BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Human Touch)

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Rivers
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von Rivers »

Born to run, Darkness, Rivers und Promise sind nun in meinem Besitz und laufen die letzte Woche hoch und runter. Thanks, Knitter. :nerv: :D

Bisher kickt mich alles das nicht so ganz, wie es das Volk hier so tut. Ich glaube, als Coverversionen taugt das schon, live klingt es wahrscheinlich schon besser. Auf Platte ist das alles etwas handzahm. Und ja, zu viele Saxophonsolos *g* Und ein langweiliges Schlagzeug. *g*
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Rivers
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Born to Run)

Beitrag von Rivers »

KnitterRitter hat geschrieben:Racing in the Street [anhören / Alternative Version (’78)]Da es gerade von dieser Nummer im Zuge der Aufnahmen sehr viele Versionen und sehr viele alternative Textstellen gab, wurde auf „The Promise“ eine dieser Versionen mit etwas anderen Lyrics und etwas anderer Instrumentierung veröffentlicht (oben verlinkt). Ähnlich wie die unsterbliche Albumversion natürlich auch großartig. 10/10
Die Version auf "The Promise" ist mir sofort ins Ohr gesprungen. Finde ich irgendwie sehr gut, leicht und luftig und doch ernst.
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NegatroN
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von NegatroN »

Ich hab mir The Promise noch mal in Ruhe angehört. Oft aufgelegt hatte ich sie nach dem Kauf nicht, weil mir das größtenteils doch zu seicht war. Das hat sich beim genauen Hinhören nochmal bestätigt, für mich ist das bislang die bei weitem schwächste Sammlung an unveröffentlichtem Material. Auch die Begeisterung für den Song selber kann ich nicht so richtig teilen. Schon eine gute Nummer, aber für mich trotzdem sehr eindeutig hinter seinen Glanzleistungen. Da fehlt einfach was.
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We want to see the fire
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von KnitterRitter »

NegatroN hat geschrieben:Ich hab mir The Promise noch mal in Ruhe angehört. Oft aufgelegt hatte ich sie nach dem Kauf nicht, weil mir das größtenteils doch zu seicht war. Das hat sich beim genauen Hinhören nochmal bestätigt, für mich ist das bislang die bei weitem schwächste Sammlung an unveröffentlichtem Material. Auch die Begeisterung für den Song selber kann ich nicht so richtig teilen. Schon eine gute Nummer, aber für mich trotzdem sehr eindeutig hinter seinen Glanzleistungen. Da fehlt einfach was.
Dass das alles im großen Durchschnitt nicht mit seinen Sachen aus den 70ern und 80ern mithalten kann, ist klar. Ich finde halt trotzdem einzelne Nummer großartig, und auch mit den moisten anderen kann ich Spaß haben - teilweise auch deutlich mehr als mit Sachen wie "Human Touch" oder "Working on a Dream".

Unter den großen Outtakes-Sammlungen ist aber die von Darkness wahrscheinlich wirklich die schwächste. Die River-Outtakes sind jedenfalls deutlich starker, und auch die BitUSA-Outtakes (auch wenn bisher nur ein Bruchteil davon überhaupt bekannt ist) können im Schnitt um einiges mehr.
They throw the best damn parties at the rim of hell
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von GoTellSomebody »

Erstmal vorab: nach 8 Tagen fast kompletter Internetabstinenz freue ich mich sehr, wieder soviel Interessantes hier lesen zu dürfen, und das obwohl ich dachte schon soviel über den Boss zu wissen. Vielen Dank, Knitter!

Ein Nachtrag zu 'Racing In The Streets': vielleicht ist ja bekannt, dass BAP wie Springsteen auch Dylan thematisch sehr nahe standen, und es gibt ein inhaltlich zumindest sehr ähnliches Pendant zu der hier angesprochenen Springsteen-Songperle, welches rein zufällig wie 'Racing In The Streets' zu meinen absoluten Lieblingssongs der jeweiligen Künstler zählt, ein ähnliches Gefühl transportiert und sehr anschaulich in Worte fasst, und ebenso auf dem jeweiligen Album steht, dass ich vermutlich auch wählen würde, wenn ich nur eines aussuchen dürfte: Die wunderschöne Trompete wurde übrigens vom damaligen Roadie Kalau eingetrötet.
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GoTellSomebody
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von GoTellSomebody »

"The Promise", wie ich vorhin mit Erschrecken festgestellt habe, steht hier seit Veröffentlichung noch eingepackt im Schrank. Werde ich dann wohl mal zügig ändern.
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ragazzirosso
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von ragazzirosso »

Auch ich möchte an dieser Stelle Danke sagen! Sehr gut geschrieben, mit Details angereichert, dieser Thread macht nichts anderes als Lust, die Scheiben aufzulegen.
Eine ausführliche Werkschau war doch sowieso jahrelang überfällig. Ich freu mich.

=)
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MetalEschi
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von MetalEschi »

Ich hab ja überlegt, so etwas zu der ein oder anderen Band auch mal zu machen, aber die Ausführlichkeit, mit der hier auf wirklich jeden Song eingegangen wird, ist wahrlich bemerkenswert, die Geduld hätte ich vermutlich nicht. Kompliment.
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Apparition
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von Apparition »

MetalEschi hat geschrieben:Ich hab ja überlegt, so etwas zu der ein oder anderen Band auch mal zu machen, aber die Ausführlichkeit, mit der hier auf wirklich jeden Song eingegangen wird, ist wahrlich bemerkenswert, die Geduld hätte ich vermutlich nicht. Kompliment.
Ich habe mal überlegt, das für Fates Warning zu machen. Aber ich weiss nicht, ob meine Schreibkreativität für über 10 Alben reicht.
That is delightful news for someone who cares.
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MetalEschi
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von MetalEschi »

Ich hatte David Bowie und ein paar andere auf dem Schirm. Hatte. Bei dem Umfang wären erstmal vier Monate Studium nötig, um dem Thread hier (oder dem über Rush) gerecht zu werden.
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Alphex
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von Alphex »

Kann man sich The River eigentlich guten Gewissens so zulegen, oder ist die doch deutlich teurere Variante mit den ganzen Bonussachen essenziell?
"Wenn man in der Metalszene unterwegs ist, dann bekommt man quasi NIE politische Statements zu hören. Auch deswegen liebe ich diese Szene so. Politik ist dort nunmal kein Thema. Fast schon ein Tabuthema."
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KnitterRitter
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von KnitterRitter »

The River (1980)

Disc 1 - A-Seite
1. The Ties That Bind
2. Sherry Darling
3. Jackson Cage
4. Two Hearts
5. Independence Day

Disc 1 - B-Seite
1. Hungry Heart
2. Out in the Street
3. Crush on You
4. You Can Look (But Better Not Touch)
5. I Wanna Marry You
6. The River

Disc 2 - A-Seite
1. Point Blank
2. Cadillac Ranch
3. I’m a Rocker
4. Fade Away
5. Stolen Car

Disc 2 - B-Seite
1. Ramrod
2. The Price You Pay
3. Drive All Night
4. Wreck on the Highway

Die Darkness-Tour endete im Januar 1979, und bereits während dieser Tour wurden „Point Blank“, „Independence Day“, „Sherry Darling“, „The Ties That Bind“, „Ramrod“ und auch das Instrumental und letztliche Outtake „Paradise By the C“ gespielt – alles Songs, die letztlich (außer „Paradise“) auf „The River“ landen sollten.

