Greetings from Asbury Park, N.J. (1973)
A-Seite
1. Blinded by the Light
2. Growin' Up
3. Mary Queen of Arkansas
4. Does This Bus Stop at 82nd Street?
5. Lost in the Flood"
B-Seite
1. The Angel
2. For You
3. Spirit in the Night
4. It´s Hard to be a Saint in the City
Alles begann gewissermaßen mit Mike Appel, den Bruce zusammen mit Jim Creteos als Manager anheuerte. Der nicht wirklich vorteilhafte Vertrag, den Bruce damals unterzeichnete, sorgte später noch für eine Menge Ärger, aber, wie Bruce schrieb „In the end, I would´ve signed Mike´s jockey shorts, if he´d presented them to me, to get my foot in the door“.
Mike Appel organisierte Bruce diverse Auditions bei verschiedenen Plattenfirmen, u.a. für John Hammond und Clive Davis bei Columbia Records, die ihn schließlich unter Vertrag nahmen. Einige der akustischen Demos, die bei den Auditions vorgetragen wurden, wurden später auf Tracks veröffentlich, andere bleiben bis heute unveröffentlicht (teils kursieren aber Aufnahmen – siehe unten bei Outtakes). Einer der Songs, den er Hammond vorspielte, war im Übrigen „If I Was the Priest“ (auch bei den Outtakes unten aufgeführt) – eine Art Westernsong, in dem Jesus der Sheriff ist und Maria den „Holy Grail Saloon“ führt…
Da die Demos allesamt „Bruce solo“ waren (ähnlich zu frühen Dylan-Songs), Bruce die Studioaufnahmen aber mit der kompletten Band machen wollte, gab es zunächst einige Diskussionen darüber, ob und zu welchem Anteil das Album eher akustisch oder mit Band veröffentlicht werden sollte. Man einigte sich schließlich auf eine Mischung: “Growing Up”, “Does This Bus Stop At 82nd Street”, “It´s Hard to be a Saint in the City”, “For You” und “Lost in the Flood” mit Band, und “Mary Queen of Arkansas”, “The Angel” sowie die später gestrichenen “Jazz Musician”, “Arabian Nights” und “Visitation at Fort Horn” als Akustikversionen. “Mit Band” hieß in diesem Fall mit Vini Lopez, Gary Tallent und David Sancious, da Clarence Clemons gerade nicht auffindbar war, und Steve Van Zandt nicht dabei war, weil man sich dazu entschieden hatte, das Album (als Zugeständnis an den Singer/Songwriter-Charakter der ursprünglichen Demos) ohne E-Gitarren aufzunehmen.
Mit diesen 10 Songs ging Bruce jedenfalls zu Clive Davis, der dazu nur meinte „no hits“, „nothing to play on the radio“. Also reichte Bruce daraufhin mal ebenso mit „Spirit in the Night“ und „Blinded by the Light“ zwei der stärksten Nummern des Albums nach, welche dann auch tatsächlich als Singles ausgekoppelt wurden. Beim Einspielen der beiden Songs war dann auch Clarence wieder dabei, so dass diese beiden die einzigen Nummern mit Saxophon auf dem Album waren. Die drei dafür gestrichenen Songs wurden nie offiziell veröffentlicht, kursieren aber als inoffizielle Bootlegs im Internet (siehe unten bei „Outtakes“).
Das Album, welches im Übrigen schon 1972 aufgenommen wurde, der Release aber wegen irgendwelche Gründen, bei denen es um Weihnachten ging (hab ich nie verstanden), auf 1973 verschoben wurde, erhielt viele positive Reviews mit vielen nicht unbegründeten Verweisen zu Bob Dylan, aber der Erfolg blieb im Großen und Ganzen noch aus.
