds‘ „On the Line“ geschrieben Weitere Outtakes (bisher unveröffentlicht)
  • Our Love is All Around Me
  • Stop the War
  • Baby I'm So Cold
  • Bells of San Salvador
  • Robert Ford
  • Fade to Black
  • On the Prowl
  • William Davis
  • Gun in Every Home
  • Common Ground (Stay Hungry)
  • Savin' Up
  • Workin' On It
  • True Love is Hard to Come By
  • James Lincoln Dear
  • I Don't Care
  • The Money We Didn't Make
  • Johnny Go Down
  • Body and Soul
  • Gone, Gone, Gone
  • King's Highway
  • Just Around the Corner to the Light of Day
  • Invitation to Your Party
  • Bad Boy
  • Glory of Love
  • Shut Down
  • 100 Miles From Jackson
  • Roll Away the Stone
  • Swoop Man
  • Under the Big Sky
  • Refrigerator Blues
  • Ida Rose (No One Knows)
They throw the best damn parties at the rim of hell
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Born in the U.S.A.)

Beitrag von Apparition »

*unfass* @ Outtake-Overkill

Ich brauch dann wohl mal dieses "Tracks"-Ding, was?

Zum Album: Hab ich ewig nicht gehört, weil es mir dann doch oft zu sehr nach Achtzigern klingt. Mir fehlt da diese gewise Zeitlosigkeit, die Springsteens Alben sonst meistens haben. Und den Titelsong kann ich echt nicht mehr hören. Lustigerweise ist genau "Downbound Train" der eine Song, der für mich herausragt. Wie so oft die Nummer, die anders ist als der Rest des Albums.

Von hier an muss ich mich vorerst verabschieden, das erste Album, das ich danach wieder kenne ist "The Ghost of Tom Joad".
That is delightful news for someone who cares.
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MetalEschi
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Born in the U.S.A.)

Beitrag von MetalEschi »

Ich mag ja bekanntlich diese großen Blockbuster-Alben aus den 80ern, die nur mit dem Ziel enstanden zu sein schönen, möglichst jeden Song als Single auskoppeln zu können. Ähnlich wie Thriller oder Hysteria wirkt auch Born In The U.S.A. eher wie eine Best Of, weil sich diese Alben mMn in vor Allem einem wesentlichen Punkt von den anderen unterscheiden: Der Fokus bei der Produktion ist immer auf den jeweiligen Song ausgerichtet und nicht auf das Album an sich. Dabei ist der Flow auf Born In The U.S.A. sogar noch gewährleistet, es würde aber kaum ins Gewicht fallen, wenn die Songreihenfolge durcheinander gewürfelt worden wäre.
Ich finde das Werk durchaus gelungen und es ist im Grunde auch das Springsteen-Album, das bei mir am häufigsten läuft, auch wenn es objektiv sicherlich bessere gibt. Es hat aber diesen kompromisslosen Overdrive, dieses "bis ans Ende produzieren", dass man als Rockfan eigentlich verabscheuen müsste, das mich aber sehr oft mitreißt. Und wie alle übermäßg erfolgreichen Ausreißer stellt es auch eine gewissen Schnitt dar. Der Megaerfolg ist so etwas wie eine neue Zeitrechnung, und oft schaffen es Musiker nicht mehr, die alte Magie nochmal zu reproduzieren. Würde ich mal sagen, ist hier nicht wesentlich anders.
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Deornoth

Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Born in the U.S.A.)

Beitrag von Deornoth »

Die erste Springsteen, die bei mir im Regal stand und daher auch mein Favorit :) Objektiv mag man die Alben davor besser, intensiver, künstlerisch anspruchsvoller oder sonstwas finden, aber die Born in the USA ist einfach meine Liebste geblieben, da kann ich nicht anders. Und die Songs sind halt einfach immernoch alleroberste Gütekategorie. Allein No Surrender, den könnte ich tagelang in Endlosschleife hören. Ich finde auch an z.B. I'm on Fire nichts flach oder kommerzig. Der Boss bringt durch seinen Gesang und seine Präsenz einfach so eine Ernsthaftigkeit und Authentizität da rein, dass das für mich funktioniert.
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