Nach dieser Tour zog sich Bruce erstmal eine Weile zurück und schrieb bei sich zuhause die ersten Songs und Songfragmente, die er alle mit einem kleinen Kassettenrecorder aufgenommen hat. Da diese Aufnahmen, die natürlich nie für die Öffentlichkeit bestimmt waren (und vieles sind tatsächlich nur Fragmente, teils ohne Gesang), schon seit einer Weile als Bootlegs kursieren, kann man sich ein ganz gutes Bild von den frühen Stadien mancher Songs machen (z.B. „Mr. Outside“, das mittlerweile als Outtake veröffentlicht wurde, eine Akustikversion von „Roulette“ [anhören] oder „Oh Angelyne“, eine frühe Inkarnation von „The River“ [anhören]).

Die eigentlichen Aufnahmen begannen im März 1979 in The Power Station in New York City. Daneben fanden parallel zu den Aufnahmesessions intensive und extensive Proben in Springsteens Haus/Hütte/Scheune (liebevoll „Telegraph Hill Studios“ genannt) statt, wovon ebenfalls Aufnahmen kursieren, die allerdings häufig von recht schlechter Qualität sind (unten bei den Outtakes sind einige dieser Demos verlinkt). Insgesamt wird hier von über 100 Demos gesprochen, die während dieser Zeit geprobt wurden. Von diesen Songs wurde immerhin etwa die Hälfte offiziell im Studio aufgenommen, ein Großteil davon bis zu einem Stand, dass sie auf dem letztlichen Album hätten veröffentlicht werden können. Und so gibt es wieder einen riesigen Blumenstrauß an Outtakes, die dieses Mal etwas konstanter in der Qualität und etwas fokussierter von der Stilrichtung sind, als noch zu Darkness-Zeiten. Springsteen sagte selbst, dass dieses Mal absolut nicht klar war, welche Songs auf die Scheibe kommen sollten, und man einige durchaus hätte austauschen können – manche vielleicht sogar austauschen müssen. Mehr dazu später bzw. unten bei den Outtakes.

Wieder einmal kann man die Recording Sessions in zwei Phasen teilen, wobei dieses Mal die erste Phase tatsächlich mit einem Album endete. So hatte man Ende August 1979 bereits die Aufnahmen fertiggestellt und im September das fertige Album vollendet und im Oktober an die Plattenfirma übergeben, und es hieß „The Ties That Bind“. Es war noch kein Doppelalbum und enthielt folgende Songs:

The Ties That Bind
Cindy
Hungry Heart
Stolen Car
To Be True

The River
You Can Look… But You Better Not Touch
The Price You Pay
I Wanna Marry You
Loose Ends

Diese Song-Sequenz entstand dabei erst ganz zum Schluss. Noch etwa einen Monat vorher enthielt die Scheibe statt „Cindy“, „The River“ und „You Can Look…“ (die letzten beiden wurden erst Ende August aufgenommen) die Songs „Ricky Wants a Man of Her Own“, „The Man Who Got Away“ und „Ramrod“. Wieder einmal ein Beispiel dafür, wie schnell man Songs aus dem Hut zaubern konnte, und wie qualitativ vergleichbar diese Songs damals waren.

Das war es also, das Album. Nun, wie wir alle wissen, sollte es anders kommen. Springsteen zog das Album zurück und begann im Oktober 1979 wieder mit dem Songwriting und neuen Studio-Sessions, was letztlich zu dem führen würde, was wir heute als „The River“ kennen. 2015 hat er dazu rückblickend gesagt: "It wasn't big enough. It wasn't sprawling enough. It didn't include enough. I'd gotten to the point where I wanted to include everything that I did, from the party material to my character studies, and I didn't think I could do that successfully on one album at that time. I didn't take it back with the intention of making two.... I just took it back with the intention of making it better."

Denn von Beginn an wollte Springsteen nach dem sehr ernsthaften und streng thematisch ausgerichteten Vorgänger jetzt auch den Spaß, die Leichtigkeit, aber vor allem die Energie ihrer Live-Shows für die Platte einfangen. Gleichzeitig wollte er trotzdem das tiefgründige Element seiner dunklen Balladen beibehalten, was, wie er sagte „the heart and soul“ der Scheibe werden sollte. Dieser Spagat war mit einem einzelnen Album nicht möglich, denn weder für ausladende 8-Minuten-Songs noch für diese ganzen Live-Kracher – „Barsongs“, wie er sie nannte – war dabei Platz. Denn einige der Nummern, die noch auf „Darkness“ keinen Platz gefunden hatten, waren genau das („Ramrod“ und Sherry Darling“ für die Barsongs, „Independece Day“ und „Drive All Night“ für die Balladen).

Die angesprochene Live-Energie wollte er dabei nicht nur in den Songs selbst, sondern auch im Sound einfangen. Das war schon bei „Darkness“ so ein bisschen sein Ziel, aber für „The River“ trieb er das Ganze zu einem Extrem. Die Mikrofone wurden weit nach oben an die Decke gehängt, um neben der Band auch möglichst viel vom Raum mit einzufangen, und alles sollte so „trashy“ und unkontrolliert wie möglich klingen. Bob Clearmountain, der noch das oben aufgeführte Single-Album gemixt und engineert hatte, schaffte es, diesen Sound in eine recht straighte, klare und „hörbare“ Richtung zu führen (d.h. für Bruce damals auch deutlich zu sauber und kontrolliert). Für die erweiterten Sessions war Bob nicht mehr dabei, also konnte man sich im Mix richtig austoben.