Ok, also zu den Songs:
Blinded by the Light [
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Wie oben bereits geschrieben, ist das einer der Songs, den Bruce ganz am Ende noch nachreichte. Bruce schrieb, dass er sich sein Reim-Wörterbuch rausholte und sich damit die Lyrics zusammendichtete. Herausgekommen ist ein Text mit einer Wortzahl, die andere Bands für ein ganzes Album verwenden würden, und mit einem Tonfall, der in manchen Passagen so oder so ähnlich auch von Dylan hätte stammen können (alleine der Einstieg „Madman drummers bummers and Indians in the summer with a teenage diplomat…” ist schon sehr dylanesque). Inhaltlich ist er, wie vieles auf diesem Album, quasi verschlüsselt autobiographisch – Bruce selbst sagte darüber: "I wanted to get blinded by the light, I wanted to do things I hadn't done, see things I hadn't seen." Für mich gehört er zu den besseren Songs des Albums, und er ist mit Sicherheit auch einer der bekanntesten frühen Springsteen-Songs, was aber vermutlich nicht unwesentlich auf das sehr populäre Cover von Manfred Mann zurückzuführen (insgesamt hat Manfred Mann´s Earth Band drei Songs dieses Albums gecovert, die allesamt recht großen Erfolg hatten). Interessant ist auch die Version auf „Live in Dublin“, die nicht mehr allzu viel mit dem Original zu tun hatte (wie so viele Springsteen-Songs auf diesem Live-Album). 8,5/10
Growin´ Up [
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Einer der vielen Songs im Springsteen-Universum, in dem es um das Erwachsenwerden geht – und kaum einer bringt es so gut rüber wie dieser. Der Songs wurde als Akustiknummer geschrieben und auch so bei der Audition vor Clive Davis gespielt (in dieser Version ist er auch so auf „Tracks“ zu hören). Bruce sagte über dieses Erlebnis „There was Clive Davis, the head of the company, dressed in a white robe and a wreath on his head. I fell to my knees and played the guitar.“ Insgesamt ist das wahrscheinlich eines der Highlights des Albums (für viele DAS Highlight, für mich „nur“ der zweitbeste Song) und auch eine der Nummern, bei dem man schon deutliche Ansätze von der Großartigkeit der späteren Alben hört. 9/10
Mary Queen of Arkansas [
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Bei diesem Song wurde die Akustik-Demo-Nummer (zu hören auf „Tracks“) fast unverändert aufs Album übernommen wurde. Auch hier hört man einige Elemente heraus, die später auf Darkness… und The River wieder aufgegriffen wurden, allerdings schon noch in deutlich weniger großartig. In den Lyrics scheint auch hier wieder häufig Dylan durch, aber das ist auf diesem Album keine Seltenheit. Insgesamt eine der eher mittelmäßigeren Nummern des Albums, wenn auch bei Weitem nicht schlecht, und allemal sehr repräsentativ für sein damaliges Songwriting (siehe Outtakes unten) 7,5/10
Does This Bus Stop at 82nd Street? [
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Der nächste Song, von dem eine Akustik-Version auf „Tracks“ veröffentlicht wurde. Auch hier geht es um eine ganz grob autobiographische Geschichte, die davon handelt, wie Springsteen im Bus seine Freundin in Manhatten besucht. Im Großen und Ganzen einer der seichteren Songs, völlig ohne Refrain, und für mich auch eher ein Lowlight im Albumkontext. Wird auch nur ganz selten live gespielt. 7/10
Lost in the Flood [
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Die A-Seite endet mit dem für mich besten Song des Albums, der düsteren Halbballade „Lost in the Flood“. Inhaltlich geht es um Veteranen aus dem Vietnamkrieg, was durch drei kleine separate Geschichten umschrieben wird. Die sehr bildgewaltigen Formulierungen erinnern mich abermals an Bob Dylan, die dramatische, dunkle Musik geht aber weit darüber hinaus. Bruce sagte einmal darüber: “