Und ausgetobt hat man sich. Nach den fertigen Aufnahmen (mittlerweile waren rund 50 Songs für die Scheibe aufgenommen) ging man damit nach L.A. zu Chuck Plotkin, der schon „Darkness“ am Mischpult gerettet hat. An „The River“ hat aber auch er sich die Zähne ausgebissen – denn wie Springsteen selbst schrieb: „We’d wanted to create a sound that was less controlled and we’d had, as ex-president George W. would say, catastrophic success! It was a mess.“ Nach Monate des Abmischens hat Bruce dem nicht mehr involvierten Jimmy Iovine das Album vorgespielt, der dazu nur meinte „When’re you going to record the vocals?“ – man hörte schlicht nur Matsch. Nach weiteren endlosen Versuchen konnte man schließlich einen Mix hervorbringen, der passte, und das Album war fertig. Das Portrait des Covers war übrigens noch aus den Fotosessions von „Darkness“.

Um nochmal auf Bob Clearmountain zurück zu kommen, der später auch für den Mix von „Born in the U.S.A.“ verantwortlich sein sollte. Springsteen schrieb in seiner Biographie: „I recollected that Bob Clearmountain had mixed Hungry Heart, our soon-to-be top five (and only) smash, in thirty seconds, but we could have never worked with Bob. HE WAS TOO FUCKING FAST! We needed to ruminate, contemplate, intellectualize and mentally masturbate ourselves into a paralytic frenzy. We had to punish ourselves until we’d done it… OUR WAY! And in those days, on E Street, our way was only one way… THE HARD WAY!” Und letztlich muss man sagen, dass es sich für dieses Album gelohnt hat. „The River“ ist auch deswegen so großartig, weil es so wenig perfekt, so roh und ungeschliffen, so spontan klingt. Und es kann gut sein, dass ein Top-Mixer, der einen perfekten, klaren Sound im Blick hat, das so nicht hätte realisieren können.

Wie auch immer. Es war Herbst 1980. Bruce war aufgrund der nicht enden wollenden Studiozeiten pleite, „The River“ war veröffentlicht, und die Tour, die fast ein Jahr dauern sollte, stand vor der Tür. Sie wurde ein voller Erfolg, gerade auch die neuen Songs funktionierten live großartig, und man sah die Band hier vielleicht in ihrer besten Zeit. Kleine Anekdote: Bei einem seiner wohl besten Auftritte der Tour in Tempe, Arizona – das Konzert wurde zu einem Großteil (nur 23 der 33 gespielten Songs sind enthalten) auch in der „The Ties That Bind“-Box veröffentlicht – kam es zu einem kritischen Zwischenfall, als Bruce während „Rosalita“ einen Sprung auf die Boxen nicht ganz schaffte und auf der anderen Seite etwa 2 Meter tief in den Graben fiel. Der Fall wurde von einem Roadie gebremst (der sich dabei das Handgelenk verstauchte), so dass Bruce das alles unbeschadet überstand. Auf der Aufnahme sieht man nur, dass irgendwann (die Band hielt solange den Ton) die Gitarre wieder auf dem Lautsprecher erscheint, Bruce sich kopfschüttelnd hochzieht, grinst und dann den Gig weiterspielt, als wäre nichts gewesen.

Um die Einleitung hier abuzuschließen, Bruce sagte 2009 bei einem Konzert als Einleitung folgendes über das: "The River was a record that was sort of the gateway to a lot of my future writing. It was a record we made after Darkness on the Edge of Town. It was a record made during a recession—hard times in the States. Its title song is a song I wrote for my brother-in-law and sister. My brother-in-law was in the construction industry, lost his job and had to struggle very hard back in the late 70s, like so many people are doing today. It was a record where I first started to tackle men and women and families and marriage. There were certain songs on it that led to complete records later on: 'The River' sort of went to the writing on Nebraska, 'Stolen Car' went to the writing on Tunnel of Love. Originally it was a single record. I handed it in with just one record and I took it back because I didn't feel it was big enough. I wanted to capture the themes I had been writing about on Darkness. I wanted to keep those characters with me and at the same time added music that made our live shows so much fun and joy for our audience. So in the end, we're gonna take you down to The River tonight."

Also, dann nichts wie los:

The Ties That Bind [anhören]
Die Scheibe eröffnet mit dem Song, der ursprünglich als Titeltrack vorgesehen war. Es war auch einer der ersten Nummern, die von diesem Album live präsentiert wurden (der allererste war wohl „Independence Day“). Der Unterscheid zu „Darkness…“ ist sofort offensichtlich: Der Ton ist lockerer, positiver, mit weniger „Gravitas“. „The Ties That Bind“ setzt in gewisser Weise das Thema der gesamten Platte: Es geht in irgendeiner Form um Beziehungen (hier allgemein um die Aussage, wie wichtig Bindungen und Beziehungen im Leben sind), und die Nummer liegt stilistisch irgendwo in der Mitte zwischen seinen „Barsongs“ und den etwas nachdenklicheren Nummern. Hat bei mir nach dem ernsten Vorgänger, der mir vom Tonfall her etwas mehr liegt, eine Weile gebraucht, aber objektiv ist das einfach ein großartiger Rocksong.
9,5/10

Sherry Darling [anhören]
Eines von mehreren Relikten, die aus den “Darkness”-Sessions übrig geblieben sind. Wenn ich oben etwas von Gravitas geschrieben habe, dann ist das hier quasi der absolute Gegenbeweis dazu: „Sherry Darling“ ist ein reiner Spaßsong, den aber so in der Form nicht besser machen kann. Alleine die fantastischen Saxophonparts (das Saxophon ist auf dem gesamten Album ohnehin der heimliche Star) und die mitreisende Melodielinie lassen einen die Nummer lieben, und der eingespielte Publikumjubel (ein Beispiel wie man den angestrebten Live-Charakter auf die Spitze treiben kann) ist zwar wahrscheinlich objektiv gesehen ein bisschen albern, aber WENN man sowas machen kann, dann bei diesem Song. Schwierig wird es für mich so langsam mit den Bewertungen (sofern man überhaupt darauf Wert legt) – denn wie beurteilt man diese Nummer im Vergleich mit z.B. „Stolen Car“, die beide eine völlig andere Message haben und auch etwas völlig anderes sein wollen. Ich hatte hier eigentlich lange 9 Punkte stehen, aber dann hab ich den sensationellen Text nochmal gelesen („your Mamma’s yappin‘ in the back seat, tell her to push over and move them big feet“ … „she keeps talkin‘ she’ll be walkin‘ that last block… she can take a subway back to the ghetto tonight“), und dann waren die 9,5 unausweichlich (außerdem hatte ich vor ein paar Tagen einen der penetrantesten Ohrwürmer mit der Nummer).
9,5/10

Jackson Cage [anhören]
Schwer zu sagen, was genau mit “Jackson Cage” gemeint ist – manche sagen, es geht um die Stadt Jackson, andere um das Gefängnis. Aber ganz sicher geht es um einen Ort, von dem man fortkommen will, der einen aber festhält und nicht loslässt. Der Song zeichnet abermals dieses Bild vom Gefangensein im trostlosen Alltag und in der tristen Realität seiner Umgebung – und er ist damit so ein bisschen ein Link zum Vorgänger „Darkness on the Edge of Town“. Musikalisch vielleicht etwas sperrig, aber gerade deshalb eine willkommene Abwechslung auf diesem Album. Außerdem schlägt der Song ziemlich perfekt die Brücke von den straighten Rock-Songs zu den dunkleren Nummern, wie „Point Blank“ oder „Drive All Night“.
9/10

Two Hearts [anhören]
Im Grunde ist “Two Hearts” so etwas wie eine Fortsetzung von “The Ties That Bind”, nur das das Thema auf eine persönlichere Ebene gehoben wird und am Beispiel einer jungen Frau mit gebrochenem Herzen ausgeführt wird. Wenn Springsteen gesagt hat, dass einige Songs durchaus austauschbar gewesen wären mit einigen der Outtakes, dann ist das hier für mich so ein Beispiel dafür. Durchaus eine sehr gute Nummer, aber auf dem Level gab es unter denen, die nicht verwendet wurden, auch einige. Trotzdem hervorragend.
9/10

Independence Day [anhören]
Das Verhältnis von Bruce zu seinem Vater war nie ein einfaches, und irgendwann meinte er auch, dass seine Songs das Medium wären, mit dem er noch mit ihm kommunizieren konnte. Der Song ist dafür vielleicht das beste Beispiel, denn expliziter, offener und ehrlicher kann man so eine Art der Kommunikation nicht führen („nothing we can say is gonna change anything now“ … „We chose the words, and yeah, we drew the lines” … “I guess that we were just too much of the same kind” … “Papa now I know the things you wanted that you could not say” – um nur ein paar Beispiele zu nennen). Sensationeller, melancholischer Song, der auch noch aus den „Darkness“-Sessions übrig geblieben ist, und eines der ganz großen Highlights des Albums.
10/10

Hungry Heart [anhören]
Springsteens erster Top-10-Hit. Die Nummer wurde eigentlich für die Ramones geschrieben, aber Landau konnte Bruce schließlich dazu überreden, den Song selbst zu verwenden (um nicht, wie schon auf „Darkness“, seine kommerziellsten Songs wegzugeben). Und der Song ist tatsächlich wohl der eingängigste und radiotauglichste Song des Albums – eine flotte Rock/Pop-Nummer, die schnell ins Ohr und dann nicht mehr so schnell rausgeht. Die Lyrics sind dagegen etwas ernsthafter und handeln von einem Mann, der seine Familie verlassen hat auf der Suche nach irgendeiner Art von Erfüllung und neuer Romantik. Es ist der einzige Song des Albums, der noch auf den Mix von Bob Clearmountain zurückgreift, allerdings wurde die Nummer im Vergleich zum Original des Single-Albums etwas gepitcht, d.h. ein wenig schneller gemacht und damit die Tonhöhe leicht angehoben. Das fällt mir mittlerweile etwas negativ auf, aber erst seit ich den originalen Song kenne und nun halt den Unterschied höre. Nichtsdestotrotz natürlich eine tolle Nummer.
9,5/10

Out in the Streets [anhören]
Diese eingängige Nummer mit Background-Vocals von Steve Van Zandt (der im Übrigen auch Co-Produzent des Albums war) ist nicht nur live ein absoluter Kracher geworden (nicht umsonst nach „Hungry Heart“ der am zweithäufigsten gespielte Song des Albums) er ist auch so etwas wie die perfekte Vertonung von Freiheit und einer Erfüllung durch Gemeinschaft. In dieser Hinsicht ist er ganz im Sinne des latenten Beziehungsthemas der Scheibe ein weiterer Appell gegen Einsamkeit, und er ist vielleicht auch ein bisschen der Ausdruck dessen, was Bruce selbst privat nie so richtig geschafft hat: Mit der Welt und der Umgebung wirklich in Einklang zu sein.
9,5/10

Crush on You [anhören]
Wenn man aus etwa 50 Songs 20 auswählen muss, dann ist wohl schon rein statistisch ein Fehlgriff dabei. Dieser Fehlgriff ist für mich „Crush on You“ – ein Song, wie er stumpfer und nichtssagender nicht sein könnte. Bruce sagte selbst, als er über die Outtakes sprach, dass man die Nummer (zugunsten von Roulette) besser vom Album gelassen hätte. Ich mein, die Nummer ist kein Totalausfall (die Strophen haben – im Vergleich zum lahmen Refrain – sogar richtig Pepp), aber halt schon ziemlich klar der schwächste Song des Albums.
7,5/10

You Can Look (But Better Not Touch) [anhören / Rockabilly-Version]
Hochinteressanter Song, vor allem weil er ursprünglich (d.h. auch noch auf dem Single-Album, das wieder zurückgezogen wurde) eine völlig andere Musik (eher im Rockabilly-Stil) hatte. Auf der „Tunnel of Love“-Tour 1988 wurde dieser Version gespielt, aber nie davor und nie mehr danach. Auch diese alte Version war ziemlich cool, aber die neue ist schon ein bisschen besser. Musikalisch bedient sie sich der Album-Song bei dem Outtake (und B-Seite von „Hungry Heart“) „Held Up Without a Gun“ und inhaltlich geht’s halt genau darum, was der Titel suggeriert, aber wenn mir jemand erklären kann, was „mess around and you’ll end up in dutch boy“ bedeuten soll, wäre ich sehr dankbar. Alles in allem ein sehr guter, aber auch ein bisschen austauschbarer Song, der vielleicht erst live so richtig zündet. 9/10

I Wanna Marry You [anhören]
Ein Song, den ich heute etwas besser finde als noch vor einiger Zeit. Je nach Stimmung muss ich hier immer noch manchmal skippen, aber alles in allem sind die bittersüßen Lyrics über dieses heimliche Schwärmen für eine fremde Frau mittlerweile so ein bisschen bei mir angekommen. Trotzdem hätte ich die Nummer wohl weggelassen, zumal es unter den Outtakes noch so ein paar Balladen gibt, die hier gut gepasst hätten (allen voran natürlich „Stray Bullet“).
8,5/10