trying to get a feeling for… the forces that affected my parents' lives… the whole thing of the wasted life”. Vieles, was hier in dem Song vorkommt, ist bereits so etwas wie eine Blaupause für spätere Großtaten, sowohl inhaltlich als auch musikalisch. Oben habe ich ja geschrieben, dass Steve Van Zandt auf dem Album nicht zu hören ist – das ist nicht ganz richtig. In diesem Song war er für das kurze Donner-Rauschen ganz am Anfang des Songs verantwortlich, indem er an der Hall-Spirale (oder wie auch immer „reverb unit“ auf Deutsch heißt) von Bruces Amps herumgeruckelt hat. Alles in allem ist das hier für mich eine der ganz großen Springsteen-Nummern seiner frühen Jahre und vielleicht auch einer seiner besten Songs überhaupt. Einen halben Punkt Abzug gibt’s nur dafür, dass die etwas dünne Produktion dem Song nicht ganz gerecht wird. 9,5/10
The Angel [anhören]
Ein Song, den ich sehr lange quasi überhört habe, der aber in der letzten Zeit deutlich gewachsen ist. Es passiert zugegeben nicht viel in dieser langsamen Piano-Ballade, aber wie gefühlvoll Bruce die Nummer singt ist sensationell. Inhaltlich geht es um einen Motorrad-Outlaw (Hell’s Angel?), und es werden sehr viele Automobil-Referenzen gemacht. Die Textzeile „The interstate's choked with nomadic hordes” dürfte einem in etwas abgeänderter Form aus “Born to Run” bekannt vorkommen… 8/10
For You [anhören]
Der Song spielt in einem Krankwagen, in dem der Erzähler mit seiner Freundin spricht, die wohl gerade einen Suizidversuch begangen hatte. Springsteen sagte ja über das ganze Album, wie teils schon erwähnt, dass es größtenteils „twisted autobiographies“ seien, worin die Namen und teils auch die genauen Umstände geändert wurden, um die entsprechenden Personen zu schützen. So wird auch hier gemunkelt, dass es um Bruces Ex Diane Lozito ging. Seine Live-Ansage zu dem Song – die Nummer wurde übrigens meistens als Piano-Ballade dargeboten – ging wie folgt: „Back in 1971… I was breaking up with this girlfriend of mine, and when I was away one weekend, she came and painted all the walls of my room black… That's not true… she painted 'em all blue.“ Es ist außerdem der nächste von insgesamt drei Songs, der von Manfred Mann gecovert wurde (in diesem Fall aber einige Jahre später als die beiden anderen) – diese Version ist, noch stärker als bei den beiden anderen Nummern, deutlich geradlinigerer Rock/Pop und damit völlig anders als das Original (und auch nicht mehr wirklich passend zu den Lyrics). Insgesamt eine eigentlich sehr starke Nummer mit einem tollen Spannungsbogen und intensiver Bandbegleitung, mit der ich persönlich aber aus irgendeinem Grund nie völlig warm geworden. Trotzdem: 8/10
Spirit in the Night [anhören]
Der dritte Song, den Manfred Mann für sich verwendet hat, und gleichzeitig (wie oben beschrieben) einer der letzten Songs, die für das Album geschrieben wurden. Darüber hinaus auch einer von nur zwei Nummern mit Beteiligung von Clarence Clemons, was den Song alleine schon auf eine andere Ebene hebt – zumal das Saxophon quasi durchgehend spielt. Da für diesen Song zwar Clemons wieder da war, ein Teil der restlichen Band nicht mehr, hat Bruce dabei selbst einige zusätzliche Instrumente spielen müssen – wie z.B. den Bass in dieser Nummer. Inhaltlich geht es eher seicht aber romantisch zu – es geht um eine Gruppe Jugendliche, die sich an einem See (Greasy Lake) treffen und eine feuchtfröhliche Nacht verbringen. Nicht umsonst neben „Blinded by the Light“ die zweite Single-Auskopplung und einer der populärsten Songs des Albums. 9/10
It’s Hard to be a Saint in the City [anhören]
Das was ich bei “For You” geschrieben habe, gilt hier noch stärker: Guter Song, aber mir hat er sich nie richtig erschlossen. Ungeachtet dessen ist er vielleicht der wichtigste Song des Albums, da es dessen Akustikversion war, die sowohl Mike Appel von Springsteen überzeugt haben, als auch die ihm bei John Hammond zum Plattenvertrag verholfen hat. Auch live war er jahrelang fester Bestandteil des Sets. Der Lyrics handeln von einem jungen Kerl, der in den Straßen einer Stadt aufwächst und versucht, ein guter Kerl zu bleiben. 7,5/10
FAZIT:
Das Debut ist ein recht einzigartiges Album in Springsteens Diskographie (wobei, welches der ersten ca. 10 Alben war das nicht?), weil hier noch deutliche Folkeinflüsse zu hören sind und sich Bruce noch merklich an anderen Größen der Musikwelt orientiert hat (v.a. Dylan, aber auch hier und da Sache wie Van Morisson). Dazu ist es neben den späteren Akustikalben wahrscheinlich das einzige ohne E-Gitarre und mit einigen Songs, die von reinen Singer/Songwriter-Nummern erst für die Aufnahmen auf die Gesamtband umarrangiert wurden. Dazu ist auf keinem einzigen Song die gesamte Band zu hören, weil entweder Clemons nicht zu finden war, oder weil Sancious und/oder Tallent nicht mehr zur Verfügung standen. Trotz allem ist ein erstaunlich homogen klingendes Album herausgekommen, das bereits viele Ansätze enthält, die auf späteren Alben dann stärker betont werden - sei es die klare Struktur von „Growing Up“ oder das dramatische Setting von „Lost in the Flood“, was z.B. auf „Born to Run“ wieder zu finden sein wird, oder das eher exzessiv instrumentalisierte „Spirit in the Night“, das in abgeschwächter Form bereits das zweite Album vorweg nimmt. Alles in allem ein sehr ungeschliffenes Album mit einer eher unterdurchschnittlichen Produktion, aber mit einigen Songs, die mit jeder Phase von Springsteens Schaffen locker mithalten können und sich daher auch teilweise bis heute immer mal wieder in den Livesets wiederfinden. Insgesamt gute 8,5/10.
Outtakes:
EDIT: Nach zusätzlicher Recherche musste ich hier ein bisschen was ändern:
Springsteen hat 1972 eine riesige Menge Songs geschrieben, von denen eine erhebliche Anzahl in einem 72er Demo auf Band gebracht wurden (darunter auch die 4 erwähnte Album-Songs aus den Auditions). Von vielen davon existieren Aufnahmen, die irgendwann mal auf einem „Early Years“-Sampler erschienen waren, der dann zwar von offizieller Seite verboten wurde, aber seitdem zumindest noch im Internet kursiert. Ein bislang unveröffentlichter Song dieser Demos - „Henry Boy“ (quasi eine Vorstufe zu „Rosalita“) - wurde auf Chapter and Verse veröffentlicht.
Der erwähnte "Early Years"-Sampler enthielt auch einen Großteil der tatsächlichen Outtakes von "Greetings...". Aufgrund des damaligen Rechtsstreits um Copyrights und Veröffentlichungsrechte ist keines dieser Outtakes für "Tracks" berücksichtigt worden, aber die Sampler-Songs sind wie gesagt noch immer online verfügbar. Eine Ausnahme auf "Tracks" ist das Live-Recording von "Bishop Danced" - eine Nummer, die ebenfalls aus dieser Ära stammt, von der aber keine Studioaufnahme existiert.
Hier nun also die tatsächlichen Outtakes aus den Recording-Sessions des Albums:
- Arabian Nights [Hörprobe]
- Visitation at Fort Horn [Hörprobe]
- Jazz Musician [Hörprobe]
- The Lady and the Doctor [Hörprobe]
- Cowboys of the Sea
- Two Hearts in True Waltz Time [Hörprobe]
- Street Queen [Hörprobe]
- The Chosen (keine Aufnahmen verfügbar)
Und hier noch eine Liste von Songs aus den frühen Demos (unvollständig - wird bei Gelegenheit erweitert):