The River [anhören / Live-Premiere (’79)]
Die erste Platte endet mit einem der besten Songs von Springsteen überhaupt, einer Nummer, zu der mir vom ersten Ton des Mundharmonika-Intro bis zum sanften Fadeout nur Superlative einfallen. Hier ist tatsächlich alles perfekt: Die dezente Instrumentierung, der gefühlvolle Gesang und nicht zuletzt die tief-persönlichen Lyrics, die anders als viele andere Springsteen-Texte nicht fiktiv sind, sondern auf der tatsächlichen Lebensgeschichte von Bruces Schwester Ginny und ihrem Mann Mickey basieren. Auch Ginny ist mit 18 Jahren schwanger geworden und hat daher früh geheiratet. Die beiden hatten dann ebenfalls mit der schwächelnden Wirtschaft zu kämpfen, und Mickey hat schließlich eine Arbeit auf dem Bau angenommen, um die Familie durchzubringen. Das erste Mal hat Bruce den Song bei dem No Nukes Konzert 1979 präsentiert – zu dem Zeitpunkt war die Nummer völlig unbekannt, und seine Schwester saß im Publikum und hat dabei diesen Song über ihr eigenes Leben auch das erste Mal gehört. Diese bemerkenswerte Zeitdokument ist auch oben verlinkt. Inhaltich ist der Song nicht nur eine tragische Liebesgeschichte (die Realität ist im Übrigen weit weniger tragisch - Ginny und Mickey sind noch immer glücklich verheiratet), sondern er zeichnet auch ein subtiles Bild davon, wie die wirtschaftlichen Umstände eine Gesellschaft prägen und wie diese Kultur die Menschen und ihr Leben beeinflusst. Die größte Stelle des Songs ist aber eine, in der es tatsächlich nur um geplagte Erinnerungen geht. Wenn sich seine Stimme am Ende der Bridge bei „now those memories come back to haunt me… they haunt me like a curse“ leicht überschlägt, so als müsste er ein Schluchzen herunterschlucken – diese subtile und gleichzeitig brutale Art, Gefühle zu vermitteln, das schaffen nur ganz wenige Sänger, wenn es denn überhaupt noch jemanden gibt, der das so schafft. „The River“ ist dieser eine perfekte Song, den die besten der besten ihre ganze Karriere anstreben und auf den die meisten Künstler ein Leben lang warten. Einer von drei Songs für die Insel, vertonte Perfektion.
10/10

Point Blank [anhören]
Die zweite Scheibe eröffnet mit dem unbestritten dunkelsten und traurigsten Song der Scheibe. Point Blank handelt von einer Frau – die Ex-Freundin des Erzählers – die durch ihre Umstände und Umgebung in irgendeiner Form die Kurve im Leben nicht bekommen hat. Es wird vermutet, dass die Geschichte von einer alten Freundin von Bruce inspiriert ist, die mit Drogenproblemen zu kämpfen hatte. Wieder mal ist das ein Beispiel, wie genial Springsteen mit seiner Stimme diese Gefühle auf Band bringen kann. Zu großen Teilen ist das hier Verzweiflung, aber in der unfassbaren letzten Strophe, in der der Erzähler in einem Traum von besseren Zeiten fantasiert, ist es auch das Sehnen und die Hoffnung auf Besserung, nur um dann am Ende wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt zu werden. Zwar finde ich die Nummer als Opener etwas eigenartig – es ist sogar das bis dahin einzige Beispiel, wo eine dunkle Ballade eine Albumseite eröffnet – aber trotzdem natürlich unfassbar großartig, und wahrscheinlich schon der zweitbeste Song der Scheibe. Alleine Bittans gefühlvolles Pianospiel ist die Höchstnote wert.
10/10

Cadillac Ranch [anhören]
Dieser absolute Live-Knaller (googelt einfach mal nach einer Live-Version der Nummer) ist für mich der stärkste von all den eigängigen „Bar Band Songs“ der Scheibe. Dabei ist die Nummer inhaltlich alles andere als ein Party-Song. Die thematisierte Cadillac Ranch ist ein Kunstprojekt, bei dem alte ausgemusterte Cadillacs zur Hälfte im Boden vergraben wurden. Insofern steht die Cadillac Ranch für das Vergängliche (man könnte auch sagen den Tod), und die Cadillacs sind eine Metapher dafür, wie alles Schöne irgendwann auch entbehrlich wird und aufs Abstellgleis des Lebens kommt. Eines der ganz wenigen Beispiele, wie eine treibende Spaß-Nummer mit tiefernsten Lyrics kombiniert werden kann. Ich steh völlig auf den Song, aber man muss ihn vielleicht mal live gesehen haben, um ihn wirklich zu würdigen. 9,5/10

I’m a Rocker [anhören]
Das hier ist im Gegensatz dazu eine eher mittelmäßige Nummer – zwar nicht ganz so mittelmäßig wie “Crush On You”, aber für mich schon klar der zweite Song, den ich vielleicht mit was anderem ersetzt hätte. Ausnahmsweise fällt mir hier tatsächlich auch nicht viel mehr zu der Nummer ein, weil auch die Texte jetzt nicht die Geistreichsten aller Texte sind. Kann man aber schon machen, und v.a. live ist das natürlich auch ein guter Song. 8,5/10

Fade Away [anhören]
"Have you ever felt a love that you've had slipping away? That is an ugly feeling. You don't know what you can do to fix it, probably nothing." So beschreibt Springsteen diesen Song. Die zweite Single des Albums (mit “Be True” als B-Seite) ist ein traurige Herzschmerz-Ballade über eine zerbrochene Beziehung. Mir persönlich ist die Message wahrscheinlich ein bisschen zu flach, aber trotz allem selbstverständlich ein toller Song. Aus irgendeinem mir nicht ganz verständlichen Grund gehört er zu Steve Van Zandts Lieblingssongs.
9/10

Stolen Car [anhören / schneller, längere Version]
4 Minuten Stille… Das war so ungefähr meine erste Meinung zu diesem Song. Natürlich habe ich mich da mittlerweile reingehört, aber ehrlich gesagt habe ich erst mit der auf „Tracks“ veröffentlichten, schnelleren Alternativversion (die auch zusätzlich Strophen hat und damit ein anderes Ende suggeriert – oben verlinkt) so richtig den Zugang zu der Nummer gefunden. Die Albumversion ist minimal arrangiert, mit sehr ruhigem, melancholischem Gesang, und erinnert damit nicht ganz zufällig an den einen oder anderen späteren „Nebraska“-Song. Inhaltlich geht es um einen Mann, der sich von seiner Frau entfremdet hat und nun mit einem gestohlenen Auto durch die Nacht und in die Dunkelheit fährt, heimlich in der Hoffnung, erwischt zu werden, um nicht völlig zu verschwinden. Da der Song direkt im Anschluss an „Hungry Heart“ geschrieben wurde, wir die Nummer hier und da auch als Fortsetzung dieser Geschichte gesehen – was zwar sein kann, für mich aber etwas weit hergeholt klingt. Dass hier auch wieder ein wenig von Springsteen selbst drinsteckt, hat er später bestätigt: "… if you don't connect yourself with your family and to the world, you feel like you're disappearing, fading away. I felt like that for a very, very long time. Growing up, I felt invisible." Eine der kleineren, leiseren Nummern der Scheibe, die auch gerade deshalb zu den größten Songs des Albums gehört. Großes Ohrenkino.
10/10

Ramrod [anhören]
So tieftraurig wie die A-Seite endet, so beschwingt beginnt die B-Seite. „Ramrod“ ist auch noch eines dieser Überbleibsel aus den „Darkness“-Sessions, die damals völlig zu Recht keinen Platz auf der Scheibe gefunden haben. Es ist an sich auch mal wieder so ein Song, den man fast nur wirklich beurteilen kann, wenn man mal die Liveversion davon gehört hat. Mir persönlich passt der Mix auf der Scheibe nicht so ganz, weil dieses Keyboard-Riff (ein für mich etwas eigenartiges Konzept, was v.a. auf „Born in the U.S.A.“ auf die Spitze getrieben wurde) für mich hier deutlich zu dominant im Vordergrund steht, aber es ist schon eine fetzige Nummer. Obs dabei nun um Autos oder Sex geht („I wanna ramrod with you honey till half-past dawn“ … „I swear I think of your pretty face when I let her unwind”), sei mal dahingestellt… wahrscheinlich geht es irgendwie um beides. In dem Zusammenhang übrigens sorry für das verlinkte Video oben… hab es erst im Nachhinein gesehen und hatte dann keine Lust mehr, es zu ändern… :engel:
9/10

The Price You Pay [anhören]
Schöne Ballade über schwere Entscheidungen und Opfer, die man bringen muss, und mit denen man lernen muss zu leben. Was ich hier etwas eigenartig finde, ist das im Vergleich zu der Version auf dem ursprünglichen Single-Album (von vielen als die eigentlich definitive Version angesehen) nicht nur der Mix geändert wurde, sie ist auch etwas länger, und eine Strophe hat andere Lyrics. Für mich ist die Nummer vor allem eine nötige Brücke vom beschwingten „Ramrod“ zum 8-Minuten-Monument „Drive All Night“.
9/10

Drive All Night [anhören]
Mein erster Eindruck war hier ähnlich wie bei “Stolen Car” – 8 Minuten Stille mit ein bisschen Geschrei am Ende… Ist natürlich völliger Unsinn. Das hypnotische “Drive All Night” (das auch noch aus der “Darkness”-Zeit stammt) ist ein dunkles Liebeslied wie man es schöner nicht schreiben und singen kann. Ich bin ehrlich gesagt nicht ganz sicher, wie die Lyrics tatsächlich zu interpretieren sind. Mein ursprünglicher Ansatz war, dass hier ein Mann um seine Frau trauert und in seinen Gedanken und Erinnerungen alles tun würde, nur um nochmal in ihren Armen zu liegen, und am Ende träumt er dann davon, wie sie wieder zusammen sind. Online liest man dagegen eher, dass das Paar im Song wirklich wieder zusammengekommen ist, d.h. dass das meiste in den Lyrics wörtlich zu verstehen ist. Keine Ahnung, vielleicht weiß ja von Euch jemand, was hier richtiger ist. Wie dem auch sei, die Art und Weise wie diese eigentlich minimalistische Nummer gespielt und gesungen wird, ist derart tiefgehend, gefühlvoll und ergreifend, dass man hier jede Sekunde mitsehnt, mitklagt, mitliebt. Schaut euch auch mal die eine oder andere Live-Version an – wenn man schon Liebeslieder schreibt, dann genau so. Vollkommen, und vollkommen einzigartig. Der Basetrack stammt übrigens vermutlich tatsächlich noch aus den Darkness-Sessions, weil hier noch Jimmy Iovine als Engineer genannt ist.
10/10

Wreck on the Highway [anhören]
Die Scheibe wird von einer weiteren Ballade beendet, ein weiterer dunklerer Song, aber mit einer hoffnungsvollen Message. Die Nummer handelt von einem jungen, der Zeuge eines tödlichen Unfalls wird, und sich daraufhin seiner Sterblichkeit und Vergänglichkeit bewusst wird. Er liegt am Ende mit seiner Frau im Bett, mit dem Bewusstsein, das festzuhalten, zu pflegen und zu genießen, so lange man es hat – denn jeden Moment könnte es vorbei sein. Oder, um es mit Springsteens Worten zu sagen: "The highway's closed at a certain point. You have a certain amount of miles that you can make. It's a recognition of mortality." Großer Abschluss eines großen Albums. 9,5/10

FAZIT:
Tja, „The River“. In gewisser Hinsicht war die Scheibe so etwas wie eine Resterampe für einige Überbleibsel des Vorgängers, sie war eine Scheibe, die genauso Heimat für oberflächliche straighte Rocker wie „Ramrod“ oder „Sherry Darling“ wie auch für dunkle Balladen wie „Point Blank“ oder „Stolen Car“ war, so war aber (auch deshalb) vor allem ein Spiegelbild von fast allen Facetten, die Springsteen zu dieser Zeit ausgemacht haben. Und nicht zufällig ist es dabei das Album, das am räudigsten und rohsten klingt, das am ehesten noch dem Live-Sound der Band entspricht. Alleine dass Van Zandt hier als Co-Produzent agiert hat und, wie auch live, viele Background-Vocals beigesteuert hat, hat wohl viel dazu beigetragen, dass „The River“ so klingt, wie wir die Scheibe kennen. Zugegeben, das Album hat ein paar kleine qualitative Täler und klingt teilweise etwas durcheinander und zusammengewürfelt (was beides in gewisser Weise auch stimmt) und damit hier und da etwas inkohärent, aber auch das spiegelt ein wenig den Live-Charakter wider. In jedem Fall ist „The River“ für mich das Album, das Springsteen am typischsten charakterisiert. „Hungry Heart“ oder „Ramrod“ könnten auch auf „Born in the U.S.A.“ stehen, „Stolen Car“ nimmt „Nebraska“ vorweg, und „Jackson Cage“, „Independece Day“ und vielleicht auch Songs wie „Point Blank“ hätten auch auf „Darkness on the Edge of Town“ gepasst. Nur aus den jugendlich-romantischeren Messages der früheren Alben ist „The River“ bereits herausgewachsen. Und selbst wenn es für den einen oder anderen nicht die ultimative Springsteen-Scheibe ist, meiner Meinung nach ist es auf jeden Fall die definitive E-Street-Band-Scheibe. Hier stehen (wieder mal wie live) quasi alle Instrumente gleichberechtigt nebeneinander – nichts muss sich einem Kontext oder einem größeren Konzept unterordnen. Und so ist „The River“ die wahrscheinlich lebendigste aller Springsteen-Scheiben und eine weiterer Klassiker aus seiner größten Zeit zwischen 1975 und 1984.
9,5/10

Outtakes:

Springsteen sagte in der Dokumentation zum Making of von “The River”: „ I probably worked the hardest on some of the things that ended up as outtakes (…) You think all of them are gonna be on. When you’re cutting that song, you think ‘This is the one I’ve been waiting for.’ (…) The outtakes on “The River” are very complexly arranged. There’s a lot of singing, a lot of background vocals. (…) That was a record I could have switched a lot of things around. A lot of things that ended up as outtakes easily could have made it onto the record, and I could have some things on the record off.”

Ja, und so ist es auch. Interessanterweise ist das Album zwar recht „durcheinander“, die Outtakes sind aber deutlich kohärenter als noch zu „Darkness“-Zeiten, so dass ein separates Album aus diesen Nummern vielleicht mehr Sinn gemacht hätte, als „The Promise“ Sinn gemacht hat. Wie dem auch sei, die Anzahl der Outtakes und allgemein die Anzahl der geschriebenen und aufgenommenen Songs ist mal wieder mehr als nur bemerkenswert, und die eine oder andere Nummer davon hätte wohl eigentlich auf dem Album stehen MÜSSEN. Aber der Reihe nach:

Be True [anhören]
Kein echtes Outtake, weil als B-Seite von „Fade Away“ veröffentlicht. Der Song war Teil des ursprünglichen Single-Albums (mit noch etwas anderem Mix als auf der Single und schließlich auch auf „Tracks“) und wurde für das Album schließlich gestrichen. Guter Song, wenn vielleicht auch ein wenig seicht. 8,5/10

Roulette [anhören]
Springsteen sagte im Making of von „The River“: „… I mean, obvioulsy, you have Roulette. That was the big oversight… that was the one that, say, instead of Crush On You (lacht), Roulette should have gotten on the record.” JA VERDAMMT!!! Das hier wäre wahrscheinlich der stärkste Uptempo-Song des Albums geworden. Der Song handelt von einem Mann, der nach dem Reaktorunfall von Three Mile Island seine Familie zu retten versucht. Im Jahr 1988 wurde die Nummer nachträglich noch als B-Seite zu „One Step Up“ veröffentlicht, was angesichts des Tschornobyl-Unfalls erneute Brisanz bekam. 9,5/10

Held Up Without a Gun [anhören]
So ein wenig der einzige echte Punk-Song, den Bruce je geschrieben hat. Coole, knackig-kurze Nummer, die bereits 1980 als B-Seite zu „Hungry Heart“ und 1985 nochmal zu „I’m Going Down“ veröffentlicht wurde. 8,5/10

Cindy [anhören / Alternative Version mit CC]
Puh… diese Definition von „seicht“ sollte tatsächlich auf dem ursprünglichen Album landen, wurde dann aber völlig zu Recht gestrichen. Schlecht ist das natürlich nicht, aber mehr eben genauso wenig. Interessant ist vielleicht noch die nicht veröffentlichte Version, bei der Clemons mitsingt. 8/10

Loose Ends [anhören]
Das hier dagegen ist eine Nummer des ursprünglichen Single-Albums, die man schon auf dem letztendlichen Album hätte erwarten können. Steve Van Zandt war angeblich stark dafür, den Song auf dem Album zu lassen. Viellicht hätte die Stimmung nicht ganz gepasst, aber das ist im Nachhinein immer schwer zu sagen. Für sich genommen aber ein sehr guter Song. 9/10

Bring On The Night [anhören]
Dieses Überbleibsel aus den “Darkness”-Sessions ist der einige Song, der auf “Tracks” veröffentlicht wurde, aber 2015 nicht im Boxset unter den River-Outtakes auftauchte. Cooler Song mit einem interessanten Tempospiel und einem schönen Spannungsbogen. 9/10

Restless Nights [anhören]
Ich sag mal so: Wenn Bruce neben “Hungry Heart” noch eine zweite Hitsingle gewollt hätte, hätte ich diesen Power-Pop-Song vorgeschlagen. Ich habs ausprobiert – der Refrain kann ein mörderischer Ohrwurm sein. Viel besser kann man diese Art von Musik nicht machen. 9/10

Dollhouse [anhören]
Starker Rocksong, der ohne Weiteres anstelle von “Two Hearts” oder “You Can Look” (und natürlich erst recht statt „Crush On You“ oder „I’m a Rocker“) auf dem Album hätte stehen können. 9/10

Where the Bands Are [anhören]
Noch so ein starker Rocksong, der sogar klingt, als wäre er für die Bühne geschrieben worden. Genau deshalb kann man das gleiche sagen wie über „Dollhouse“ – hätte gut aufs Album gepasst. 9/10

Living on the Edge of the World [anhören]
Fetziger Song ein bisschen im Stil von einigen Pop/Rock ‘n’ Roll-Nummern aus den 50ern/60ern. Teile davon wurden später für „Open All Night“ und „State Trooper“ verwendet. 8,5/10

Take ‘em As They Come [anhören]
Noch so ein Ohrwurm im Refrain, den man nicht mehr so einfach loswird. Völlig irre, wie viel tolle Songs Bruce damals geschrieben hat. 8,5/10

Ricky Wants a Man of Her Own [anhören]
Kurze eingängige Rock/Pop-Nummer, die zwar auf dem Album nicht so richtig gepasst hätte (auf dem Single-Album vielleicht), aber die wahrscheinlich die deutsche Hitparade in den 80ern gerockt hätte. 8,5/10

I Wanna Be With You [anhören]
Noch so ein guter Rocksong, der sich vor so einigem, was in den 80ern und 90ern so die Charts gestürmt hat, nicht zu verstecken braucht. 9/10

Mary Lou [anhören]
Auch eine starke Nummer, die sich irgendwann mal Lyrics mit “Little White Lies” teilte. 8,5/10

From Small Things (Big Things One Day Come) [anhören]
Lupenreine Rock-‘n’-Roll-Nummer, die unheimlich Spaß macht und so ein bisschen schon ein Vorgeschmack auf einige Sachen (auch Outtakes) von „Born in the U.S.A.“. Super. *mitwipp* 9/10

Meet Me in the City [anhören]
Und wieder ein toller treibender Rocksong, von dem die Vocals allerdings von 2015 stammen (abgesehen vom Einzählen). Da Clemons und Federici zu hören sind, sind zumindest manche Teile vermutlich original. Trotzdem eine super energiegeladen Nummer. 9/10

The Man Who Got Away [anhören]
Großartiger, spannungsgeladener Song, den ich mir auch auf dem Album sehr gut hätte vorstellen können. 9/10

Little White Lies [anhören]
Super, treibende Nummer und ein weiteres unter den vielen Highlights der Outtakes. Wurde von Max Weinberg mal als einer seiner Lieblingssongs bezeichnet. Völlig zurecht. Der Anfang wurde wohl recht stark von „Paint it Black“ inspiriert. 9/10

The Time That Never Was [anhören]
Interessanter, orchestraler Song, der sich stilistisch mal wieder stark an Roy Orbison orientiert. Dieses Mal ziemlich erfolgreich. Super Gesangsleistung und tolle Arrangements. 9/10

Night Fire [anhören]
Auch ein hervorragender Song, bei dem mich aber die modernen Vocals schon ein wenig stören (die Musik klingt aber original). Nichtsdestotrotz stark. 8,5/10

Whitetown [anhören]
Ein weiterer Song mit neu aufgenommenen Vocals. Der Song ist aus zwei Heim-Demos entstanden, u.a. aus „Mr. Outside“ (weiter unten verlinkt). 8/10

Chain Lightning [anhören]
MY SHARONA…!!! Naja, im Ernst, der Vergleich drängt sich schon auf – außer halt, dass „Chain Lightning“ besser ist. Man hat zwar das Gefühl, dass die Nummer noch etwas unfertig ist, aber die Stimmung ist klasse. Hätte was Großes draus werden können 8,5/10

Party Lights [anhören]
Ordentliche Nummer. 8,5/10

Stray Bullet [anhören]
Neben “Roulette” ist “Stray Bullet” für mich der zweite Pflichtsong, der eigentlich auf dem Album hätte stehen müssen, vor allem weil er auch zu der dunklen Stimmung der Balladen gepasst hätte. Sensationelle Nummer. 9,5/10

Paradise by the “C“ [anhören]
Cooles Instrumental, das auch häufiger live gespielt wurde. Macht Spaß. 8,5/10

Mr. Outside [anhören (solo home recording]
Ist halt ein Heim-Demo, d.h. es wirkt völlig zu Recht noch sehr unfertig. 8/10

Mehr Outtakes (nur als Proberaumaufnahmen verfügbar) Weitere Outtakes (unveröffentlicht oder nur als unhörbare Bootlegs verfügbar)
  • Love Won’t Let You Down (genauer Titel unbekannt; hat nichts mit „My Love Will Not Let You Down“ zu tun)
  • Do You Want Me to Say Alright
  • Angelyne
  • A Thousand Tears (William Davis)
  • Tonight
  • I’m Gonna Treat You Right
  • Dedication
  • Your Love
  • This Little Girl
Zuletzt geändert von KnitterRitter am 29.07.2017 11:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: Darkness on the Edge of Town)

Beitrag von KnitterRitter »

Alphex hat geschrieben:Kann man sich The River eigentlich guten Gewissens so zulegen, oder ist die doch deutlich teurere Variante mit den ganzen Bonussachen essenziell?
Essentiell ist die nicht, aber als Box ist da schon nur gutes Zeug drauf. Vor allem, wenn man "Tracks" nicht hat (wo einige der Outtakes auch bereits veröffentlicht wurden), lohnt sich das mMn schon:

- 2 CDs für das Album
- 1 CD Outtakes (22 Songs)
- 1 CD mit ursprünglichem Single-Album
- 2 DVDs Livekonzert (super!)
- 1 DVD Making of
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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: The River)

Beitrag von costa »

"The River" hat bei mir irgendwie einen seltsamen Stand. Klar hinter den beiden Vorgängern, vielleicht auf einem Level mit dem Nachfolger und klar hinter "Born in the USA", aber irgendwie find ich sie sehr schwer in die Diskographie einzuordnen. Ich mag das Album aber unheimlich gerne.
Auch wenn objektiv vermutlich Sachen wie 'Indepenence Day', 'Point Blank' oder der Titelsong die Highlights sind, sind es für mich persönlich klar 'The Ties That Bind' und 'Out in the Street'. Ich könnte nicht mal sagen wieso, aber die Songs begeistern mich beide so unglaublich. Umso schöner, dass ich bei meinem einzigen Boss-Konzert ersteren auch hören durfte und das nur aufgrund eines Fan-Wunsches via Pappschild.


Wunderbares Review auch wieder.
How can I have disbelieved the wrong egg thing?

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Re: BRUCE SPRINGSTEEN - Eine Werkschau (aktuell: The River)

Beitrag von Tailgunner »

"... Wenn sich seine Stimme am Ende der Bridge bei „now those memories come back to haunt me… they haunt me like a curse“ leicht überschlägt, so als müsste er ein Schluchzen herunterschlucken – diese subtile und gleichzeitig brutale Art, Gefühle zu vermitteln, das schaffen nur ganz wenige Sänger, wenn es denn überhaupt noch jemanden gibt, der das so schafft. „The River“ ist dieser eine perfekte Song, den die besten der besten ihre ganze Karriere anstreben und auf den die meisten Künstler ein Leben lang warten. Einer von drei Songs für die Insel, vertonte Perfektion.10/10"

"Is a dream a lie if it don´t come true ... or is it something worse"
imho eine der besten Lyric-Zeilen aller Zeiten. Nicht nur vom Boss.

@GTS: Dess Naach.... ist ganz bewußt ein Hommage an Racing in the Streets, da hat Wolfang N. nie einen Hehl draus gemacht. Songaufbau, Thema, Sound...
Die Version von der "Tonfilm" ist noch einen Ticken gelungener als das Original.

Ich liebe diesen Thread und hab jahrelang nicht mehr so viel Springsteen gehört, wie wenn Knitter hier wieder ein Album bespricht.
So manches erscheint in neuem Licht, anderes, vergessenes / übersehehens fängt an zu strahlen.
Ich bin erstaunt, wieviel neues es für mich (in jungen Jahren Boss-Fan hoch drei, unter dem ersten Dutzend Alben meiner Jugend war die Live-Box...) noch gibt.
Vielen Dank für diese Reviews und die Leidenschaft, die Du da reinsteckst. Cool.
Now I am a 21st Century digital unicorn
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